Linux & MacOS auf dem Desktop?

Mittwoch, 3. Juni 2009
 / von Leonidas
 

Unsere letzte Umfrage zum Thema, ob denn die Betriebssysteme Linux oder MacOS eine Alternative für unsere Leser wären, wenn denn Spiele durchgehend auf diesen laufen würden, geschah natürlich nicht aus einer Laune heraus, sondern hatte einen gewissen Hintergedanken. Dieser bestand darin, zu ergründen, wie stark der Wettbewerb der Betriebssysteme eigentlich durch das fast vollständige Nichtvorhandensein des Anwendungszweigs der Spiele unter Linux und MacOS möglicherweise behindert wird.

Dabei hätten wir erwartet, daß es unter unseren Lesern durchaus eine beachtbare Minderheit gibt, welche Linux oder/und MacOS gern eine Chance geben würden, wenn damit auch dieses Anwendungsfeld zu bestreiten ist – doch weit gefehlt, die Auswertung unserer Umfrage ergab ein geradezu überwältigendes Ergebnis pro der alternativen Betriebssysteme:

Wäre Linux oder MacOS eine Alternative, wenn darauf PC-Spiele durchgehend laufen würden?

Natürlich bedeutet "eine Alternative sein" nicht, daß sich dieses auch 1:1 in Käufe umsetzen läßt. Aber wenn runde 78 Prozent unserer Leser den alternativen Betriebssystemen im Fall des Falles eine faire Chance geben würden, bedeutet dies doch, daß man sich damit in jedem Fall gewisse Marktanteile sichern würde können – jedenfalls deutlich mehr als bisher.

Und bisher sieht es für MacOS und ganz besonders für Linux auf dem Desktop eher mau aus: Das Apple-Betriebssystem hat immerhin noch seine eingeschworene Fan-Gemeinde und ist zudem in einigen Spezialbereichen (Bildbearbeitung und ähnliches) seit längerem stark vertreten, so daß es immer zu ein paar Prozenten Nutzerbasis reicht. Linux ist dagegen zwar im Servermarkt eine absolute Macht, ist im Desktop dagegen weiterhin eher bedeutungslos – obwohl Linux ja eigentlich einmal als Desktop-Betriebssystem konzipiert war.

Die Zahlen hierzu schwanken ein wenig, weil man immer mit betrachten muß, wo und wer so etwas erfasst. So ist der kürzliche Report von Net Applications, welchen der Heise Newsticker zitiert, mit der Auswertung von 160 Millionen Internet-Nutzern zwar von der reinen Zahlenmenge her ausreichend, allerdings dürften in diesen Report sicherlich in erster Linie US-Webseiten eingeflossen sein – womit der vergleichsweise hohe Anteil an Apple-Betriebssystemen nicht weiter verwundert, denn in Amerika ist MacOS deutlich stärker als anderswo. Hierzu einfach einmal ein paar Zahlen:

Windows MacOS Linux
Net Applications 87,9% 9,7% 1,0%
Heise Online 69,9%
(nur XP+Vista)
7,7% 14,8%
3DCenter (Webseite) 87,5% 2,4% 3,6%
3DCenter (Forum) 89,1% 5,2% 5,2%

Natürlich sind Heise Online und 3DCenter nur zwei einzelne Webseiten und wenden sich zudem auch noch an ein ziemlich spezielles Publikum, die hier erhobenen Daten sind also keineswegs zu verallgemeinern. Trotzdem würden wir mal behaupten, das weltweit MacOS allerhöchstens auf 5 Prozent der Internetnutzer kommt, denn außerhalb der USA ist das Apple-Betriebssystem bei weitem nicht so stark wie in seiner Heimat. Ob der Anteil von Linux dagegen wirklich höher ist, wenn man alle Webnutzer weltweit betrachtet, wäre noch zu beweisen.

In jedem Fall ergeben sich angesichts dieser Zahlen zu Linux zwei sehr markante Punkte: Erstens einmal ist der Anteil an der installierten Basis bei Desktop-Systemen gerade angesichts der nun wirklich langjährigen Bemühungen um einen Fortschritt auf diesem Gebiet wirklich nicht berühmt. Net Applications haben beispielsweise auch einen Anteil von 0,55 Prozent für das iPhone vermessen – welches gerade einmal zwei Jahre auf dem Markt ist und sich in dieser Zeit immerhin die Hälfte des Linux-Anteils hat erarbeiten können.

