Eine Neubetrachtung des Grafikkarten-Stromverbrauchs

Sonntag, 5. August 2012
 / von Leonidas
 

Die Frage der realen Leistungsaufnahme von Gamer-Grafikkarten ist in den letzten Jahren durch die stark steigenden Verlustleistungen der Top-Modelle immer mehr in den Blickpunkt gerückt. Aus diesem Grunde benutzen wir seit einiger Zeit durchgehend die entsprechenden Messungen der reinen Grafikkarten-Leistungsaufnahme seitens unserer Partnerseite HT4U, um mit diesen Werten dann Vergleiche in der Frage des Performance/Stromverbrauch-Verhältnisses in unseren regelmäßigen Marktüberblicks-Artikeln anstellen zu können. Grundsätzlich gesehen hat sich dies bewährt – allerdings gibt es inzwischen auch andere Webseiten, welche Messungen der reinen Grafikkarten-Leistungsaufnahme bieten. Aus Gründen der größtmöglichen Exaktheit wollen wir daher ab sofort damit beginnen, auch deren Meßwerte mit zu berücksichtigen, wenn wir irgendwo den realen Stromverbrauch einer Grafikkarte angeben.

Hier spielt auch mit hinein, daß jedes Grafikkarten-Testmuster durch die allgemeine Streubreite in der Chipfertigung eine etwas andere Stromverbrauchs-Charakteristik hat, womit einzelne Werte durchaus auch mal Ausreißer nach oben oder unten hin sein können. Dies läßt sich faktisch nur durch eine Durchschnittsbildung aus vielen Einzelwerten bzw. auch der manuellen Aussortierung besonders abweichender Werte regulieren. Am Ende hat man dafür aber eine sehr viel solidere Zahlenbasis – was vor allem wichtig ist, wenn man diese Stromverbrauchswerte dann für Rechnungen zum Performance/Stromverbrauch-Verhältnis weiterverwendet. Und natürlich können andere Webseiten auch hier und da eine Wissenslücke bei selten getesteten Grafikkarten füllen und somit die Anzahl jener Werte reduzieren, welche mangels vorliegender Meßdaten geschätzt werden müssen.

Demzufolge haben wir uns bei den Webseiten Hardware.fr, Heise, HT4U, PC Games Hardware und TechPowerUp – welchen hiermit für ihre aufopferungsvolle Arbeit in dieser Frage ausdrücklich gedankt sein – auf der Suche gemacht nach Messungen der reinen Grafikkarten-Leistungsaufnahme für alle DirectX11 Gamer-Grafikkarten, bezogen sowohl auf den Idle-Stromverbrauch als auch auf den Spiele-Stromverbrauch. Nicht beachtet wurden hierbei Peak-Verbrauchswerte, wie sie (zusätzlich) auch von Heise und TechPowerUp angegeben werden, genauso wenig wie FurMark-Werte, da jene natürlich recht wenig mit dem normalen Spieleverbrauch zu tun haben. Im Fall von Grafikkarten mit AMDs PowerTune oder nVidias GPU Boost wurde darauf geachtet, daß diese Feature für die Stromverbrauchsmessungen auf ihren Normalwerten liefen – wir wollen an dieser Stelle rein den Auslieferungszustand der Karten abbilden.

Grundsätzlich haben wir dann nach Werten in den jeweiligen Launch-Artikel und damit von unübertakteten Referenz-Mustern gesucht. Zwar können Herstellerkarten oftmals viele Verbesserungen in allen Fragen mit sich bringen, diese sind aber dann auch schwerer miteinander vergleichbar – im Referenzdesign sehen wir noch die besten Chancen auf einen fairen Vergleich der Karten untereinander. Gleichfalls wurde darauf geachtet, daß überall möglichst dasselbe Testszenario benutzt wurde: Beispielsweise bei der PCGH und bei TechPowerUp wurde zwischenzeitlich das jeweilige Testspiel durch ein deutlich fordernderes ersetzt – womit wir nach Möglichkeit dann nach neueren Werten für ältere Grafikkarten gesucht haben, wenn in den jeweiligen Launchartikel noch das alte Testspiel verwendet wurde.

Glücklicherweise müssen wir bei dieser Neubetrachtung des Grafikkarten-Stromverbrauchs den Punkt der Speichermengen und der Speicherart nicht mehr beachten, was die Anzahl der zu betrachtenden Grafikkarten etwas reduziert. Zur Zeiten der Einführung von GDDR5-Speicher (Radeon HD 4000 Serie) kostet 1 GB GDDR5-Speicher noch gut und gerne 15 Watt mehr Stromverbrauch unter Last – heuer ist dieser Unterschied in den einstelligen Wattbereich gerückt, vermutlich durch die Verwendung neuerer Fertigungsverfahren in der Speicherproduktion. Schon bei der Anfang 2010 erschienenen Radeon HD 5670 lag die Differenz zwischen 512 und 1024 MB GDDR5-Speicher gerade einmal bei 0,6 Watt, bei der Radeon HD 7850 1GB war kürzlich sogar überhaupt kein Unterschied zur 2-GB-Ausführung mehr festzustellen – womit wir diesen Punkt ergo nicht weiter beachtet haben: Ob 1 oder 2 GB Speicher oder ob DDR3 oder GDDR5 dürfte wohl bis auf eine Differenz im 1-Watt-Bereich letztlich gleich sein.

