Launch-Analyse AMD Radeon R9 380X (Seite 3)

Freitag, 20. November 2015
 / von Leonidas
 

Die Performance-Betrachtung zur Radeon R9 380X muß sich zum einen der Frage stellen, um wieviel sich die neue AMD-Karte von der Radeon R9 380 auf Basis desselben Tonga-Chips absetzen kann – und zum anderen, wie man gegenüber der Radeon R9 280X auf Basis des faktisch AMD-intern konkurrierenden Tahiti-Chips aussieht. Eher theoretischen Charakter hat der von vielen Testberichten hochgezogene Vergleich zur GeForce GTX 960 – jene nVidia-Karte ist klar langsamer und ist sowohl von Performance als auch Preis nun einmal ein Kontrahent zur Radeon R9 380, nicht zur Radeon R9 380X. Genauso ist der Vergleich zu den (viel) schnelleren HighEnd-Angeboten in Form von Radeon R9 390 & GeForce GTX 970 wenig zielführend, zu diesen ist der generelle Performanceabstand einfach viel zu groß für eine aussagekräftige Betrachtung. Ähnliches gilt für Messungen unter der UltraHD-Auflösung – die Radeon R9 380X ist (trotz ihrer 4 GB Grafikkartenspeicher) einfach zu schwach auf der Brust, um sinnvoll unter 4K genutzt zu werden.

1920x1080 MSAA/FXAA/SMAA 960 280X 285 380 380X
(Referenztakt) 1127/1178/3500 MHz ≤1000/3000 MHz ≤918/2750 MHz ≤970/2850 MHz ≤970/2850 MHz
ComputerBase  (18 Tests) 87,5% 97,5% 86,2% 93,8%  (4GB) 100%
PC Games Hardware  (9 Tests) 88,8%  (2GB) 97,7% - 96,6%  (2GB) 100%
Tom's Hardware  (9 Tests) 85,4%  (2GB)
(1216/1279/3500 MHz)
- - 92,0%  (4GB)
(≤1000/2800 MHz)
100%
(≤1040/3000 MHz)
Hardware Canucks  (12 Tests) 87,2%  (4GB) 93,7% - - 100%
(≤1030/2850 MHz)
Hexus  (7 Tests) 83,5%  (2GB)
(1253/1317/3600 MHz)
- - 91,0%  (4GB)
(≤985/2900 MHz)
100%
(≤1040/3000 MHz)
TechPowerUp  (15 Tests) 78,1%  (2GB) 101,0% 86,5% 91,7%  (2GB) 100%
TechSpot  ( Tests) 89,2%  (2GB) 100,4% 86,1% 92,7%  (2GB) 100%
Hardware.info  (14 Tests) 85,6%  (2GB) 95,7% 82,4% 92,7%  (2GB) 100%
2560x1440 MSAA/FXAA/SMAA 960 280X 285 380 380X
(Referenztakt) 1127/1178/3500 MHz ≤1000/3000 MHz ≤918/2750 MHz ≤970/2850 MHz ≤970/2850 MHz
PC Games Hardware  (9 Tests) 85,0% 104,5% - 92,7% 100%
Tom's Hardware  (9 Tests) 80,7%  (2GB)
(1216/1279/3500 MHz)
- - 89,8%  (4GB)
(≤1000/2800 MHz)
100%
(≤1040/3000 MHz)
TweakPC  (20 Tests) 84,2%  (2GB)
(1216/1279/3500 MHz)
103,5% 89,7%
(≤945/2750 MHz)
95,1%  (2GB) 100%
(≤1030/2850 MHz)
Guru3D  ( Tests) 79,7% - 82,9% 88,3%  (2GB) 100%
Hardware Canucks  (12 Tests) 82,9%  (4GB) 96,0% - - 100%
(≤1030/2850 MHz)
Hexus  (7 Tests) 80,7%  (2GB)
(1253/1317/3600 MHz)
- - 89,8%  (4GB)
(≤985/2900 MHz)
100%
(≤1040/3000 MHz)
TechPowerUp  (15 Tests) 77,1%  (2GB) 103,1% 85,4% 90,6%  (2GB) 100%
The Tech Report  (6 Tests) 88,4%  (2GB)
(1216/1279/3500 MHz)
- - 86,9%  (2GB)
(≤990/2850 MHz)
100%
(≤1040/3000 MHz)

