Bislang galt es als usus, daß man für durchgehend neue Grafikkarten-Portfolios – wie sie uns mit der kommenden 14/16nm-Generation ins Haus stehen sollen – mindestens vier Grafikchips von unterschiedlichem Leistungspotential benötigt (LowCost, Mainstream, Performance & HighEnd), eventuell sogar gleich fünf Stück (ein extra Grafikchip für das Enthusiasten-Segment). Die letzten drei Grafikkarten-Generationen hatte AMD gleichzeitig 4, 6 und 5 Grafikchips am Start (HD7000, R200 & R300 Serien), bei nVidia waren es in der letzten vollständigen Grafikkarten-Generation (700er Serie) auch gleichzeitig 5 Stück. Dies wird auch untermauert durch nVidias Pläne bei der Pascal-Generation [1], dort sind augenscheinlich wiederum gleich 5 neue Grafikchips für den Consumer-Einsatz vorgesehen. Die von AMD höchstselbst kommende Information, daß AMD für das Jahr 2016 jedoch nur zwei neue Grafikchips [2] in Vorbereitung hat, konnte man daher bisher nur dahingehend deuten, daß AMD die dabei entstehenden Lücken mit Rebrandings [3] füllen muß.
Allerdings sind auch andere Wege denkbar, welche gänzlich ohne Rebrandings auskommen – sprich, sogar ohne Rebrandings der technologisch allerneuesten AMD-Chips in Form von Tonga und Fiji (beiderseits GCN 1.2). Dafür sind jedoch einige Klimmzüge vonnöten, die nachfolgend vorgestellt werden sollen. Denn mit nur zwei 14nm-Grafikchips für ein komplettes Portfolio muß jenes an den Rändern etwas gestrafft werden – es wird kaum möglich sein, einen extra LowCost- und einen extra Enthusiasten-Grafikchip aufzulegen, diese Segmente bleiben (vorerst) unbesetzt. Hier kann AMD allerdings recht problemlos erst im Jahr 2017 nachlegen: Für LowCost-Chips dürfen die Fertigungskosten nicht zu hoch sein, Enthusiasten-Chips hingegen sollten zugunsten einer sinnvollen Produktionsausbeute nicht zu nahe am aktuell technisch Machbaren liegen – gute Gründe, diese Chips erst später zu bringen, wenn die 14nm-Fertigung etwas besser eingefahren ist.
Damit müsste AMD mit nur zwei 14nm-Chips dann nur drei Marktsegmente besetzen: Mainstream, Performance und HighEnd – zu lösen über einen großen Chip (höchstwahrscheinlich "Greenland") und einen kleinen Chip (wahrscheinlich "Baffin" oder "Ellesmere"). Zu beachten wäre dabei der grundsätzliche Leistungssprung der 14/16nm-Generation – sprich, was heutzutage Enthusiasten-Performance ist, wird dann ein Marktsegment nach unten in Richtung HighEnd-Performance gereicht usw. Hier zeigt sich gleich ein Fixpunkt der ganzen Idee: Die Performance des Fiji-Chips, welcher derzeit im Enthusiasten-Segment sitzt, im Jahr 2016 dann aber ins HighEnd-Segment degradiert wird, muß natürlich vom Greenland-Chip geschlagen werden. Sofern AMD vor hat, noch einen nachfolgenden extra Enthusiasten-Chip zu bringen, muß dieser Performancevorteil gar nicht einmal besonders hoch sein. Unter Umständen könnte man den Fiji-Chip mit seinen 4096 Shader-Einheiten schlicht unter 14nm neu auflegen, verkleinert zugunsten von HBM2-Speicher das Speicherinterface auf 2048 Bit DDR und mixt die neuen Zutaten von GCN 2.0 samt etwas mehr Taktrate hinein – da müsste sich doch ziemlich sicher etwas ergeben, was den Fiji-Chip um 10-15% schlagen kann.
