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Chinesischer Grafikchip-Entwickler will die Performance der GeForce GTX 1080 erreichen

Die chinesische Webseite cnBeta (maschinelle Übersetzung ins Deutsche) berichtet über Geschäftszahlen samt Zukunfts-Ausblick des chinesischen Chipentwicklers "Changsha Jingjia Microelectronics", welcher bislang hauptsächlich für das nationale Militär arbeitet und dort diverse LowCost-Grafiklösungen liefert. Bislang liegt das Spitzenprodukt von Changsha Jingjia im JM7200-Chip, welche in etwa mit einer GeForce GT 640 vergleichbar ist – auch wenn man für sich in Anspruch nimmt, selbigen Chip mit drastisch weniger Stromverbrauch hinzubekommen. Mit dem, was man dagegen derzeit in der Entwicklung hat, will man dann (extrem) deutlich höher hinaus: Der geplante Chip "JM9231" soll sich mit nVidias GeForce GTX 1050 anlegen können, der geplante Chip "JM9271" dann sogar mit einer GeForce GTX 1080. Hierzu liefert man auch eine Übersicht der (geplanten) Spezifikationen zu JM9231 & JM9271 im Vergleich mit ihren nVidia-Pendants – welche augenscheinlich vom Chipentwickler selber stammt und damit sogar offiziellen Charakter hat:

Gänzlich zufriedenstellend ist die Gegenüberstellung allerdings nicht – denn es ist nicht klar, das wenn Changsha Jingjia mit dem kleineren JM9231-Chip auf 150 Watt Verbrauch eine GeForce GTX 1050 erreichen will, mit dem größeren JM9271-Chip bei dann nur 200 Watt Verbrauch gleich eine GeForce GTX 1080 der Gegner sein soll. Der Rest der dargebrachten Daten ist dann allerdings vergleichsweise passend, beispielsweise die Angaben zur Rechen- und Render-Leistung. Auffallend ist, das Changsha Jingjia durchgehend eine viel größere Speicherbandbreite ansetzt als beim jeweiligen nVidia-Pendant: Umgerechnet (aus der angegebenen Speicherbandbreite) ein 256 Bit GDDR5-Speicherinterface beim kleineren JM9231-Chip sowie ein 2048 Bit HBM2-Speicherinterface beim größeren JM9271-Chip (wie beim Vega-10-Chip von Radeon RX Vega 56/64). Als wichtiger Nachteil aller Grafikchips von Changsha Jingjia kann allerdings gelten, das jene API-technisch auf OpenGL beschränkt sind, augenscheinlich wegen des bisherigen Einsatzortes. Auch die beiden geplanten Chips JM9231 & JM9271 sind bislang ausschließlich für OpenGL gedacht – und damit (mangels Support für DirectX) erst einmal nicht als Gaming-Beschleuniger zu verwenden. Aber natürlich könnte dies noch kommen, insofern sich diese Chip-Projekte als schlagkräftig erweisen.

Es ist allerdings auch nicht zwingend zu erwarten, das die angepeilte Performance wirklich gleich mit dem ersten Wurf erbracht werden kann. Immerhin musste man bei Changsha Jingjia bislang kaum unter echtem Wettbewerbs-Druck arbeiten, denn bei den Aufträgen des nationalen Militärs dürfte es eher um eine explizit landeseigene Entwicklung als denn das beste Produkt im Konkurrenzkampf verschiedener Anbieter gegangen sein. Zudem gilt immer einzurechnen, das Changsha Jingjia hiermit im besten Fall die nVidia-Performance des Jahres 2016 erreichen wird – und dies vermutlich erst in den Jahren 2020/21. Selbst wenn Changsha Jingjia also seine technologische Zielsetzung erreicht, dürften herauskommende Produkte kaum verkaufsfähig für den Massenmarkt sein, da AMD & nVidia in den Jahren 2020/21 tief in den Möglichkeiten der 7nm-Fertigung unterwegs sein dürften, die Performance einer GeForce GTX 1080 dann womöglich schon in Richtung des Mainstream-Segment heruntergereicht sein könnte. Es ist nicht besonders wahrscheinlich, das man demgegenüber mit einer klar zurückhängenden Fertigung (angeblich weiterhin der 28nm-Node, würde aber auch im Fall des 16nm-Nodes gelten) eine auf dem Endkunden-Markt schlagkräftige Konkurrenz formen kann.

