Zum Launch von Radeon HD 5850 & 5870

Mittwoch, 23. September 2009
 / von Leonidas
 

Wie erwartet worden war, bringt ATI mit dem heutigen Tag seine Radeon HD 5800 Grafikkarten-Serie und damit die ersten DirectX11-Beschleuniger auf den Markt. Einiges zu dieser neuen Grafikkarten-Serie war vorher schon bekannt, anderes wird sich erst jetzt mit den vorliegenden Karten erörtern lassen. Aus den Vorab-Informationen konnte man schon auf einen starken Auftritt seitens ATI schließen, welcher sich nunmehr nach den ersten Tests zu bestätigen scheint. Getestet werden konnte dabei allerdings vorerst nur die Radeon HD 5870, da ATI von der Radeon HD 5850 keine Testmuster zur Verfügung stellte.

Doch erst einmal legt ATI wie zu erwarten mit dem RV870-Chip der Radeon HD 5800 Grafikkarten-Serie in etwa die doppelte Hardware-Power wie mit den vorhergehenden RV770/RV790-Chips auf. Der Chip wurde bis auf das Speicherinterface faktisch verdoppelt, was für eine doppelte Rechen- und Texturierpower steht. Dem gegenüber steht dann aber nur ein geringer Zugewinn an Speicherbandbreite, welcher nur über einen etwas höhere Speichertakt realisiert wird. Chip-intern wurde bis auf DirectX11 nichts wesentliches verändert, so daß die RV890-Recheneinheiten durchaus mit den RV770/RV790-Recheneinheiten vergleichbar sind.

Radeon HD 4870 Radeon HD 4890 Radeon HD 5850 Radeon HD 5870
Chipbasis ATI RV770, 956 Millionen Transistoren in 55nm auf 256mm² Die-Fläche ATI RV790, 959 Millionen Transistoren in 55nm auf 282mm² Die-Fläche ATI RV870, 2150 Millionen Transistoren in 40nm auf 334mm² Die-Fläche
Technik DirectX 10.1, 800 Shader-Einheiten, 40 TMUs, 16 ROPs, 256 Bit DDR Interface DirectX 11, 1440 Shader-Einheiten, 72 TMUs, 32 ROPs, 256 Bit DDR Interface DirectX 11, 1600 Shader-Einheiten, 80 TMUs, 32 ROPs, 256 Bit DDR Interface
Taktraten 750/1800 MHz 850/1950 MHz 725/2000 MHz 850/2400 MHz
Speicher 512 oder 1024 MB GDDR5 1024 MB GDDR5 1024 MB GDDR5 1024 MB GDDR5
Rechenleistung 1200 GFlops 1360 GFlops 2088 GFlops 2720 GFlops
Bandbreite 115 GB/sec 125 GB/sec 128 GB/sec 154 GB/sec
Layout Single/DualSlot DualSlot DualSlot DualSlot
Stromanschlüße 2x 6pol. 2x 6pol. 2x 6pol. 2x 6pol.
TDP 159W 190W 170W 188W
Listenpreis 512MB: 125$
1024MB: 159$
199$ 259$ 379$

Der Unterschied zwischen Radeon HD 5850 und 5870 ist dabei schnell skizziert: Die kleinere RV870-Ausführung hat niedrigere Taktraten und verfügt nicht über die gesamten 1600 Shader-Einheiten, sondern nur über 1440 davon. Bei der Rechenleistung liegen somit 30 Prozent zwischen beiden Karten, bei der Speicherbandbreite sind es 20 Prozent Differenz. In der Praxis dürfte dies für einen Performanceunterschied von 20 bis 25 Prozent stehen, etwas weniger als noch zwischen Radeon HD 4850 und 4870.

Sehr bemerkenswert ist desweiteren, daß die Stromaufnahme sowie auch die TDP-Anforderungen trotz der verdoppelten Rechenpower nicht deutlich nach oben gerissen wurden – hier scheint die 40nm-Fertigung mal wirklich gut zu funktionieren. So kommt laut den Stromaufnahme-Messungen (nur der Grafikkarte) seitens HT4U eine Radeon HD 5870 ungefähr auf das Niveau einer Radeon HD 4890 – was wie gesagt angesichts der doppelten Rechenleistung wirklich gut ist:

Idle BioShock FurMark TDP
Radeon HD 4770 31W 67W 78W 80W
Radeon HD 4850 43W 126W 148W 114W
GeForce GTS 250 19W 121W 141W 150W
Radeon HD 4890 58W 154W 211W 190W
Radeon HD 5870 21W 158W 207W 188W
GeForce GTX 275 35W 176W 226W 219W
GeForce GTX 285 29W 186W 214W 204W

Allerdings wird auch weiterhin der TDP-Wert unter dem FurMark überboten – so sollte es eigentlich nicht sein, selbst wenn ATI speziell den FurMark per Treiber ausbremst. Dazu übernimmt die Radeon HD 5870 auch wieder ein wenig die Eigenheit der Radeon HD 4800 Karten, daß unter wirklich starker Last weniger denn der Grafikchip, sondern in erster Linie die Spannungsversorgung heftig heiß wird – bis zu 96°C wurden hier gemessen. Ausgesprochen gut für ein HighEnd-Modell ist dagegen der Idle-Stromverbrauch – laut ATI 27 Watt, laut den HT4U-Messungen 21 Watt – welcher natürlich in erster Linie den auf 157/600 MHz stark abgesenkten Taktraten zu verdanken ist.

Der niedrige Idle-Stromverbrauch resultiert allerdings nicht nur in einer günstigeren Stromrechnung, sondern auch darin, daß der verbaute Radial-Lüfter unter Windows durchgehend auf dem niedrigsten Level und damit faktisch lautlos arbeitet – bei HighEnd-Grafikkarten bislang nicht selbstverständlich. Unter Last kommen je nach Messungen zwischen 30 und 40 dBA heraus – nicht wirklich leise, aber für eine HighEnd-Grafikkarte dieses Kalibers als sogar vergleichsweise vernünftig zu betrachten. