nVidia versucht die Presse zu beeinflussen: Hersteller-kontrollierte Vorab-Tests zur GeForce RTX 4060

Im Vorfeld des Launches der GeForce RTX 4060 non-Ti berichten ComputerBase [1] und PC Games Hardware [2] über die Hintergründe der derzeit auf YouTube zu sehenden Teaser-Tests zu dieser Karte. Jene sind tatsächlich von nVidia erlaubt und damit kein Bruch des eigentlich erst am 28. Juni auslaufenden Testmoratoriums. Allerdings hat sich nVidia dafür herausgenommen, die Teaser-Tests der YouTuber und Influencer inhaltlich zu reglementieren: Konzentration auf DLSS3 mit "Frame Generation" sowie nur ausgewählte Spiele-Titel unter von nVidia vorgegebenen Spiele-Settings. Sicherlich kann man speziell in einen Teaser keinen kompletten Test packen und nVidia dürfte vermutlich die Finger davon lassen, jenen Hardwaretestern in deren kompletten Test hineinzureden – aber natürlich beeinflußt man somit den wichtigen ersten Eindruck.

Nvidia hat ausgewählten YouTube-Kanälen wie JayzTwoCents, Daniel Owen, ElAnalistaDeBits und Chaowanke die Veröffentlichung von ersten Benchmarks erlaubt, aber die Sache hat einen "kleinen" Haken. Die YouTuber und Influencer durften dabei ausschließlich über von Nvidia handverlesenen Spiele sprechen und mussten das Hauptaugenmerk dabei auf die Leistungszuwächse durch DLSS 3 und den Zwischenbild-Generator Frame Generation legen.
Quelle:  PC Games Hardware [2] am 26. Juni 2023

Das Wort "beeinflußt" ist hierbei wohl sogar noch zu weich, denn letztlich wird somit der Ersteindruck von nVidia höchstselbst gebildet, wenn die entsprechenden Hardwaretester für ihre Teaser vom 26./27. Juni nur eine Auswahl innerhalb von nVidia festgelegten Spielen und Settings haben. Dass die ganz großen YouTuber diese Aktion (zumeist) nicht mitgemacht haben, ändert nichts daran – gesehen werden halt jene Teaser, welche zwei Tage vor Launch (als einzige) vorhanden sind. Bei diesen liegt dann eine klare redaktionelle Beeinflussung vor, welche eigentlich nicht zulässig ist – wenigstens nicht, wenn man Wert auf die Freiheit der Presse legt. Dass es sich nur um Teaser handelt und nicht den kompletten Test bzw. dass der nachfolgende komplette Test noch einmal ganz andere Ergebnisse liefern könnte, spielt diesbezüglich keine Rolle: Denn auch die Teaser enthalten Testresultate und bei denen muß die redaktionelle Unabhängigkeit garantiert sein.

Zur Stunde veröffentlichen einige YouTube-Kanäle bereits erste „Teaser“ zu ihren jeweiligen Tests der GeForce RTX 4060, bei denen es sich nicht um einen Bruch des NDA handelt. Stattdessen sind die entsprechenden Videos und Shorts von Nvidia insofern autorisiert, als dass ausgewählte Influencer unter exklusiver Erlaubnis des Herstellers bereits einen Ausblick auf die neue Grafikkarte geben dürfen, wenn sie den Fokus ihrer Berichterstattung im Rahmen dieser Inhalte auf den Leistungsgewinn per DLSS 3 inklusive Frame Generation legen, nur in ausgewählten Spielen vergleichen und nur mit von Nvidia vorgegebenen Einstellungen testen.
Quelle:  ComputerBase [1] am 26. Juni 2023

Zugleich erreicht nVidia über diese Beeinflussung der Vor-Launch-Teaser auch eine (eigene) Regulierung innerhalb der Welt der YouTuber und Influencer: Jene, welche hier mitmachen bei der redaktionellen Beeinflussung, bekommen das Zuckerbrot in Form exklusiver Berichterstattung vor dem eigentlichen NDA-Fall. Jene, welche dies zugunsten ihrer redaktionellen Unabhängigkeit nicht mitmachen wollen, werden hiervon ausgeschlossen und verlieren potentiell Zuschauer an jene Kanäle, welche diesen Akt eben mitgehen. Der Hersteller kann somit "seine" Journalisten sowohl wirtschaftlich besserstellen als auch jene dahingehend formen, zukünftig vielleicht noch viel stärkere Eingriffe in die Freiheit der Berichterstattung zu erdulden. Dies geht sicherlich einfacher, wenn der YouTuber & Influencer die erste Kröte hiermit bereits geschluckt hat.

Wie ComputerBase aus einschlägigen Quellen erfahren hat, will Nvidia in Zukunft häufiger und in breiterem Rahmen auf diese Art der exklusiven Werbeteaser setzen.
Quelle:  ComputerBase [1] am 26. Juni 2023

Und augenscheinlich will nVidia zukünftig diese Schiene verstärkt reiten: Weg von der Fachpresse hin zu YouTubern und Influencern, welche mit exklusivem Kontent sowohl bevorteilt als auch gefügig gemacht werden. Dies muß sicherlich nicht einmal auf die Spitze getrieben werden, denn vollkommen bezahlte Reviews rufen zu viel Widerstand hervor und sollten daher selbst aus Sicht des Herstellers kontraproduktiv sein. Aber man macht sich die Presse hiermit peu à peu gefügig – nicht über Druck, sondern mit einem Lockmittel. Die "Presse" im Bereich YouTube & Influencer darf somit freiwillig ihre Pressefreiheit abgeben, nirgendwo gibt es einen Zwang – der erfolgt nur langfristig aus wirtschaftlicher Sicht, wofür sich nVidia schließlich überhaupt nicht zuständig fühlen muß.

Demzufolge ist zu dieser Aktion klar zu sagen: Wehret den Anfängen! Auch die redaktionelle Beeinflußung von Teasern ist schon eine Beeinflußung zu viel – ganz besonders wenn diese Teaser den wichtigsten Bewertungspunkt zu einer Grafikkarte in Form vergleichender Benchmarks beeinhalten. Diejenigen Portale & Personen, welche bei einer solchen Aktion mitmachen, sollten ihr Handeln hiermit genau überdenken. Schließlich steht es den Lesern & Zuschauern ab sofort zu, den ganzen Kanal bzw. Influencer als "gekauft" zu betrachten, sollte man nicht offensiv von einer solchen Vorgehensweise zurücktreten. Fehler können gemacht werden, aber es muß dann auch eine Korrektur erfolgen, wenn ein selbiger erkannt wird.

Dass eine Korrektur seitens nVidia erfolgt, ist hingegen nicht zu erwarten – das Unternehmen handelt allein nach dem Maßstab, dass man alles nutzt, was greifbar und nicht justizabel ist. Da das Rechtssystem in aller Regel für solche Vorfälle keine Sanktionen vorsieht, kann und wird so etwas immer wieder vorkommen – gerade bei Unternehmen, die absolut sattelfest im Markt stehen und somit jeden Sturm überstehen können. Es ist Aufgabe der Presse, solcherart Verlockungen zu widerstehen sowie Aufgabe der Marktteilnehmer, solcherart Vorfälle in ihre Kaufentscheidung mit einzubeziehen. In letzter Zeit wurden wir von solcherart Dingen glücklicherweise verschont – aber da gab es durchaus schon andere Zeiten, wo nVidia fast im Quartals-Takt ähnliche Geschosse rausgehauen hat.