Zur Problematik des maximalen Boost-Takts von Ryzen 3000

Dienstag, 3. September 2019
 / von Leonidas
 

der8auer zeigt auf YouTube die Ergebnisse einer Nutzer-Umfrage zum Thema der Boost-Taktraten von Ryzen 3000 – bei welchem die Ryzen-Nutzer aufgerufen waren, ihre maximalen Boost-Taktraten zu melden (ermittelt mittels HWiNFO unter dem Singlethread-Test des Cinebench). Mit immerhin 2726 Ergebnissen ergibt sich hierbei eine sehr umfangreiche Datenbasis – mit natürlich dem typisch psychologischen Nachteil von Umfragen, das sich bei dieserart Fragestellung gewöhnlich nur jene Nutzer melden, welche eher Probleme mit ihrem Boost-Takt wahrnehmen. Da die allermeisten Anwender den maximal anliegenden Boost-Takt aber wahrscheinlich extra nur für diese Umfrage ermittelt haben, könnte dieser Effekt durchaus kleiner sein als man denkt. Abgesehen davon ist das Umfrage-Ergebnis sehr eindeutig und damit erst einmal beachtbar: Nur gute 20% der Umfrage-Teilnehmer erreichten augenscheinlich den von AMD angegebenen Boost-Takt, wobei bei weiteren 59% der Umfrage-Teilnehmer die Abweichung wenigstens im Rahmen von maximal -100 MHz lag.

Technik Werte Boost erreicht/übererfüllt Boost -100MHz err./übererf. realer Boost-Takt
Ryzen 9 3900X 12C/24T, 3.8/4.6 GHz 722 38 (5%) 463 (64%) Ø 4375,31 MHz
Ryzen 7 3800X 8C/16T, 3.9/4.5 GHz 159 43 (23%) 130 (82%) Ø 4450,16 MHz
Ryzen 7 3700X 8C/16T, 3.6/4.4 GHz 1087 163 (15%) 934 (86%) Ø 4344,88 MHz
Ryzen 5 3600X 6C/12T, 3.8/4.4 GHz 190 19 (10%) 132 (69%) Ø 4320,26 MHz
Ryzen 5 3600 6C/12T, 3.6/4.2 GHz 568 273 (48%) 496 (87%) Ø 4157,92 MHz
gemäß den Ausführungen von der8auer ..... wichtige Anmerkung: Ermittelt wurde hierbei nicht wirklich der maximale Boost-Takt, dafür war das Meßintervall viel zu hoch. (The maximum boost clock was not really determined, because the measurement interval was way too high for this.)

So eindeutig wie diese Ergebnisse jedoch zuerst erscheinen, ist die gesamte Situation allerdings mitnichten. Denn letztlich geht die gesamte Umfrage von der falschen Voraussetzung aus, die anliegenden Maximal-Taktraten überhaupt exakt genug auslesen zu können. Dies ist allerdings speziell bei Maximal-Taktraten naturgemäß schwierig – ausgelesen soll hierbei schließlich nicht irgendein Takt, sondern der bestmögliche jemals anliegende. Dafür reicht es nicht aus, einfach nur zahlreiche Meßreihen zu haben, dafür braucht man zuerst Meßinstrumente, welche die anliegende Taktrate überhaupt feinteilig genug erfassen können. Die für diese Umfrage angesetzte Meßmethode mit einem Meß-Intervall von 500ms reicht dafür sehr sicher nicht aus – damit bekommt man feine Durchschnittswerte heraus, aber nur per Glück & Zufall echte Maximalwerte. Jene sind mit üblicher Software eigentlich nicht zu ermitteln, dafür braucht es eigentlich professionelles Testequipment. Denn am Ende gilt, das sich diese Prozessoren im Millisekunden-Bereich umtakten – und damit jede Taktratenmessung mit einem Intervall von 500ms (deutlich) ungeeignet ist, Maximal-Werte herauszufiltern.

Somit hilft auch die ins Feld geführte (enorme Anzahl von) 2726 Anwender-Ergebnissen nicht weiter, denn angesichts der Meßmethodik haben die Umfrage-Teilnehmer allesamt nur ein zufälliges Taktraten-Ergebnis unter Last ermittelt. Dabei liegt der ermittelte Durchschnitt der Umfrage-Ergebnisse sogar ziemlich nahe an den von AMD angegebenen Boost-Werten – außerhalb des Ryzen 9 3900X wäre mit durchschnittlich nur 40-80 MHz mehr bereits AMDs offizielle Boost-Angabe erreicht. Eingerechnet des Punkts, das die Meßmethodik sowieso nicht die wirklichen Maximal-Taktraten ermitteln kann, könnten hier in der Praxis die versprochenen Boost-Taktraten vielleicht sogar tatsächlich angelegen haben, wurden selbige einfach nur bei der "Messung" übersprungen. Damit könnten sich sogar die einzelnen stärker abweichenden Ergebnisse erklären lassen: Denn wenn die Prozessoren ständig umtakten, müssen auf besonders hohe Taktraten folgerichtig auch irgendwann einmal vergleichsweise niedrige Taktraten folgen – welche dann bei einer "Zufallsmessung" genauso mit in der Statistik auftauchen.

Wichtig an dieser Stelle zu erwähnen wäre natürlich, das AMDs Spezifikations-Angabe zum Boost-Takt nach wie vor im Schema "max. GHz" bzw. "up to GHz" zu verstehen sind – sprich, es wird nirgendwo ein dauerhaft anliegender Boost-Takt versprochen, auch nicht bei Last auf nur einem CPU-Kern. Dies ist bei Intel im übrigen nicht anders: Auch dort wird keineswegs garantiert, das die Boost-Taktraten dauerhaft unter Last anliegen – was dann in der Praxis genauso wenig passiert. Die maximal 5.0 GHz Singlecore-Takt eines Core i9-9900K sind somit auch nur im Idealfall zu sehen und brechen unter echter Last üblicherweise umgehend zusammen. Zur Erfüllung der Spezifikations-Angaben reicht es bei Intel wie bei AMD also aus, wenn der maximale Boost-Takt irgendwann einmal sporadisch erreicht wird – nirgendwo wird garantiert, das mit dem maximalen Boost-Takt irgendwelche Lasten abgearbeitet werden können.

Diskussionen und Messungen zum Boost-Takt von Ryzen 3000 existieren wie bekannt seit dem Ryzen-3000-Launch, allerdings hat bislang noch niemand etwas wirklich eindeutiges hierzu aufgezeigen können. Die vorstehend aufgestellte Statistik ist wegen Schwächen in der Meßmethodik derzeit nur dazu nutzbar, um zu sehen, welche Taktraten von den Ryzen-3000-Prozessoren jeweils auf einem Rechenkern unter Last üblicherweise erreicht werden. Dabei soll die Möglichkeit, das die maximalen Boosttaktraten von Ryzen 3000 tatsächlich nicht erreicht werden, überhaupt nicht in Abrede gestellt werden. Möglich ist dies nach wie vor, im Fall des Falles wäre dies ein größeres Ärgernis und AMD sollte dann auch sein Fett entsprechend wegbekommen. Doch derzeit fehlt weiterhin ein solider, unzweifelhafter Nachweis hierfür. Die von der der8auer-Umfrage gelieferten Ergebnisse ergeben leider noch nicht einmal einen gewissen Ansatzpunkt in diese Richtung hin, dafür ist die gewählte Meßmethodik einfach grundlegend zu ungenau. Man kann natürlich durchaus dahingehend diskutieren, ob der durchschnittlich erreichte Boost-Takt unter Last nicht die passendere Angabe gegenüber den üblicherweise notierten Maximal-Angaben (ohne Last) darstellt – aber diese Diskussion gälte dann für alle Prozessoren und nicht nur für Ryzen 3000.

Nachtrag vom 3. September 2019

In jedem Fall kann sich das der8auer-Video zur Problematik des maximalen Boost-Takts von Ryzen 3000 nunmehr ans Revers heften, AMD zur Wahrnehmung dieser Problematik samt einer schnellen Reaktion gezwungen zu haben – denn wie AMD auf Twitter mitteilt, wird man am 10. September hierzu eine Stellungnahme abliefern, bei welcher ein derzeit in Vorbereitung befindliches BIOS-Update für AMD-Platinen thematisiert werden soll. Angeblich hat AMD wohl einen Firmware-Fehler gefunden, bei welchem die Boost-Frequenzen unter bestimmten Workloads unterhalb der Zielvorgaben bleiben. Abzuwarten wäre dennoch, was da wirklich kommt bzw. was AMD dann wirklich fixt. Leider nicht gänzlich auszuschließen ist hierbei ein klassischer Pyrrhus-Sieg, bei welchem AMD die sichtbaren Boost-Taktraten erhöht, dafür aber Insgesamt-Performance opfern muß – ein sicherlich schlechter Tausch, aber was tut man nicht alles, um gegenüber der Community gut dazustehen. Denn nach wie vor ist nicht belegt, ob die maximalen Boost-Taktraten der Ryzen-3000-Prozessoren nicht doch für Sekundenbruchteile anliegen und mit der bisherigen Meßmethodik (mit einem Meß-Intervall von einer halbe Sekunde) überhaupt erfasst werden können.

AMD is pleased with the strong momentum of 3rd Gen AMD Ryzen processors in the PC enthusiast and gaming communities. We closely monitor community feedback on our products and understand that some 3rd Gen AMD Ryzen users are reporting boost clock speeds below the expected processor boost frequency. While processor boost frequency is dependent on many variables including workload, system design, and cooling solution, we have closely reviewed the feedback from our customers and have identified an issue in our firmware that reduces boost frequency in some situations. We are in the process of preparing a BIOS update for our motherboard partners that addresses that issue and includes additional boost performance optimizations. We will provide an update on September 10 to the community regarding the availability of the BIOS.
Quelle:  AMD @ Twitter am 3. September 2019

AMD ist diesbezüglich derzeit in der dummen Situation, das jegliche technische Erklärungen aus Hersteller-Mund immer wie Beschwichtigungs-Versuche aussehen und damit das Mißtrauen der Community eher nur vertiefen würden. Da kann man dann als Hersteller durchaus schon einmal dazu gezwungen sein, die nur zweitbeste Lösung anzusetzen. In jedem Fall ist darauf zu hoffen, das die bekannten Hardwaretester sich den Fall nach dem Vorliegen der BIOS-Updates ansehen und ihre entsprechenden Tests anstellen werden – um festzustellen, welche Stellschrauben AMD verändert hat und ob sich hierbei eventuelle Performance-Verluste (oder -Gewinne) ergeben. Im Idealfall hat man vielleicht wirklich die Möglichkeit, ohne einen beachtbaren Performance-Verlust die sporadisch anliegenden Maximal-Boosttaktraten sichtbar zu machen – zur Beruhigung der Gefühle bei den Endanwendern sowie der Nerven bei den AMD-Mitarbeitern wäre diese Auflösung wohl für alle dienlich. Der nächste Montag wird diesbezüglich eine gewisse Klärung bringen, wobei die entsprechenden BIOS-Updates vermutlich erst (mit einem gewissen Zeitversatz) danach ausgeliefert werden dürften.