Perfekt ist natürlich nichts und so erfordert diese Aufstellung am Ende doch noch einigen Gehirnschmalz für die finalen Werte, eine durchgehende einfache Durchschnittsbildung wäre zu simpel und damit zu ungenau. So läßt sich angesichts der Meßwerte erkennen, daß in aller Regel die Heise-Werte die niedrigsten und die HT4U-Werte die höchsten darstellen – allein das Fehlen von einem dieser Meßpunkte kann einen Durchschnittswert jedoch schon erheblich beeinflußen (um bis zu 10 Watt beim Durchschnitt). Demzufolge haben wir nachfolgend Durchschnittswerte nur dort gebildet, wo mindestens drei (gute) Meßwerte vorlagen – oder aber wir uns unserer Sache angesichts der vorliegenden Meßwerte sicher waren.

Zudem kam auch keine einfache Durchschnittsbildung zum Einsatz, sondern eine mit logarithmischen Effekt – je stärker ein stark abweichender Einzelwert vom allgemeinen Durchschnitt abwich, um so schwächer wurde dieser dann zur endgültigen Wertbestimmung in die Rechnung einbezogen. Mittels dieser Methode mussten nicht manuell Werteausreißer gleich ganz aus der Wertung genommen werden – was immer wieder zu Diskussionen führen kann, welchen abweichenden Wert man nun in der Rechnung läßt und welchen nicht. Der Rest der Werte wurde dann durch Schätzungen anhand der vorliegenden Meßwerte und der umherliegenden Meßwerte gebildet (gekennzeichnet durch ein "~" sowie durch fehlenden Fettdruck). Da für die wichtigen Karten einer Serie aber überall ausreichend Meßwerte und damit eine sehr solide Datenbasis zur Verfügung steht, dürften auch diese neuerlichen Schätzungen deutlich genauer sein als alle früheren Schätzungen:

AMD Radeon HD 5000 Serie (Evergreen)
Hardware.fr Heise HT4U PCGH TechPowerUp Ø
Radeon HD 5550 8,3W
30,0W
11W
33W
~9W
~30W
Radeon HD 5570 9W
30W
8,6W
31,6W
12W
37W
8W
35W
9W
35W
Radeon HD 5670 14W
50W
12,5W
51,2W
14W
48W
22W
50W
14W
50W
Radeon HD 5750/6750 17W
64W
15W
57W
14,6W
64,2W
17W
62W
11W
65W
15W
63W
Radeon HD 5770/6770 18W
78W
18W
70W
17,0W
83,9W
18W
79W
16W
88W
17W
80W
Radeon HD 5830 20,2W
120,3W
21W
112W
~20W
~114W
Radeon HD 5850 19,5W
110,7W
19W
129W
25W
120W
20W
122W
Radeon HD 5870 19W
119W
20,3W
153,4W
25W
138W
16W
130W
20W
138W
Radeon HD 5970 43,4W
216,0W
38W
181W
~42W
~207W
Der obere Wert einer Zelle ist immer der Idle-Stromverbrauch, der untere Wert einer Zelle immer der Spiele-Stromverbrauch. In der Durchschnitts-Spalte ("Ø") fettgedruckte Werte basieren auf Berechnungen, der Rest (aka nicht fettgedruckte Werte) sind Schätzungen.

Keine größeren Probleme gibt es bei der Radeon HD 5000 Serie: Von den Hauptkarten lagen überall gute Meßwerte vor, selbst zu den eher selten getesteten Modellen gab es wenigstens einige Werte und damit gewisse Anhaltspunkte für die Schätzungen bei diesen Karten. Größere Überraschungen in den Meßwerten gibt es hier nicht – allenfalls zeigen speziell die Radeon HD 5850/5870 Modelle eine erstklassige Genügsamkeit trotz ihres (früheren) HighEnd-Anspruches.

nVidia GeForce 400 Serie (Fermi)
Hardware.fr Heise HT4U PCGH TechPowerUp Ø
GeForce GT 430 9W
35W
7W
42W
8W
40W
8W
40W
GeForce GT 440/630 12,0W
57,0W
7W
58W
~11W
~50W
GeForce GTS 450 12W
90W
12,1W
83,8W
15W
88W
11W
99W
12W
89W
GeForce GTX 460 SE 768MB ~14W
~90W
GeForce GTX 460 SE 1024MB 14W
98W
~14W
~98W
GeForce GTX 460 768MB 14,4W
112,6W
17W
114W
14W
113W
15W
113W
GeForce GTX 460 1024MB 16W
124W
16W
?
16,2W
123,5W
14W
125W
15W
122W
15W
124W
GeForce GTX 465 26,2W
168,3W
29W
149W
27W
142W
27W
153W
GeForce GTX 470 35W
170W
30,9W
190,5W
30W
189W
29W
191W
31W
188W
GeForce GTX 480 45W
207W
48,7W
230,0W
43W
230W
55W
257W
47W
235W
Der obere Wert einer Zelle ist immer der Idle-Stromverbrauch, der untere Wert einer Zelle immer der Spiele-Stromverbrauch. In der Durchschnitts-Spalte ("Ø") fettgedruckte Werte basieren auf Berechnungen, der Rest (aka nicht fettgedruckte Werte) sind Schätzungen.

Ebenfalls eine solide Wertebasis liegt für die meisten Karten der GeForce 400 Serie vor – allerdings musste trotzdem für einige Modelle zum Mittel der Schätzung zurückgegriffen werden. Für die GeForce GTX 460 SE 768MB lagen sogar überhaupt keine Werte vor, hier musste anhand der Daten zur GeForce GTX 460 1024MB interpoliert werden (beide Karten trennt nicht primär die für den Stromverbrauch nicht relevante Speichermenge, sondern zuerst das unterschiedlich breite Speicherinterface, gilt genauso auch für die beiden Versionen der regulären GeForce GTX 460). Auffallend (aber nicht unerwartet) ist daneben noch der hohe Stromhunger dieser nVidia-Generation, nahezu alle Grafikkarten haben ein schlechteres Performance/Stromverbrauchs-Verhältnis im Vergleich zur Radeon HD 5000 Serie.