Bei über 20 vorliegenden Testberichten zur Radeon R9 380X sollte man eigentlich mehr verwertbare Meßreihen erwarten können. Doch leider haben die Hardware-Tester der Radeon R9 380X wenig Liebe entgegengebracht (oder verzeiht das Internet schnell zusammengemixte Klickmaschinen-Artikel zu einfach), so daß weniger als die Häfte der vorliegenden Meßreihen überhaupt verwertbar waren. Häufigster Fehler ist dabei eine zu geringe Anzahl an Testtiteln – bei unterhalb von 6 Testtiteln geht einfach das Risiko rapide nach oben, daß ein einzelner Meßausreißer das Gesamtergebnis zu stark dominiert. Man sollte eher versuchen, nicht unter 8 Testtiteln zu arbeiten, (gefühltermaßen) ab 12 Testtiteln gehen auch echte Meßausreißer zumeist in der Durchschnittsbildung unter.

Daneben gab es natürlich auch noch gravierend falsche Meßreihen zu sehen: Wenn man die Radeon R9 380X als durchgehend um gut 20% schneller als die Radeon R9 380 "misst" (bei nur +14,3% mehr Rechenleistung und ermittelt auf der gleichen Speicherbestückung), sollte man eher versuchen, den eigenen Fehler zu finden, als denn den Artikel in dieser Form herauszubringen. Gleiches gilt, wenn man Benchmark-Werte präsentiert, welche völlig durcheinandergewürfelt erscheinen und in einigen Fällen auch klar absurd sind – beispielsweise, wenn man öfters mal eine Radeon R9 285 klar vor einer Radeon R9 380 "ausmisst". Bei gleichem Chip, gleichen Hardware-Daten und leichtem Taktratenvorteil für letztere Karte sollte eigentlich auffallen, daß hier etwas gravierend nicht stimmen kann. Womöglich nicht für diesen Fall zutreffend, aber ein genereller Hinweis: Das Messen auf unterschiedlichen Treiberversionen kann bei so genauen Vergleichen zwischen ähnlich schnellen Karten immer nur zu total irritierenden Werten führen.

Aber auch die letztlich benutzten Meßreihen sind weit entfernt von Perfektion – und kosten damit nur zusätzlich Zeit, jene sauber auszuwerten bzw. miteinander zu verrechnen. Ein kleiner Statistik-Kurs zur Verbesserung des grundsätzlichen Verständnisses von Zahlenreihen & deren sinnvoller Auswertbarkeit wäre den allermeisten Hardware-Testern dringend anzuraten. Damit bewaffnet würde man es sicherlich vermeiden, je nach Gusto mal die eine Karte ab-Werk-übertaktet zu testen, andere Karten dann aber hingegen nicht. Wie obenstehender Zahlendokumentation zu entnehmen, geht das Testen von ab-Werk-Übertaktungen kunterbunt quer durchs Meßfeld: Jeder macht hier je nachdem wie die Laune steht – mit der Erzeugung von solidem Zahlenmaterial hat dies relativ gar nichts zu tun. Für uns bedeutet dies letztlich "nur" einen höheren Zeitaufwand bei der Verrechnung, um den Effekt der ab-Werk-Übertaktungen (halbwegs) herauszurechnen respektive die Lücken im Datenmaterial durch sinnige Interpolationen zu füllen.