Nachtrag vom 4. September 2019

Eine Seiten-Möglichkeit, wie die ausgelesenen geringeren Boost-Taktraten von Ryzen 3000 teilweise zu erklären sind, besteht auch in der Problematik, das verschiedene Rechenkerne bei AMDs Prozessoren (ganz regulär und nach AMD-Spezifikationen) verschieden hohe Maximal-Taktraten erreichen. Da geht es durchaus um Unterschiede von 100 MHz und mehr zwischen dem schwächsten und dem stärksten Rechenkern – wie in unserem Forum am Beispiel eines Ryzen 7 2700X (bereits mit der gleichen Boost-Mechanik wie bei Ryzen 3000) dargelegt. Je nachdem, wie die Auslese-Software da herangeht, kann es also sein, das man hierbei nur das Taktraten-Ergebnis eines der schlechteren CPU-Kerne zu Gesicht bekommt. Im konkreten Fall des Ryzen 7 2700X gab selbst AMDs "Ryzen Master" nur 4200-4225 MHz als maximalen Boost-Takt an, obwohl der beste Rechenkern in der Tat seine 4300 MHz erreichen konnte (und zwei weitere 4250 & 4275 MHz erzielten). Für die von der8auer aufgezeigte (anscheinende) Taktraten-Diskrepanz bei Ryzen 3000 hat diese Problematik allerdings höchstwahrscheinlich keine Relevanz, da das dort eingesetzte Auslese-Tool "HWiNFO" normalerweise die Taktraten gleich aller CPU-Kerne anzeigt. Andere Tools – gerade jene mit nur einer singulären Taktraten-Anzeige wie der Windows Task-Manager – könnten sich an dieser Stelle aber durchaus in die Irre führen lassen.

Nachtrag vom 10. September 2019

Am Dienstag-Abend hat sich AMD offiziell zur Boost-Problematik bei Ryzen 3000 geäußert: So hat man das AGESA-Update 1.0.0.3abba fertiggestellt, welches nunmehr zu den Mainboard-Hersteller geht und damit in deren kommende BIOS-Versionen eingepflegt werden soll. Hiermit kann der maximale Boost-Takt dieser Prozessoren um 25-50 MHz höher ausfallen, zudem soll ein "Activity Filter" geringfügige Workloads besser filtern (und damit ohne Vollast ausführen) können. Erste Tests basierend allerdings auf geleakten BIOS-Versionen bei ComputerBase und Tom's Hardware ergeben jedoch gemischte Resultate: Technisch gesehen ist oftmals der höhere Boost-Takt vorhanden, in Einzelfällen jedoch auch nicht – wobei speziell der Ryzen 9 3900X immer noch die größte Chance, seinen Boost-Takt doch zu verfehlen. Möglicherweise hängt dies schlicht daran, das jenes CPU-Modell den höchsten Boost-Takt (4.6 GHz) der kompletten Ryzen-3000-Riege mitbekommen hat, und jener dann praktisch einfach schwerer zu erreichen ist. Eventuell hilft in dieser Frage auch ein neues Monitoring-SDK weiter, welches AMD am 30. September veröffentlichen will – spätestens dann muß es AMD gelingen, wirklich alles anzuzeigen, was die Prozessoren an (einzelnen) Taktraten produzieren. Davon abgesehen ist für den Augenblick die Veröffentlichung der finalen BIOS-Updates der Mainboard-Hersteller auf Basis von AGESA 1.0.0.3abba abzuwarten, ehe ein Urteil über selbige gefällt werden kann.

Nachtrag vom 12. September 2019

Von TechPowerUp kommt der erste solide Testbericht mit AMDs neuer AGESA-Version 1.0.0.3abba, welche etwas Entspannung zur Frage der Boost-Problematik von Ryzen 3000 bringen soll. Hierbei wurde nur ein einzelner Ryzen 9 3900X getestet – das ganze sagt also wenig darüber aus, ob sich bei der breiten Masse der Ryzen-3000-Anwender etwas bewegt, gibt aber gute Einblicke dazu, was AMD bei dieser AGESA-Version geändert hat und welche Auswirkungen sich daraus ergeben. Das benutzte Testsample konnte mit dem neuen BIOS in jedem Fall gutklassig zulegen, erreicht bzw. übererfüllt nunmehr den nominellen Boosttakt des Ryzen 9 3900X von 4.6 GHz, bietet daneben sogar durchgehend gewisse Taktraten-Aufschläge. Jene lassen sich mittels einer leicht höheren Anwendungs- und Spiele-Performance verifizieren, wobei dies dann auch einen leicht höheren Stromverbrauch zur Folge hat. Im Endeffekt hat AMD somit die Performance jenes getesteten Ryzen 9 3900X durch die Bank weg leicht gesteigert – was sicherlich kein Weg ist, welcher zu Protesten seitens der Endanwender führen dürfte. Wie gut die neue AGESA-Version auf einer Vielzahl an Ryzen-3000-Prozessoren läuft, muß sich allerdings erst noch ergeben, dazu müssen auch die Mainboard-Hersteller zuerst noch die benötigten BIOS-Updates in der Breite zur Verfügung stellen.

