Launch-Analyse AMD Radeon VII

Dienstag, 12. Februar 2019
 / von Leonidas
 

Mit der Radeon VII bringt AMD eine erste 7nm-basierte Grafikkarte, welche allerdings aufgrund ihrer weiterhin Vega-basierten Abstammung noch keine neue Grafikkarten-Generation begründen kann. Denn der zugrundeliegende Vega-20-Chip ist aus Gamer-Sicht nicht viel mehr als ein Vega-10-Chip in einem neuen Fertigungsverfahren – welches hier allerdings in einer noch nicht ausgereiften Form und ohne explizit darauf angepasster Grafikchip-Architektur eingesetzt wurde. Zudem ist der Vega-20-Chip eigentlich eher für HPC-Bedürfnisse konzipiert, gut zu sehen am verdoppelten Speicherinterface, welches dann auch (prinzipbedingt) die verdoppelte Speichermenge ergibt. Die dabei herausgekommene Radeon VII steht somit ein wenig zwischen den Welten: Mit alter Grafikchip-Architektur, ohne mehr Hardware-Einheiten, aber neuem Fertigungsverfahren und fortschrittlicher Speichermenge. Trotzdem reicht es natürlich aus, um nVidia endlich mal wieder ein Gegenangebot im Preisbereich von 700 Dollar/Euro entgegensetzen zu können. Wie die Launchreviews AMDs neue Grafikkarte bezüglich Performance, Stromverbrauch, Übertaktungseignung und Preis/Leistungs-Verhältnis bewertet haben, soll mit nachfolgender Launch-Analyse aufgezeigt werden.

Der für die Radeon VII benutzte Vega-20-Chip ist eigentlich die HPC-Abwandlung des Vega-10-Chips, alle Änderungen beziehen sich primär auf diese Einsatzart. Mehr konventionelle Hardware-Einheiten sucht man hingegen vergeblich, der Vega-20-Chip entspricht in dieser Frage exakt (bis auf das verdoppelte Speicherinterface) dem Vega-10-Chip. Dagegen gibt es Chip-seitigen Support für PCI Express 4.0 (nicht aktiv auf der Radeon VII), schnelle FP64-Berechnungen (bei der Radeon VII bis immerhin zum Verhältnis von 1:4 aktiv), sowie eben das verdoppelte Speicherinterface, welches bei Verwendung derselben HBM-Speicherstacks dann zur verdoppelten Speichermenge von 16 GB führt. AMD hätte für die Radeon VII zwar auch kleinere Speicherstacks verwenden können, dies hätte dann allerdings in einer extra Fertigungsstraße bei der Interposer-Bestückung resultiert. So benutzt AMD für die Radeon VII letztlich denselben vollbestückten Interposer (Grafikchip mit HBM-Speicher) wie bei der Fertigung der Profi-Lösungen der Radeon-Instinct-Serie – was am Ende wahrscheinlich einfach kostengünstiger ist, somit aber auch für den Gamer die große Speichermenge von gleich 16 GB Grafikkartenspeicher ermöglicht.

Da es an dieser Stelle dann aber auch schon mit den Architektur-Änderungen zwischen Vega 10 und Vega 20 aufhört, wäre damit kaum die Auflage einer neuen Gamer-Grafikkarte rechtzufertigen. Erst über die Herstellung unter der 7nm-Fertigung von TSMC (anstatt bisher der 14nm-Fertigung von GlobalFoundries) gewinnt der Vega-20-Chip ausreichend hinzu, um sich wenigstens beachtbar vom Vega-10-Chip abzusetzen. Dies resultiert primär in mehr Chiptakt bei insgesamt ähnlichem Stromverbrauch – wobei hiervon generell keine Wunderdinge zu erwarten sind. Erstens einmal sind generell Grafikchip-Architekturen immer recht stark auf eine bestimmte Fertigungsstruktur konzipiert, gewinnen durch ein anderes (kleineres) Fertigungsverfahren also zumeist nur unterdurchschnittlich hinzu. Und zum anderen ist der Vega-20-Chip auch explizit als Pipecleaner der 7nm-Fertigung von TSMC gedacht, soll hiermit regelrecht Vorarbeit für zukünftige AMD-Chips aus der 7nm-Fertigung von TSMC (AMD Zen 2 sowie AMD Navi) getätigt werden.