960 280X 285 380 380X
1920x1080 MSAA/FXAA/SMAA 85,2% 98,4% 86,4% 93,8% 100%
2560x1440 MSAA/FXAA/SMAA 81,6% 103,0% 86,0% 91,9% 100%
3DCenter FullHD Perf.Index 340% 390% 340% 360% 390%
Straßenpreis 2GB: 190-210€
4GB: 200-220€
3GB: 230-250€
(Auslauf)
2GB: 170-200€
(Auslauf)
2GB: 180-210€
4GB: 200-230€
4GB: 250-280€
(noch nicht lieferbar)

Am Ende ergibt sich durch viel Rechnerei und dann auch noch eine (kleine) Gewichtung zugunsten der als mehr solide eingeschätzten Benchmark-Ergebnisse ein durchaus belastbares Resultat. In diesem kommt die Radeon R9 380X allerdings nochmals schwächer weg, als vorab beim Bekanntwerden von deren offiziellen Spezifikationen schon vermutet wurde: Nicht 10-12% Performancegewinn gegenüber der Radeon R9 380 sind es geworden, sondern eher magere +6,6% unter FullHD, sowie +8,8% unter WQHD. Dies ist gegenüber dem Rohleistungsvorteil von +14,3% bei der Rechenleistung ein arg schwacher Performancezuwachs, ergibt dies doch eine Skalierung von gerade einmal um die Hälfte jenes Rechenleistungs-Vorteils.

Diese eher schwache Kür hat dann auch zur Folge, daß sich die Radeon R9 380X nicht gegenüber der (derzeit auslaufenden) Radeon R9 280X durchsetzen kann. Unter FullHD liegt die neue AMD-Karte zwar um +1,6% vorn, unter WQHD dagegen die alte AMD-Karte um +3,0%. Hier zeigt sich die feine Ironie, daß die 3 GB Grafikkartenspeicher der Radeon R9 280X völlig ausreichend (im genauen: geradezu ideal) für diese Karte sind und daß deren 384 Bit DDR Speicherinterface ihr bei höheren Auflösungen dann eben doch weiterhilft. Gerade diese Meßwerte gegenüber der Radeon R9 280X machen es am Ende einfach, daß Performance-Level der Radeon R9 380X im 3DCenter FullHD Performance-Index zu bestimmen: Wir setzen die neue AMD-Karte hiermit auf 390% fest – exakt auf dem Performancelevel der Radeon R9 280X und damit dann sogar (leicht) unterhalb der stärksten Tahiti-Lösung in Form der Radeon HD 7970 "GHz Edition" (Perf.Index 400%).

Dies ist allerdings leider noch unterhalb aller bisheriger Erwartungen – man ist vorab von einem wenigstens 10%igen Performanceabstand zur Radeon R9 380 ausgegangen, diese Vorgabe erreicht die Radeon R9 380X jedoch nicht. Ganz augenscheinlich skaliert der Tonga-Chip mit der höheren Anzahl der Shader-Einheiten zwischen Radeon R9 380 & 380X nur sehr mager – was eine böse Ironie ist, denn eigentlich dachte man, daß diesem Skalierungs-Problem doch durch die verdoppelte Anzahl an Raster-Einheiten beim Tonga-Chip entgegengewirkt werden sollte. Am Ende stellt sich nun jedoch heraus, daß der frühere Tahiti-Chip sogar noch besser mit Taktrate & Hardware-Einheiten skaliert als der neuere Tonga-Chip – AMD muß wirklich zusehen, dieses Skalierungsproblem bei zukünftigen GCN-Iterationen zu besiegen oder wenigstens entscheidend abzumildern.