Zum anderen ergibt sich für Linux und auch MacOS ein sehr eklatanter Unterschied zwischen real installierter Basis (zusammen höchstens 10 Prozent) und den Möglichkeiten, wenn man sich nur unsere Umfrage betrachtet. Daß 28 Prozent den alternativen Betriebssystemen sogar bei gewissen Performancenachteilen den Vorzug geben würden und nur 7 Prozent einen Wechsel grundlegend ablehnen, zeigt deutlich die Bereitschaft der Nutzer unserer Webseite, den alternativen Betriebssystemen eine Chance zu geben.

Die konkrete Fragestellung der Umfrage trifft dann vollkommen ins Schwarze bei der Suche nach einer Antwort, warum dies bisher noch nicht geschehen ist: Linux und MacOS fehlt ein sehr wichtiger Anwendungszweig, welcher auf dem Desktop einfach elementar für einen breiten Einsatz ist: Spiele. Dies mag an den Marktforschern gerade in der Vergangenheit regelmäßig vorbeigegangen sein (weil die keine Spieler sind), aber es ist die einzige logische Erklärung, welches dieses erhebliche Mißverhältnis zwischen Bedarf und Realität erklärt.

Denn das Linux zu kompliziert oder sonstwie nicht verwendungsfähig ist, trifft nun sicherlich nicht mehr zu (auf MacOS sowieso nicht) – und gerade im Kreis der Spieleenthusiasten könnte man darüber noch am ehesten drüber hinwegsehen, gibt es hier doch mit die meiste Hardware- und Softwareerfahrung. Man kann es sogar herumdrehen: Gerade die Spieler stellen eine ideale Start-Zielgruppe für Neuigkeiten jeder Art dar, denn diese probieren viel aus und herum, geben Rückmeldung und Kritiken ab und verbessern somit unmerklich das ganze System so lange, bis es auch reif für Otto Aldikäufer ist.

Auch in anderen Anwendungsfeldern haben Linux und MacOS keine entscheidenden Nachteile: Zwar gibt es nicht jedes Programm auf jedem Betriebssystem – aber eine entsprechende Alternative ist nie weit entfernt, man wird wohl für jede Arbeitsaufgabe das passende Programm unter jedem dieser Betriebssysteme finden können. Bei Spielen sieht es dagegen unter Linux wie MacOS mau aus: Nur weil es hier und da einzelne Spiele auch unter diesen Betriebssystemen gibt, kann man sicherlich nicht von einem "Angebot" sprechen. Zudem handelt es sich bei Spielen ja auch nicht um Gebrauchsgegenstände wie Officeprogramme, welche man beliebig ersetzen kann – sondern eher um Kunst, also Unikate, welche jedes Stück für sich einmalig sind.

Sinn würden Spiele unter Linux und MacOS also nur machen, wenn dauerhaft und nahezu vollständig die entsprechenden Windows-Spiele auch auf diese Betriebssysteme umgesetzt werden würden – damit ist jegliches Stückwerk wie sie die Windows-Emulatoren Wine & Co. bieten, Makulatur. Lösbar wäre dieser gordische Knoten in der Tat (wie einst im historische Vorbild) wohl wirklich nur mit roher Gewalt: Anstatt die für Spiele benötigte Windows-API (DirectX) mühsam, mit hohem Zeitverzug und letztlich immer unvollständig auf einem fremden Betriebssystem nachzubilden, müsste sie dort per default und ganz regulär vorhanden sein.

Dies ist natürlich ein erst einmal schwer verdaulicher Gedanke: DirectX ist zweifellos das geistige Eigentum von Microsoft und diese haben natürlich keinerlei Anlaß, die direkte Konkurrenz mit einer eigenen Programmierleistung zu unterstützen. Doch schieben wir die rechtlichen und praktischen Aspekte erst einmal beiseite: Würde es DirectX samt regelmäßiger Updates wie von Windows gewohnt auch unter Linux und MacOS geben, wäre faktisch der Weg frei für die Spieleentwickler, ihre Spiele auch für diese Betriebssysteme herauszubringen.

Sicherlich würden die anderen Betriebssysteme immer noch eine gewisse Anpassung erfordern (anderer Installer, anderes Dateimangement), zudem würden dann einige Hardware-Hersteller herausgefordert, für Linux und MacOS endlich einmal performante Treiber zu schreiben (was nun zweifelsfrei nicht schaden kann), aber prinzipiell wäre diese Aufgabe lösbar. Der Mehraufwand für die Spieleentwickler wäre geringfügig und im Laufe der Zeit könnte sich die Sache dann durchaus entwickeln. Zumindest wäre dann Waffengleichheit gegeben: Auf allen drei Betriebssystemen würden alle für Desktop-Nutzer relevanten Anwendungen zur Verfügung stehen und Spieler nicht mehr faktisch zu Windows gezwungen.

