Der Trend zum Billig-Computer (2)

Sonntag, 15. Juni 2008
 / von Leonidas
 

In beiden Fällen bekommt man wesentlich mehr Leistung und damit auch Durchhaltevermögen als mit einem der Nettop-Computer mit Atom-Prozessor. Diese mögen als Surfstations zum jetzigen Zeitpunkt durchgehen, haben allerdings keine Leistungsreserven für die Zukunft und sind damit schneller "altes Eisen" als ein Gerät, wie es vorstehend vorgestellt wurde. Gerade aber die geringe Preisdifferenz überzeugt hierbei: Die günstigsten Nettops werden kaum für unter 150 Euro zu bekommen sein, oftmals werden jedoch um die 200 Euro fällig werden. In diesem Preisbereich spielt aber auch unser Billig-Computer – nur daß dieser geradezu dramatisch mehr Power unter der Haube hat.

Kommt es zudem zum Thema Aufrüst- und Grafikfähigkeit, schmieren die Nettop-Geräte gleich vollkommen ab, weil jene Funktionalität bei diesen Geräten generell nicht vorgesehen ist. Selbst wenn man nur die integrierten Grafiklösungen bemüht, steht unser Billig-PC wesentlich günstiger da, weil wir natürlich auf eine moderne integrierte Lösung von ATI oder nVidia setzen würden, welche wenigstens eine gewisse Grundperformance bietet und zudem ohne Kompatibilitätsprobleme daherkommt. Nettops wird es hingegen in erster Linie mit älteren Intel-Chipsätzen geben, deren Grafiklösung im Vergleich zu denen ATI und nVidia eine klar schlechtere Performance haben und ebenso diverse Kompatibilitätsprobleme aufweisen.

Und auch die größere Konfiguration ist immer noch ihren monetären Mehreinsatz deutlich wert: Rechnet man die erhebliche Mehrperformance ein und sieht, daß die Verwendung von Standard-Hardware eben auch Aufrüstfähigkeit und die Möglichkeit einer extra Grafikkarte des Mainstream-Bereichs ermöglicht, ist der Preisunterschied von ca. 200 Euro eines Nettops zu den 300 Euro bei unserem Billig-Computer mehr als gerechtfertigt – vielmehr lohnt sich die Preisersparnis des Nettops nicht wirklich, betrachtet man sich dessen Limitationen.

Ein solcher Billig-PC läßt sich natürlich auch jederzeit mit einer extra Grafikkarte zur Spielestation ausbauen – und zwar ohne daß man hierbei irgendwelche beachtenswerten Einbußen ein Kauf nehmen müsste, weil die Komponenten dieses PCs ja bewußt sparsam ausgewählt wurden. Diese Sparsamkeit trifft zwar zu, allerdings ist die für Spiele entscheidende Grundfunktionalität (moderner Prozessor auf modernem Mainboard mit 2 GB Speicher) einwandfrei vorhanden. Natürlich ist das ganze System weniger zur Aufnahme einer HighEnd-Grafikkarte gedacht, dafür müsste das Netzteil mehr Leistung liefern und auch die CPU-Motorisierung erscheint hierfür als ein wenig zu schwach.

Aber Grafikkarten des oberen Mainstream- bis Performance-Marktsegments können hier problemlos eingesetzt werden. Als exzellente Lösung für den vorstehend vorgestellten PC kann man die GeForce 9600 GT betrachten, deren Mainstream-Performance passt perfekt zu den gewählten Mainstream-Prozessoren, zudem hat die Karte auch einen vergleichsweise niedrigen Stromhunger (60 Watt unter Last). Ebenfalls passende Lösungen sind Radeon HD 3690/3830, GeForce 8800 GS, GeForce 9600 GSO, Radeon HD 3850, Radeon HD 3870 und GeForce 8800 GT, wobei bei den beiden letztgenannten Karten das Netzteil sicherlich eher größer (400 Watt, gute Power auf der 12V-Leitung) als kleiner dimensioniert werden sollte.

Und damit kann man dann ganz schnell auf die Spiele-Performance eines ausgewachsenen Mainstream-PCs der 1000-Euro-Klasse kommen. Wobei man, wenn man bei dem Beispiel der GeForce 9600 GT bleiben will, dafür gerade einmal 420 Euro (ohne Betriebssystem und ohne Monitor) ausgeben würde – hier kann man gewaltig sparen, ohne dafür erhebliche Nachteile bei der Performance hinnehmen zu müssen. Natürlich ist das 1000-Euro-Gerät trotzdem etwas schneller – allerdings dürfte es dort in erster Linie deutlich mehr CPU-Power geben, welche jedoch unter Spielen in den meisten Fällen nicht so die Bedeutung hat und damit keine erhebliche Mehrperformance erzeugt.

Zu beachten wäre bei der Wahl der Grafikkarte in Zusammenhang mit dem benutzten Display natürlich noch, daß die native Auflösung des Displays nicht zu groß sein sollte (maximal 22 Zoll mit 1680x1050), um die benutzte Grafikkarte nicht zu überfordern oder aber in eine niedrigere als die native Auflösung zu zwingen. Der Bildqualitätsverlust durch eine andere als die native Auflösung ist unter Spielen zwar nicht sofort augenscheinlich (im Gegensatz zum Windows-Desktop), aber natürlich trotzdem vorhanden. Diese Möglichkeit darf eigentlich nur der letzte Ausweg bei besonders Hardware-fressenden Spielen sein, ansonsten sollten Grafikkarte und Display immer so geplant werden, daß die native Auflösung auch unter Spielen nutzbar ist.

