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Core-X-Launch: Ohne Testmuster keine Hardware-Verkäufe

Die Launch-Analyse zu Intels Core X konzentriert sich logischerweise auf Technik, Benchmarks & Preislagen der neuen Enthusiasten-Prozessoren von Intel – und dennoch darf dieser zumindest in Teilen verpatzte Hardware-Launch nicht unthematisiert bleiben, gerade weil dies von Intel ziemlich ungewohnt ist. Ein kleines bißchen Gegenwind seitens AMD durch Ryzen (noch bislang ohne jeden großen Marktdurchbruch wohlgemerkt) hat augenscheinlich ausgereicht, Intel derart in Aufregung zu versetzen, das man gute Gewohnheiten über Bord geworfen und den Launch in einem Chaos-Modus durchgezogen hat, welchen zuletzt nicht einmal AMD aufzubieten hatte. Dies fängt mit der Unreife der X299-Plattform inklusive noch am Wochenende vor dem montäglichen Launch (!) nachgelieferten neuen BIOS-Updates an, geht über die lustlose Integration von Kaby-Lake-X in die dafür eigentlich unpassende Sockel-2066-Plattform und die mittels der ersten Overclocking-Tests prophezeite (und dann nicht gelieferte) hohe Übertaktungseignung weiter und endet in der Samplestrategie von Intel. Zuerst dachte man hierzu, das es einfach nur wenige Testmuster gab (und demzufolge die Betroffenen weniger laut bellen sollten) – doch inzwischen klärt sich das Bild dahingehend auf, das Intel offenbar gezielt so wenige Testsamples herausgegeben hat, um die Presse bezüglich ihrer Aussagen auf Kurs zu halten.

Besampelt wurden somit fast ausschließlich US-Publikationen, welche (geographisch wie juristisch) näher am Intel-Dunstkreis dran sind und daher auch eher die gewünschte Hofberichterstattung liefern als die Hardwaretester aus größerer Entfernung. Man darf sogar die Vermutung aufstellen, das der Verkaufsstart eine Woche später bewußt so spät gelegt wurde – damit sich die anderen Hardwaretester keine Testsamples über die Einzelhändler besorgen können, welche Intel-typisch bereits einige Tage vor Verkaufsstart beliefert werden. Natürlich gab es dennoch gutklassige Hardwaretests zum Core X – aber Intel konnte trotzdem zwei augenscheinlich strategische Ziele für diesen Launch durchziehen: So gab es Testsampes zum Core i7-7740K meist nur zusammen mit dem Core i9-7900X, was den durchwachsenen Eindruck der Kaby-Lake-X-CPU immer etwas aufmilderte, die Konzentration lag dann sowieso zumeist bei der (besseren) Skylake-X-CPU. Und zum anderen konnte Intel mittels fehlender Testsamples zu Core i7-7800X & Core i7-7820X verhindern, das man sich auf die (viel irdischere) Performance dieser eher erschwinglichen CPUs konzentrieren konnte. Vielmehr wurde Intel von den Launchtests ob der klaren Performanceführerschaft des Core i9-7900X (zu Recht) gelobt – Mission erfüllt, der hiermit erhaltene Glanz soll dann auch auf die gar nicht getesteten Core i7-7800X & Core i7-7820X abfärben.

Doch so kann das nicht gehen: Hardware verkaufen zu wollen, ganz ohne unabhängige Tests – das wäre wie wenn nVidia GeForce GTX 2070 & 2080 am gleichen Tag herausbringt, und wirklich nur von der GeForce GTX 2080 gäbe es Testsamples. Und daß Intel wirklich keine Testsamples zur Verfügung hatte, dürfte am Ende eher denn unter "Fake-PR" einzuordnen sein, wenn man schon zur Computex die Overclocker-Creme mit entsprechenden CPUs zum herzhaften Grillen ausstatten konnte. Es gab sicherlich in der Vergangenheit genauso schon CPU-Launches von Intel, wo es nur das jeweilige Topmodell als Testsample gab – aber was im Bereich von Consumer-Prozessoren irgendwie vielleicht in Ordnung geht, ist im Preisbereich oberhalb von 400 Dollar/Euro nicht so einfach hinzunehmen. In diesem Preisbereich will die Anschaffung dieser Hardware wohlüberlegt sein, kann man demzufolge nicht einfach anhand von ein paar Interpolationen vom Spitzenmodell ausgehend seine Kaufentscheidung treffen. Jeder, der ernsthaft im Markt von Enthusiasten-Hardware mitspielen will, sei hiermit aufgefordert, den bekannten Hardwaretest-Webseiten auch die entsprechenden Testmuster zeitgerecht und in vollständiger Auswahl zur Verfügung zu stellen.

Ganz generell betrachtet sollte Intel sich zusammenreißen und sich von AMD nicht in derart lächerliche und ganz nebenbei auch vermeidbare Fehler treiben lassen. Es wirft kein gutes Licht auf die Entscheider-Ebene von Intel, wenn man nach ein bißchen Gegenwind gleich derart wilde Kapriolen schlägt – und wie soll dies schließlich erst dann aussehen, wenn AMD bei Ryzen, Threadripper und Epyc zählbare Markterfolge vermelden kann? Mit der aktuellen Hühnerhaufen-Taktik macht es Intel ganz gewiß nicht besser – und zerstört vor allem auch jahrelang aufgebautes Prestige. Vor Core X hätte man beispielsweise nicht einmal gewagt anzunehmen, Intel könnte tatsächlich eine derart unfertige Plattform (zu diesen Preispunkten) in den Markt schicken und die andere Hälfte von deren CPU-Portfolio zwar ankündigen, aber erst Monate später nachzureichen gedenken. Intels Managment hat hier schon einiges an früher aufgebautem Kredit verbraucht – und sollte dringend zurück zu einem Pfad der solide begründbaren Entscheidungen zurückfinden, ehe aus der Ausnahme eine Regel wird. Die Fehler der (finanziell deutlich schlechter gebetteten) Konkurenz zu wiederholen, kann jedenfalls kaum der zukünftige Weg Intels sein.