Andererseits könnte sich AMD aber auch daran orientieren, was nVidia augenscheinlich tun wird – und dies dürfte der performancemäßige Ersatz des GM200-Chips durch den GP104-Chip sein, so wie in den letzten nVidia-Generationen jeweils vorexerziert. Dafür dürfte AMD dann etwas mehr Performance als einen "Fiji +10-15%" benötigen, insofern ist es also auch denkbar, daß AMD dem Greenland-Chip mehr Shader-Einheiten als die 4096 Stück des Fiji-Chips spendiert (64 Shader-Cluster). Sinnvoll wäre hierbei eine maßvolle Steigerung auf 4864 Stück bis maximal 5120 Stück (76-80 Shader-Cluster). Dies würde die Chipfläche nicht wesentlich vergrößern, aber im Zweikampf mit nVidias neuem HighEnd-Chip GP104 (möglicherweise sogar entscheidend) weiterhelfen. Die Chipfläche des Greenland-Chips kann man nach diesem Modell auf 350-400mm² schätzen – je nachdem ob es mehr Shader-Einheiten als beim Fiji-Chip gibt und wie stark die Umbauten durch die GCN 2.0 Architektur ins Gewicht fallen.
aktuelles AMD-Portfolio | Greenland @ 4096 SE | Greenland @ 5120 SE |
---|---|---|
Fiji mit 4096 SE @ 4096 Bit DDR HBM1 auf 596mm² Hawaii mit 2816 SE @ 512 Bit DDR GDDR5 auf 438mm² Tonga mit 2048 SE @ 256 Bit DDR GDDR5 auf 359mm² Pitcairn mit 1280 SE @ 256 Bit DDR GDDR5 auf 212mm² |
Greenland mit 4096 SE @ 2048 Bit DDR HBM2 auf ~350mm² Baffin/Ellesmere mit 2048 SE @ 256 Bit DDR GDDR5 auf ~200m² |
Greenland mit 5120 SE @ 2048 Bit DDR HBM2 auf ~400mm² Baffin/Ellesmere mit 2560 SE @ 256 Bit DDR GDDR5 auf ~250m² |
Radeon R9 Fury X 4096 SE, Perf.Index: 670%, 649$ Radeon R9 Fury 3584 SE, Perf.Index: 620%, 549$ Radeon R9 390X 2816 SE, Perf.Index: 570%, 429$ Radeon R9 390 2560 SE, Perf.Index: 530%, 329$ Radeon R9 380X 2048 SE, Perf.Index: 390%, 229$ Radeon R9 380 1792 SE, Perf.Index: 360%, 199$ Radeon R7 370 1024 SE, Perf.Index: 260%, 159$ |
Greenland XT 4096 SE, Perf.Index ~760%, 549$ Greenland Pro 3456 SE, Perf.Index ~640%, 449$ Greenland LE 2816 SE, Perf.Index ~530%, 349$ Baffin/Ellesmere XT 2048 SE, Perf.Index ~430%, 249$ Baffin/Ellesmere Pro 1664 SE, Perf.Index ~360%, 199$ Baffin/Ellesmere LE 1280 SE, Perf.Index ~300%, 159$ |
Greenland XT 5120 SE, Perf.Index ~840%, 599$ Greenland Pro 4224 SE, Perf.Index ~710%, 499$ Greenland LE 3328 SE, Perf.Index ~590%, 399$ Baffin/Ellesmere XT 2560 SE, Perf.Index ~480%, 279$ Baffin/Ellesmere Pro 2048 SE, Perf.Index ~400%, 229$ Baffin/Ellesmere LE 1536 SE, Perf.Index ~330%, 179$ |
Alle Angaben dieser Tabelle zu den 2016/17 erscheinenden AMD-Grafikchips sind rein spekulativ. |
AMDs zweiter 14nm-Chip, derzeit als "Baffin/Ellesmere" betitelt, dürfte dann eine glatte Halbierung jenes größeren Greenland-Chips darstellen – sprich 2048 bis 2560 Shader-Einheiten (32-40 Shader-Cluster). Hinzu kommen die Verbesserungen der GCN 2.0 Architektur, womöglich auch etwas mehr Taktrate durch die 14nm-Fertigung. Als Speichertechnologie dürfte wahrscheinlich erneut GDDR5 genutzt werden, da HBM wohl noch zu teuer für den Einsatz im Mainstream-Segment ist. Mit einem 256 Bit DDR GDDR5-Speicherinterface sind 2048 Shader-Einheiten ganz vernünftig zu betreiben, wie der Tonga-Chip beweist – und nVidia benutzt bei dem im gleichen Performancesegment stehenden GM206-Chip sogar nur ein 128 Bit DDR GDDR5-Speicherinterface. Die hierfür benötigte Chipfläche bei Baffin/Ellesmere dürfte bei 200-250mm² liegen – also noch knapp ausreichend für einen Grafikchip, der auch mit ins Mainstream-Segment herunterreicht.