Ryzen 9 3900X Launch-Review AGESA 1.0.0.3abba
maximaler Boosttakt (1T) ~4575 MHz ~4640 MHz
Anwendungs-Performance  (31 Tests) 100% 100,8%
Spiele-Performance 720p  (avg fps, 10 Tests) 100% 101,1%
Spiele-Performance 1080p  (avg fps, 10 Tests) 100% 100,4%
Spiele-Performance 1440p  (avg fps, 10 Tests) 100% 100,5%
Spiele-Performance 2160p  (avg fps, 10 Tests) 100% 100,6%
System-Stromverbrauch @ Cinebench 201 Watt 208 Watt
System-Stromverbrauch @ Witcher 3 385 Watt 398 Watt
System-Stromverbrauch @ Prime95 168 Watt 169 Watt
gemäß den Ausführungen beim TechSpot mit einem Ryzen 9 3900X auf einem ASRock X570 Taichi

Nachtrag vom 15. September 2019

Weitere Tests zur neuen AGESA-Version 1.0.0.3abba kommen von der8auer @ YouTube, Hardware Unboxed @ YouTube sowie Legit Reviews. In allen Fällen konnte dabei das vom initialen Test seitens TechPowerUp bekannte Bild nachgestellt werden: Die maximale Boost-Frequenz geht leicht nach oben, genauso gibt es auch allgemeine Performance-Verbesserungen (meistens nur knapp oberhalb der 1-Prozent-Marke, manchmal auch etwas mehr) zu allerdings einer leicht höheren Leistungsaufnahme. Insbesondere bei Hardware Unboxed gab es teilweise auch mal größere Performancesprünge von 5-6% unter einzelnen Anwendungen – wobei hier ein Performance-Schnitt unter einer größeren Anzahl an Tests fehlt, um wirklich sagen zu können, ob dies allgemeingültige Ergebnisse oder eher nur Ausreißer sind. Bislang hat keiner der Hardwaretester eine CPU gefunden, wo der maximale Boost-Takt mit der neuen AGESA-Version wirklich unterhalb von AMDs Spezifikation lag (abseits minimaler Differenzen, welche über "Spread Spectrum" erklärbar sind). Allerdings konnte insbesonder der8auer herausarbeiten, das dieser maximale Boost-Takt auch wirklich nur "maximal" ist – sprich unter Last keineswegs dauerhaft, sondern allerhöchstens sporadisch anliegt. Oftmals ist der maximale Boost-Takt sogar nur bei geringfügigen Lasten zu sehen – dies reicht dann durchaus aus, um die Spezifikations-Vorgabe zu erfüllen, könnte aber weiterhin für Diskussionen sorgen, denn dies ist bei Intel dann teilweise anders bzw. besser gelöst.