Die Erwartungshaltung, mittels des Sprungs von der 14nm- auf die 7nm-Fertigung nun plötzlich massiv kleinere Chips, drastisch mehr Takt und viel weniger Stromverbrauch erreichen zu können, läßt sich demzufolge eher schlecht auf den Vega-20-Chip umlegen. Dafür hätte AMD anstatt Vega 20 einen Grafikchip regelrecht neu konzipieren müssen – was zukünftig dann die Aufgabe der kommenden Navi-Generation von AMD sein wird. Für den Augenblick gibt Vega 20 den typischen Pipecleaner ab, welcher eher zwischen den Generationen steht, als denn eindeutig bereits der 7nm-Generation zugeordnet werden kann. Dies fällt insbesondere im Vergleich mit dem letzten Mal auf, als AMD einen Pipecleaner-Chip angesetzt hatte: Der RV740-Chip der Radeon HD 4770 aus dem Jahre 2009 hatte zwar eine gänzlich andere Zielsetzung im seinerzeitigen Angebotsportfolio von AMD, zeigte aber nur teilweise auf, was mit der 40nm-Fertigung (im Vergleich zur vorhergehenden 55nm-Fertigung) letztlich möglich war:

Karten-Vergleich Packdichte Performance Verbrauch Status
RV770 (55nm) vs. RV740 (40nm) Radeon HD 4830 vs. Radeon HD 4770 +58% +6% -21% Pipecleaner
RV770 (55nm) vs. RV870 (40nm) Radeon HD 4870 vs. Radeon HD 5870 +72% +75% -1% echtes NextGen
Vega 10 (14nm) vs. Vega 20 (7mn) Radeon RX Vega 64 vs. Radeon VII +58% +31% -5% Pipecleaner

Im eigentlichen ging die 40nm-Fertigung des RV740-Chips seinerzeit fast unter – eher interessant war, das AMD damit (in Form der Radeon HD 4770) eine damals benötigte neue Midrange-Lösung auflegen konnte (im übrigen zu Preislagen, welche heutzutage glasklar unteres Mainstream-Segment wären). Mitnehmen kann man von diesem Fall, das mittels des RV740-Chip noch überhaupt nicht absehbar war, was AMD später alles aus der 40nm-Fertigung machen würde – im genauen die sehr erfolgreiche und leistungsstarke Radeon HD 5000 Serie. Genau dieses Prinzip kann man heutzutage durchaus auch auf den Vega-20-Chip anwenden: Dessen eher mittlerer Packdichtengewinn sowie der nur maßvoll gesunkene Stromverbrauch sind kein echter Hinweis auf die Möglichkeiten von "echten" 7nm-Grafikchips – sprich Grafikchips, welche bereits bei der Konzeption der Grafikchip-Architektur auf dieses Fertigungsverfahren hin ausgelegt werden. Insofern kann man von zukünftigen 7nm-Grafikchips dann durchaus besseres erwarten, genauso wie man vom Vega-20-Chip keine Wunderdinge nur wegen der 7nm-Fertigung erwarten darf.

Wie gesagt ist AMDs Ansatz beim Vega-20-Chip bzw. der Radeon VII ein anderer: Hier ging es durchaus um mehr Gaming-Performance, nicht um eine reine Programmergänzung wie seinerzeit bei der Radeon HD 4770. Basierend auf der grundsätzlich gleichen Hardware kann AMD hierfür primär zwei Punkte ins Feld führen: Zum einen den Mehrtakt durch die 7nm-Fertigung, zum anderen das verdoppelte Speicherinterface mit demzufolge (mehr als) verdoppelter Speicherbandbreite. Als Kontrapunkt kommt die Radeon VII allerdings nicht wie die Radeon RX Vega 64 im Vollausbau des Vega-20-Chips daher, sondern nur mit 60 aktiven anstatt 64 physikalisch vorhandenen Shader-Clustern (der Vollausbau ist den Profi-Karten vorbehalten). Dieser Einschnitt ist durchaus gravierend, da fast so hoch wie der nominelle Mehrtakt der neuen AMD-Grafikkarte ausfällt – so das die Radeon VII letztlich nominell mit 13,4 TFlops eine nur um +6,2% höhere FP32-Rechenleistung als die vorhergehende Radeon RX Vega 64 aufweist. Insofern muß der immerhin um +111% höheren Speicherbandbreite dann eine noch größere Bedeutung zukommen, neben natürlich dem verdoppelten Speicherausbau.