Damit kann man ganz gut all das abdecken, was derzeit im Leistungsbereich von Radeon R7 370 bis Fury X steht – und zwar mit entsprechenden Abspeckungen der 14nm-Chips Greenland und Baffin/Ellesmere. Durch die am Anfang sicherlich noch nicht perfekt laufende 14nm-Fertigung seitens GlobalFoundries werden sich reihenweise gefertigte 14nm-Chips mit kleineren Fehlern ergeben, welche sich für eine Weiterverwendung mit deaktivierten Hardware-Einheiten geradezu aufdrängen. Sicherlich wird AMD mit nur zwei 14nm-Grafikchips gezwungen sein, dann jeweils drei Grafikkarten pro Grafikchip aufzulegen, um sein Portfolio gut aufzufüllen – aber damit hätte man dann wenigstens ein Rumpfportfolio allein auf Basis der 14nm-Fertigung, welches von 150-Dollar-Lösungen bis hinauf zu 600-Dollar-Lösungen reicht. Im Jahr 2017 könnte man jenes dann durch eine echte LowCost-Lösung sowie einen echten Enthusiasten-Chip ausbauen, ohne diese zwei ersten 14nm-Grafikchips zu beeinträchtigen.
aktuelles AMD-Portfolio | AMD 2016 | AMD 2017 | |
---|---|---|---|
(Fertigung) | (28nm TSMC) | (14nm GlobalFoundries) | |
Enthusiast | Fiji (4096 SE, 596mm²) |
unbenannter Enthusiasten-Chip (~6500-7500 SE, ~600mm²) |
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HighEnd | Hawaii (2816 SE, 438mm²) |
Greenland (4096-5120 SE, 350-400mm²) |
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Performance | Tonga (2048 SE, 359mm²) |
Baffin/Ellesmere (2048-2560 SE, 200-250mm²) |
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Mainstream | Pitcairn (1280 SE, 212mm²) |
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LowCost | Bonaire (896 SE, 160mm²) |
unbenannter LowCost-Chip (1024 SE, ~130mm²) |
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Alle Angaben dieser Tabelle zu den 2016/17 erscheinenden AMD-Grafikchips sind rein spekulativ. |
Damit würde sich AMDs vollständiges 14nm-Portfolio erst im Jahr 2017 nach dem Erscheinen der zwei weiteren 14nm-Grafikchips ergeben. Aber dennoch kann AMD mit den zwei im Jahr 2016 erscheinenden 14nm-Grafikchips sein komplettes, derzeit bestehendes Grafikkarten-Portfolio abzüglich der LowCost-Bereichs schon ablösen, denn weder für eine Radeon R9 Fury X noch für eine Radeon R7 360 bliebe im vorstehend skizzierten 2016er AMD-Portfolio noch ein Platz übrig. Somit ist es in der Tat für AMD realisierbar, das Jahr 2016 mit nur zwei neuen 14nm-Grafikchips und trotzdem einem komplett neuen Grafikkarten-Portfolio ohne Rebranding-Lösungen zu bestreiten. Möglich wird dies allerdings nur unter dem Verzicht auf einen neuen LowCost-Chip und einen neuen Enthusiasten-Chip bereits im Jahr 2016 – jene dürften dann durch AMD im Jahr 2017 nachgereicht werden.
Verweise:
[1] http://www.3dcenter.org/news/reihenweise-pascal-und-volta-codenamen-aufgetaucht-gp100-gp102-gp104-gp106-gp107-gp10b-gv100
[2] http://www.3dcenter.org/news/hardware-und-nachrichten-links-des-13-november-2015
[3] http://www.3dcenter.org/news/amds-radeon-r400-serie-anscheinend-erneut-mit-vielen-rebrandings