Dann könnte sich wirklicher Wettbewerb im Segment der Desktop-Betriebssysteme entwickeln, was derzeit einfach nicht möglich ist. Die ganze Übung hätte also nicht nur einen praktischen Vorteil für die diejenigen, welche schon von sich aus nach Alternativen zu den Microsoft-Angeboten suchen, sondern würde endlich einmal auch Konkurrenz für Microsoft in einem Marktsegment bedeuten, welches der Konzern seit rund fünfzehn Jahren nahezu monopolistisch besetzt.

Demgegenüber steht natürlich der äußerst gewichtige Punkt, daß DirectX eindeutig Microsoft gehört und die Firma in dieses Projekt auch sehr viel Arbeit investiert hat. Regulär gesehen kann niemand Microsoft zwingen, DirectX auch für andere Betriebssysteme zu öffnen – und Microsoft wird dies von alleine aus sicherlich niemals tun. Betrachtet man sich das große ganze Bild, sind allerdings dennoch gewisse Möglichkeiten zu sehen: So wird Microsoft bei den Desktop-Betriebssystemen von nahezu allen Wettbewerbsbehörden rund um den Globus eine marktbeherrschende Stellung nachgesagt – was diese Behörden je nach nationaler Gesetzeslage durchaus auch dazu in die Lage versetzt, Microsoft diverse Auflagen aufzubrummen.

So beinhaltete der Microsoft-Rechtstreit mit der EU nicht nur hohe Strafzahlungen, sondern auch Auflagen gegenüber Microsoft zur Offenlegung diverser APIs gegenüber konkurrierenden Softwareunternehmen. Nun ist die Offenlegung einer API sicherlich (mindestens) drei Klassen niedriger angesiedelt als eine (hypothetische) Verpflichtung, eine eigene API von der Konkurrenz komplett kopieren lassen zu müssen – andererseits wäre der Gewinn einer solchen Maßnahme ja auch viel höher: Während die Wettbewerbshüter bisher nur die Auswüchse und weitere Verbreitung des bestehenden Microsoft-Monopols bekämpft haben, könnte man mit einer Pflicht zur Lizenzierung von DirectX auf Linux und MacOS das bestehende Monopol selber aufbrechen.

Vor allem aber wäre dies gegenüber allen anderen zur Diskussion stehenden Maßnahmen gegenüber dem Microsoft-Monopol, welche schließlich bis hin zu einer (recht unsinnigen) Zerschlagung des Unternehmens reichen, jene Lösung, welche am wenigstens invasiv und gleichzeitig am meisten unserem Wirtschaftsmodell entspricht: Es könnte dann der freie und faire Wettbewerb darüber entscheiden, wer der beste Anbieter von Desktop-Betriebssystemen ist.

Aber natürlich ist dies alles nur ein eher hypothetischer Gedankengang, weil das Thema zum einen zu technisch für Bürokraten und zum anderen zu "verspielt" für professionelle Marktbetrachter ist: Wer kommt schon auf den Gedanken, daß es ausgerechnet die oftmals belächelte Gruppe der Computerspieler ist, welche es in der Hand hat, ob Linux oder MacOS im Markt der Desktop-Betriebssysteme eine Chance bekommen oder nicht? DirectX ist so gesehen die am meisten unterbewerteste Entwicklung von Microsoft – viel wichtiger als jedes Windows-Betriebssystem oder jeder Internet Explorer. Denn nur mittels DirectX hat es Microsoft geschafft, die "kritische Masse" an Nutzern (die Spieler) zu hundert Prozent an sich zu binden und damit die alternativen Betriebssysteme auf dem Desktop effektiv in Nischen zu verdrängen.

Hätten die Spieler dagegen Wahlfreiheit, so gäbe es wohl auch ernsthaften Wettbewerb – der Wille seitens der Nutzergemeinde, auch anderen Ideen eine Chance zu geben, ist auf jeden Fall vorhanden. Stellt sich nun nur die Frage, wann breit erkannt wird, was der eigentliche Bremsklotz gegenüber Linux und MacOS ist – und wie lange Microsoft sein Monopol danach noch mittels des Copyrights auf DirectX verteidigen kann.