Aber dies muß Changsha Jingjia wie gesagt auch gar nicht gleich erreichen, denn auch diese beiden Chip-Projekte basieren wiederum auf Militär-Aufträgen und sind somit wahrscheinlich schon finanziert. Der entscheidende Punkt ist hier einfach, das wenn man sich technologisch so weit vorwagt, alle Anfangsproblem überwindet und letztlich seine Zielsetzung erreicht, man nachfolgend eine bessere Ausgangslage zugunsten von zukünftig viel höheren Zielsetzungen vorfindet. Der Appetit kommt hier beim Essen – wenn Changsha Jingjia also zum einen große Grafikchips hinbekommt und zum anderen zu leistungsfähigen Fertigungsverfahren findet, dann ist der Schritt hin zum Zweitnutzen als Profi- oder gar Gaming-Beschleuniger nicht mehr weit. Insbesondere der immer klarer werdenden chinesischen IT-Strategie, sich in Entwicklung & Fertigung von IT-Produkten unabhängig von der westlichen Welt zu machen, fügt diese Grafikchip-Entwicklung bei Changsha Jingjia ein weiteres Mosaik-Steinchen hinzu – und dürfte sich daher auch kaum von etwaigen Rückschlägen beeindrucken lassen. Natürlich ist der Weg lang und es ist sicherlich höchst vakant, ob Changsha Jingjia jemals als Wettbewerber zu AMD, Intel und nVidia auftreten kann – aber die Chance existiert, wenn nicht für Changsha Jingjia, dann vielleicht für einen anderen chinesischen Chipentwickler.

Nachtrag vom 6. Juli 2021

Laut einem Bericht bei MyDrivers (maschinelle Übersetzung ins Deutsche, via WCCF Tech) scheint der chinesische Grafikchip-Entwickler "Jingjia" den Tape-Out seiner Grafikchips JM9231 & JM9271 erreicht zu haben und wartet nun auf das zurückkommende Silizium, um damit erste Performance-Tests durchführen zu können. WCCF Tech schreiben an dieser Stelle zwar von einem Tape-Out erst im dritten Quartal 2021, das Original notiert allerdings, dass der Chip im dritten Quartal "zurückkommen" soll – was sich eher danach anhört, als ob das Designende schon erreicht ist und derzeit das erste Silizium beim Chipfertiger gebacken wird. So oder so liegt Jingjia damit deutlich hinter den ursprünglich vermuteten Zeitplänen, denn die erstmals im August 2019 erwähnten Grafikchips wurden seinerzeit auf ein Release in den Jahren 2020/21 eingeschätzt. Nunmehr wird es kaum etwas vor dem Jahr 2022 werden – was die Schlagkraft der beiden geplanten Grafikchips weiter reduziert.

Denn immerhin will man hiermit letztlich nur die Performance von nVidias Pascal-Generation einholen – und während jene im Jahr 2016 in der 16nm-Fertigung antrat, will Jingjia selbiges im Jahr 2022 erst in der 28nm-Fertigung realisieren. Technologisch ist dies also wenig herausfordernd – das einzige spannende an dieser Geschichte ist der JM9271-Chip in Performance-Zielrichtung der GeForce GTX 1080 mit gleich einem HBM2-Speicherinterface, was selbst bei diesem "Retro-Projekt" dennoch einen ziemlich großen Chip ergeben dürfte. Es geht hierbei sicherlich mehr um die Erfahrungen, welche man sammeln und auf welchen später bei ambitionierteren Projekten aufgebaut werden kann. Die beiden geplanten Grafikchips von Jingjia stellen hingegen sowieso keine Konkurrenz für AMD, Intel und nVidia dar, da als reine OpenGL-Beschleuniger konzipiert und somit nur für professionelle Zwecke einsetzbar. Dennoch wäre dieses konkrete Chip-Projekt sicherlich spannender gewesen, wenn man damit im Jahr 2020 – und nicht wie jetzt zu sehen erst 2022 – herausgekommen wäre.