Ob nun mit extra Grafikkarte als günstige Spielemaschine oder ob ohne extra Grafikkarte – in beiden Fällen wäre ein wirklich preisgünstiger Billig-Computer erreicht, welcher von der Performance und den Möglichkeiten eher jeden Nettop-Computer problemlos in den Schatten stellt. In beide Richtungen des Preissegments ergeben sich hier starke Argumente zugunsten dieses Billig-PCs: Nach unten hin haben die Nettops deutlich weniger Performance, welche zwar für eine einfache Surfstation reichen mag, jedoch nicht den Anspruch eines Home-PCs erfüllt. Zudem muß man bei einem Nettops auch mit einer deutlich kürzeren Lebenserwartung rechnen, ehe dieses Gerät aus Performance-Gründen ausgewechselt werden muß.

Nach oben hin gibt es dagegen zwar Performance nach Belieben, allerdings bezahlt man dafür auch heftig mehr – und benötigt diese Performance zumindest für einen Home-PC auch nicht. Gerade das ist der Knackpunkt an unserem Billig-Computer: Dieser bietet genau soviel Leistung, wie heutzutage (inklusive Reserve) wirklich nötig ist – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Dabei hat dieser Billig-Computer gute Möglichkeiten hin zur Aufrüstung sowohl bezüglich der Performance (spätere CPU-Upgrades) als auch zum Umbau zu einer kleinen Spielemaschine mittels einer Mainstream-Grafikkarte. Gerade in diesem Punkt erfüllt unser Billig-Computer die Anforderungen "ausgewachsener" PCs und grenzt sich deutlich von den Nettops ab.

Dabei soll eben jene Nettop- und Netbook-Klasse hier nicht verteufelt werden – nein, gerade jene neue Klasse von Billig-Computer war und ist ein Augenöffner, wo die wahren Bedürfnisse der Konsumenten liegen. Und gerade im Mobile-Bereich ist dies eben ein mobiles Gerät ohne jegliche Performance-Ansprüche, welches einfach einen Reisebegleiter geben soll, ohne dafür echt Platz wegzunehmen oder gar ernsthaft Geld zu kosten. Genauso haben auch die Nettop-Computer als einfache Surfstations ihre Berechtigung, nutzbar beispielsweise in Internet-Cafes, Bilibliotheken und ähnlichem.

Dieser Artikel hat aber auch gezeigt, daß es neben den Nettops und Netbooks eigentlich noch eine weitere Klasse an Billig-Computern überhalb diesen geben sollte: Eine Klasse von Geräten, welche explizit als standardmäßiger Home- und Arbeits-PC gedacht ist und sich wie erwähnt auch in Richtung einer kleinen Spielemaschine ausbauen läßt. Für diese Anwendungszwecke 1000-Euro-Geräte zu nehmen, ist schwerer Overkill, weil die Performance dieser Geräte heutzutage einfach nicht für die Aufgabenstellung als Home- und Arbeits-PC benötigt wird.

Ob sich die Gerätehersteller allerdings dieser Realität beugen werden wollen, steht auf einem ganz anderen Blatt. Nicht umsonst werden Nettops und Netbooks zum größten Teil aus Spezialhardware zusammengestellt, welche die voraufgezählten Nachteile hat und daher diese neue Geräte-Klasse schwerlich mit ausgewachsenen PCs vergleichbar macht. Eine Initiative zugunsten von Billig-Computern aus Standard-Hardware dürften den großen Herstellern weniger schmecken, müsste diese doch dann eine (möglicherweise deutliche) Abnahme des durchschnittlichen PC-Verkaufspreises fürchten.

Allerdings wird sich der Lauf der Welt kaum aufhalten lassen – ganz besonders wenn es fundamentale Ursachen gibt. Unser Ruf nach einem leistungsfähigen Billig-Computer ergeht ja nicht, weil wir irgendwie krampfhaft sparen wollten, sondern weil einfach die Möglichkeiten hierzu sowohl auf der Performance- als auch der Anspruchsseite inzwischen klar vorhanden sind. Eine zeitlang dürfte es wohl noch gut gehen, Otto Mediamarktkäufer für den einfachen Home-Einsatz ein 1000-Euro-Gerät (mit am besten nur gurkiger Grafiklösung, aber natürlich "Spiele-Tauglichkeit") zu verkaufen, mit steigender Hardware-Power (man denke nur an die kommenden Nehalem-Prozessoren) wird die Diskrepanz zwischen Leistungsmöglichkeiten und realem Leistungsbedarf aber irgendwann zu groß werden, um dieses noch zu übersehen. Spätestens dann werden sich die PC-Bauer damit arrangieren müssen, darf nur das gekauft wird, was auch wirklich benötigt wird – und nicht blind nach Prospekt und Geldbeutel.

Gut möglich, daß wir derzeit sogar am Anbruch eines neuen Hardware-Zeitalters stehen, in welchem Performance zunehmend unwichtiger wird, und Dinge wie Komfortabilität, Nutzbarkeit, Aufrüstbarkeit und Ergonomität in den Vordergrund rücken. Das muß dann noch nicht einmal zwingend bedeuten, daß wir weniger für PCs ausgeben – eventuell werden die Ausgaben nur umgeschichtet und gehen weg von der originalen grauen Box in Richtung zusätzlicher Monitore, Eingabegeräte, externer Datenträger und weiterer Periperhie-Gerätschaften (um nur einige Möglichkeiten zu nennen). Es würde auch Räume für neue, derzeit möglicherweise noch nicht einmal gedachte Produkte eröffnen, welche die Einsatzmöglichkeiten des PCs vergrößern oder aber bestehende Einsatzmöglichkeiten komfortabler machen. Alles in allem geht es wohl weg von der Frage nach immer mehr Performance – hin zu der Frage, die vorhandene (sowieso hohe) Performance auch entsprechend auszunutzen.