Gegenüber der GeForce GTX 960 (Perf.Index 340%) liegt man angesichts der Meßreihen andererseits (und wie zu erwarten) nochmals besser – und da die (teuere) GeForce GTX 970 (Perf.Index 520%) kein Gegner für die Radeon R9 380X darstellt, kann sich AMD unter einem gewissen Blickwinkel durchaus entspannt zurücklehnen: Die Radeon R9 380X kommt letztlich (und nach dem Ableben der letzten Reste der Radeon R200 Serie) in einem Performance- und Preisfeld heraus, wo niemand anderer steht – vor allem kein nVidia-Angebot, nicht einmal in größerer Reichweite. Die GeForce GTX 960 kommt auch mit Overclocking nicht an die Radeon R9 380X heran, die schnelleren Karten schwimmen dagegen in ihrer eigenen Sphäre. Beim Performance-Level von um die 400% und beim Preislevel von um die 250 Euro steht die Radeon R9 380X derzeit in der Tat ganz alleine da.

(Straße) (Liste) (Perf.) AMD nVidia (Perf.) (Liste) (Straße)
320-350€ 329$ 530% Radeon R9 390 8GB
GeForce GTX 970 3,5GB 520% 329$ 310-340€
290-350€ 399$ 480% Radeon R9 290 4GB
250-280€ 229$ 390% Radeon R9 380X 4GB
200-230€ - 360% Radeon R9 380 4GB
GeForce GTX 960 4GB 340% - 200-220€
180-210€ 199$ 360% Radeon R9 380 2GB
GeForce GTX 960 2GB 340% 199$ 190-210€

Einziges Problem der neuen AMD-Karte ist letztlich die kleinere Radeon R9 380 – und dies aus zweierlei Sicht: Zum einen ist der grundsätzliche Performanceabstand zwischen beiden Karten mit 6-9% viel zu gering, um wirklich wirkbar zu sein. Die Radeon R9 380X kommt eher wie eine (echte) OC-Version der Radeon R9 380 daher, nicht wie eine wirklich neue, abweichende Grafikkarte. Sprich: Wer eine Radeon R9 380X anstrebt, kommt mit einer Radeon R9 380 (um einen minimalen Unterschied) genauso weit – aber viel günstiger. 4-GB-Ausführungen gibt es zudem auch bei der Radeon R9 380, dies ist kein Hinderungsgrund – und je nach Anwendungsgebiet reicht ja auch eine 2-GB-Ausführung aus, dann kommt man nochmals preisgünstiger weg.

Der zweite Punkt, welcher gegen die Radeon R9 380X und für die Radeon R9 380 spricht, sind die aktuellen Preislagen in Euroland, wo die neue AMD-Karte durch den aktuell schlechten Dollar/Euro-Kurs sehr stark beungünstigt wird. Beim Listenpreis sind es nur 30 Dollar Differenz, beim Straßenpreis derzeit aber gleich 70 Euro (50 Euro auf gleicher Speichermenge) – das ist dann keine kleine Differenz mehr, sondern schon ein erheblicher Preisunterschied. In diesem Fall ist diese Situation wie gesagt nicht die Schuld der Radeon R9 380X, trägt aber dennoch zum derzeitigen Urteil über die Karte bei – welches ganz klar lautet: Derzeit verzichtbar – zugunsten einer Radeon R9 380.

Und dies ist ein wirklich enttäuschendes Ergebnis, sah doch vor dem Launch der Radeon R9 380X alles nach einem klaren Gewinner aus. Aber mit diesem schwachen Performance-Zugewinn ist nun einmal kein Blumentopf zu gewinnen – AMD hat die Radeon R9 380X glatt zu schwach angesetzt, um im derzeitigen Performance- und Preisschema eine Empfehlung zu bekommen. Eventuell ändert sich dies mit der Zeit, viele Mainstream- und Midrange-Produkte teilten bisher schon das Schicksal, mit einem mittelprächtigen Launch anzutreten, um dann erst später ihre Rolle im Angebots-Portfolio zu finden. Für die Radeon R9 380X wird diese Aufgabe allerdings angesichts des geringen Performanceabstands zur Radeon R9 380 wirklich schwierig werden, diesen Makel dürfte die neue AMD-Karte niemals gänzlich abschütteln können.