Radeon RX Vega 64 GeForce GTX 1080 Ti Radeon VII GeForce RTX 2080
Chipbasis AMD Vega 10 nVidia GP102 AMD Vega 20 nVidia TU104
Fertigung 12,5 Mrd. Transistoren auf 495mm² Chipfläche in der 14nm-Fertigung von GlobalFoundries 12 Mrd. Transistoren auf 471mm² Chipfläche in der 16nm-Fertigung von TSMC 13,2 Mrd. Transistoren auf 331mm² Chipfläche in der 7nm-Fertigung von TSMC 13,6 Mrd. Transistoren auf 545mm² Chipfläche in der 12nm-Fertigung von TSMC
Architektur Vega, DirectX 12 Feature-Level 12_1 (Tier 3) Pascal, DirectX 12 Feature-Level 12_1 (Tier 2) Vega, DirectX 12 Feature-Level 12_1 (Tier 3) Turing, DirectX 12 Feature-Level 12_1 (Tier 3)
Features DirectX 12, OpenGL, Vulkan, Asynchonous Compute, VSR, FreeSync, TrueAudio Next, XConnect DirectX 12, OpenGL, Vulkan, Asynchonous Compute, DSR, SLI, PhysX, G-Sync DirectX 12, OpenGL, Vulkan, Asynchonous Compute, VSR, FreeSync, TrueAudio Next, XConnect DirectX 12, OpenGL, Vulkan, Asynchonous Compute, RayTracing, DSR, DLSS, SLI, PhysX, NVLink, G-Sync
Technik 4 Raster-Engines, 64 Shader-Cluster, 4096 Shader-Einheiten, 256 TMUs, 64 ROPs, 2048 Bit HBM2-Interface, 4 MB Level2-Cache (Vollausbau) 6 Raster-Engines, 28 Shader-Cluster, 3584 Shader-Einheiten, 224 TMUs, 88 ROPs, 352 Bit GDDR5X-Interface, 2.75 MB Level2-Cache (Salvage) 4 Raster-Engines, 60 Shader-Cluster, 3840 Shader-Einheiten, 240 TMUs, 64 ROPs, 4096 Bit HBM2-Interface, 4 MB Level2-Cache (Salvage) 6 Raster-Engines, 46 Shader-Cluster, 2944 Shader-Einheiten, 184 TMUs, 46 RT-Cores, 368 Tensor-Cores, 64 ROPs, 4 MB Level2-Cache, 256 Bit GDDR6-Interface (Salvage)
Taktraten 1247/1546/945 MHz 1480/1582/2750 MHz 1400/1750/1000 MHz Ref: 1515/1710/3500 MHz
FE: 1515/1800/3500 MHz
Rohleistungen 12,7 TFlops & 484 GB/sec 11,3 TFlops & 484 GB/sec 13,4 TFlops & 1024 GB/sec Ref: 10,1 TFlops & 448 GB/sec
FE: 10,6 TFlops & 448 GB/sec
Speicherausbau 8 GB HBM2 11 GB GDDR5X 16 GB HBM2 8 GB GDDR6
Layout DualSlot DualSlot DualSlot DualSlot
Kartenlänge 27,0cm 26,7cm 27,0cm 26,7cm
Ref./Herst./OC / / / / / ? / ? / /
Stromstecker 2x 8pol. 1x 6pol. + 1x 8pol. 2x 8pol. 1x 6pol. + 1x 8pol.
off. Verbrauch 295W 250W 300W Ref: 215W   FE: 225W
Spiele-Verbr. 296W 239W 282W Ref: ~215W   FE: 228W
Ausgänge HDMI 2.0b, 3x DisplayPort 1.4 HDMI 2.0b, 3x DisplayPort 1.4 HDMI 2.0b, 3x DisplayPort 1.4 HDMI 2.0b, 3x DisplayPort 1.4, VirtualLink per USB Type C
FHD Perf.Index 930% 1180% 1110% Ref: 1210%   FE: 1250%
4K Perf.Index 132% 173% 173% Ref: ~180%   FE: 186%
Listenpreis 499$ 699$ 699$ Ref: 699$   FE: 799$/849€
Straßenpreis 390-450€ ausgelaufen 650-720€ 750-800€
Release 14. August 2017 10. März 2017 7. Februar 2019 19. September 2018