Nachtrag vom 15. September 2021

VideoCardz berichten über fernöstliche Meldungen, wonach der chinesische Grafikchip-Entwickler Changsha Jingjia Micro den Tape-Out (samt Packaging) seines ersten JM9-Grafikchips erfolgreich durchgezogen hat. Welcher der beiden JM9-Grafikchips (JM9231 für LowEnd und JM9271 für Mainstream/Midrange) hierbei gemeint ist, wurde nicht erwähnt. Jener Tape-Out wurde zudem diesen Juli bereits angekündigt, insofern deckt sich hiermit die Informationslage. Kaufbare Produkte dürfte es demzufolge sicherlich erst Anfang 2022 geben – wobei vermutlich beide Grafikchips trotz des Vergleichs mit nVidia-Hardware letztlich doch wieder zum chineschen Militär als dem bisherigen Hauptauftraggeber von Changsha Jingjia Micro gehen werden. Beide genannten JM9-Grafikchips sind schließlich ohne jede DirectX-Treiber nur für OpenGL samt OpenCL geplant, sprich gar nicht für reguläre Desktop-Grafikkarten nutzbar.

Aber natürlich gewinnt Changsha Jingjia Micro mit dieser Entwicklung weitere Erfahrungen bei der Erstellung größerer Grafikchips, denn den größeren JM9271-Chip vergleicht man selber Performance-seitig mit einer GeForce GTX 1080, zudem verwendet jener bereits ein HBM-Speicherinterface. Fertigungs-seitig wird zwar nur die 28nm-Fertigung angesetzt, dafür dürften beide JM9-Chips rein in China hergestellt werden, sprich komplett unabhängig westlicher Chipentwickler & Chipfertiger entstehen. Inwiefern Changsha Jingjia Micro tatsächlich plant, zukünftig sein Geschäftsfeld auch in Richtung Gaming-Grafikkarten zu erweitern, bleibt jedoch eine Frage für die Zukunft. Allenfalls kann man sagen, dass diese somit auch bei der Chipfertigung rein chinesische Entwicklung eine solche Möglichkeit schlicht offenläßt – was natürlich gerade in Bezug auf die Bestrebungen Chinas nach technologische Unabhängigkeit irgendwann einmal aktiviert werden könnte.

Nachtrag vom 21. Dezember 2021

Laut WCCF Tech sind die JM9-Grafikchips des chinesischen Chip-Entwickler Changsha Jingjia Micro nunmehr verkaufsfertig, sollen also die Validierungsphase nach dem Tape-Out in diesem Juli erfolgreich bestanden haben. Da sich bis jetzt keine weiteren Informationen hierzu ergeben haben, dürfte diese Entwicklung weiterhin rein OpenGL-fähige Chips mit primärer Verwendung für (militärische) Simulatoren hervorgebracht haben. Mit einer Leistungsklasse von bestenfalls der GeForce GTX 1080 liegt man auch ausreichend weit zurück, als dass das Augenmerk eher zu anderen chinesischen Chip-Entwickler geht – wie zuletzt Innosilicon mit den "Fantasy 1" Grafikkarten auf Basis des PowerVR-basierten "Fenghua 1" Grafikchips. Changsha Jingjia Micro könnte natürlich mit zukünftigen Chip-Generationen auch andere Grafik-APIs und höhere Leistungsklassen ansprechen, aber zumindest die derzeitige Entwicklung stellt nichts dar, was für den Consumer-Markt interessant wäre.