Allerdings haben beide Boost-Verfahren auch einen grundverschiedenen Ansatz: Bei Intel wird jederzeit versucht, den maximalen Boost-Takt für die benutzte Anzahl an CPU-Kernen zu erreichen. Der Boost-Takt wird zudem vorab von Intel definiert und kann auch niemals überschritten werden, auch nicht für eine Millisekunde. AMDs Ryzen-Prozessoren takten sich (insbesondere bei Ryzen 2000 & 3000) dagegen eigentlich immer so hoch, wie es die intern definierten Grenzwerte zulassen – wobei die spezifizierte Taktraten überhaupt nicht zu diesen Grenzwerten zählen (bis auf den Base-Takt natürlich). Die von AMD genannten Taktraten stellen also viel weniger eine "Spezifikation" wie bei Intel dar, sondern sind eher eine nominelle Angaben gemäß Erfahrungswerten – die CPU wird aber nirgendwo (mit Ausnahme des Base-Takts) auf diese Taktraten gezwungen. Kurz formuliert: Intel legt zuerst die Boost-Taktraten fest und die CPU richtet sich dann danach, während bei AMD die CPU sich selbsttätig hochtaktet und die Boost-Taktraten dann einfach nur anhand der erreichten Praxis in die Spezifikations-Liste geschrieben werden. Gemäß dieser Ausgangslage dürfte klar sein, das es bei Intels Boost-Verfahren kein Problem mit dem Erreichen der maximalen Boost-Taktraten (bei ausreichenden äußeren Bedingungen) geben kann, während es bei AMD aufgrund des automatischen Boost-Verfahrens immer wesentlich mehr Spielraum in der Praxis geben wird, genauso wie AMD immer latent im Risiko lebt, das einzelne Prozessoren (wegen der Unterschiede im Silizium) ihre nominellen Boost-Taktraten dann doch nicht erreichen.

Nachtrag vom 18. September 2019

Von Tom's Hardware kommt eine weitere Ausarbeitung zu AGESA 1.0.0.3abba, mittels welcher AMD seine Boosttakt-Problematik in den Griff bekommen will. Ähnlich wie bei den bisherigen Artikeln hierzu erreichte der dabei eingesetzte Ryzen 9 3900X mit der neuen BIOS-Version durchaus sporadisch seinen maximalen Boost-Takt (bzw. noch seltener sogar leicht mehr), wobei sich allerdings in den Benchmarks letztlich keine beachtbaren Performance-Abweichungen oberhalb der 1-Prozent-Marke ergaben. Für Tom's Hardware war dabei eher der springende Punkt, das der Ryzen-Prozessor seinen maximalen Boost-Takt nicht auf allen CPU-Kernen erreichen konnte, sondern im konkreten Fall nur auf 4 von 12 aktiven CPU-Kernen. Hieran ergibt sich (erneut) die Erkenntnis, das bei Ryzen 3000 eben verschieden taktfreudige CPU-Kerne anzutreffen sind. Dies ist allerdings auch nur eine direkte Folge von automatischen Boost-Verfahren – jenen Effekt würde man ergo auch bei Intel-Prozessoren antreffen, würde dort ein ähnliches Boost-Verfahren eingesetzt. Zudem darf etwas in Frage gestellt werden, ob hier wirklich ein Problem existiert: Denn der maximale Boost gilt üblicherweise nur für einen CPU-Kern – und wenn ein CPU-Kern diese Taktrate wirklich erreichen kann, dann wäre die Spezifikation schließlich schon erfüllt. Natürlich wäre es besser, wenn die anderen CPU-Kerne diese Taktraten auch erreichen könnten, dann müsste der Windows-Scheduler nicht immer die anliegenden Threads versuchen auf die jeweils besten CPU-Kerne umzulegen. Aber wie gesagt widerspricht der Ansatz eines vollautomatischen Boost-Verfahren mit dem Ziel eines ständigen Taktraten-Maximums dem Ergebnis, das alle CPU-Kerne eine vollkommen identische Taktrate erreichen können.

Nachtrag vom 24. September 2019

Die Umfrage der letzten Woche sollte die Nutzerstimmung zur Problematik der maximalen Boost-Taktraten von Ryzen 3000 einfangen. Hierbei handelt es sicherlich um ein viel und heftig disktiertes Thema, zu welchem die Ansichten weit auseinandergehen. Die Zielsetzung der Umfrage bestand dabei weniger darin, über "richtig" oder "falsch" zu urteilen, als denn einfach in der Quantifizierung der unterschiedlichen Standpunkte. Und jene brachte ein ziemlich klares Ergebnis, wenn die Problematik der maximalen Boost-Taktraten von Ryzen 3000 für 46,2% der Umfrage-Teilnehmer nur einen Schönheitsfehler darstellt und für weitere 28,1% der Umfrage-Teilnehmer sogar keinerlei Problem existiert.