Allerdings kommt die Radeon VII bei den realen Taktraten dann doch noch etwas besser weg als die Radeon RX Vega 64: Während letztere (zumindest im Referenzdesign) in aller Regel ihre Probleme hat, den von AMD angegebenen durchschnittlichen Boosttakt zu erreichen, kommt die Radeon VII real sogar leicht oberhalb ihres durchschnittlichen Boosttakts heraus. Ein Rohleistungs-Vergleich auf realen Taktraten (Werte der ComputerBase) sieht demzufolge die Radeon VII eher bei einem Gewinn von +8,6% in der Frage der FP32-Rechenleistung – dies ist nicht deutlich mehr, sieht aber dennoch nicht ganz so mager wie die nominellen +6,2% aus. Interessant ist, das die Radeon VII sowohl mit nominellem durchschnittlich Boosttakt (1750 MHz) als auch den real gemessenen Taktrate (1760-1763 MHz) vergleichsweise nahe am seitens AMD vorgegebenen Taktmaximum von 1800 MHz rangiert.

Radeon RX Vega 64 Radeon RX Vega 64 "Liquid Cooled" Radeon VII
Temperatur-Limit 85°C 85°C 110°C
Power-Limit * 220W  (+50% möglich) 264W  (+50% möglich) 250W  (+20% möglich)
nominelle Taktraten 1247/1546/945 MHz 1406/1677/945 MHz 1400/1750/1000 MHz
maximaler Boost-Takt 1630 MHz 1750 MHz 1800 MHz
durchschn. realer Takt ComputerBase: 1520 MHz (19 Tests)
Hardware.fr: 1455 MHz (2 Tests)
Hardwareluxx: 1459 MHz (7 Tests)
PC Perspective: 1513 MHz (1 Test)
PC Perspective: 1663 MHz (1 Test) ComputerBase: 1760 MHz (16 Tests)
Hardwareluxx: 1763 MHz (9 Tests)
* gilt bei AMD nur für den Grafikchip selber

Dies zeigt eventuell darauf hin, das die Karte von AMD schon an der Grenze des Möglichen getaktet wurde. In eine ähnliche Kerbe fallen die offiziellen Festlegungen zum Power-Limit sowie zur maximalen Chip-Temperatur: Das Power-Limit des ASICs (bei AMD immer nur auf den Grafikchip selber bezogen) ist mit 250 Watt klar höher als bei der Radeon RX Vega 64 (220W), obwohl die offizielle Karten-TDP mit 300W zu 295W mehr oder weniger gleich ist. Das Temperatur-Limit ist hingegen nicht mehr mit der Vorgänger-Karte zu vergleichen, da AMD bei der Radeon VII andere Meßpunkte sowie eine andere Meßmethodik benutzt. Verglichen auf Basis der gleichen Meßpunkten ist die Radeon VII sogar leicht kühler als die Radeon RX Vega 64 – kommt dafür aber trotzdem eher in die Nähe des (neuen) Temperatur-Limits. Anders formuliert ist trotz absolut höherem Temperatur-Limit der relative Spielraum gegenüber dem jeweiligen Temperatur-Limit bei der Radeon VII kleiner als bei der Radeon RX Vega 64.