Die beiden anderen Teilnehmergruppen sind damit in der klaren Minderheit – aber natürlich dennoch in beachtenswerter Zahl anwesend. Eine sicherlich kleine Gruppe sind jene 3,1% der Umfrage-Teilnehmer, welche diese Problematik als klares K.O.-Kriterium gegenüber Ryzen 3000 ansehen. Doch auch wenn diese Gruppe klein ist, darf sich das AMD-Marketing hiermit also durchaus ca. 3% potentielle Kunden ankreiden lassen, welche man über eine dumme Entscheidung bei den offiziellen Taktraten-Angaben (unnötigerweise) verloren hat. Denn mit nur jeweils 100 MHz niedrigeren maximalen Boost-Angaben wäre die ganze Problematik nie derart hochgekocht, sondern hätte sich in Einzelfällen verloren. Und letztlich sieht eine in der Stimmenanzahl jederzeit beachtbar große Gruppe von 22,6% diese Problematik als überlebbaren Negativ-Punkt an. Doch auch bei diese Nutzern hat die AMD-Entscheidung sicherlich Kredit gekostet, eventuell ebenfalls sogar potentielle Verkäufe. Selbst wenn beide Gruppen in der Minderheit bleiben, sind kumuliert 25,7% Umfrageteilnehmer mit einer negativen Sicht auf diese Problematik eine keineswegs wegdiskutierbare Anzahl an Nutzern.

Dabei wird die Umfrage positiverweise nicht von eventuellen Hersteller-Affinitäten dominiert, denn die Teilergebnisse zwischen den AMD-Nutzern und den Intel-Nutzern sind im groben Maßstab gleich. Natürlich gibt es Unterschiede, aber jene sind angesichts dieser sich allein auf einen einzelnen Hersteller beziehenden Problematik doch vergleichsweise klein. Ein wirklich gewichtiger Effekt, das selber erstandene Produkt zu verteidigen, ist aus diesem Umfrage-Ergebnis heraus also nicht erkennbar. In der Summe kann man demzufolge schlußfolgern, das die gesamte Problematik tatsächlich nur für eine kleine Minderheit ein wirklich entscheidendes Kritierium darstellt. Die Anzahl der generell mit dieser Problematik unzufriedenen Nutzer ist aber dennoch nicht so klein, als das AMD jene ignorieren könnte. AMD darf hieraus sicherlich seine Schlüsse für die Zukunft ziehen – gut wäre, wenn man dabei zur Erkennis kommt, das man sich solche "Unstimmigkeiten" heutzutage einfach nicht mehr leisten kann.

Nachtrag vom 7. Oktober 2019

AnandTech haben sich noch einmal sehr ausführlich mit der Problematik von AMDs maximalen Boost-Takt beschäftigt. Hierbei werden alle Teilaspekte der Problematik gründlich beleuchtet, vor allem aber auch auf die jeweils zugrundeliegende Technik eingegangen – sprich das Boost-Verhalten bei AMD und Intel sowie auch die Genauigkeit von Taktraten-Ermittlungen. Interessant ist hierzu auch ein "Observer Effect", wodurch die anliegenden Taktraten eben durch den Versuch des Auslesen beeinflußt werden – um so stärker, je häufiger man auszulesen versucht. In der Summe ist man damit der Ansicht, das hier vieles zu stark hochgekocht wurde, als es dann real wirklich so kritisch war – wobei man einwenden kann, das AMD sich hierbei dennoch unnötigen Ärger an Land gezogen und dabei selbstätig eine Angriffsfläche geliefert hatte. Hieraus dürften aber wohl beide CPU-Entwickler lernen und in Zukunft wahrscheinlich klarer machen, wofür die Boost-Taktraten stehen bzw. genauso nicht stehen.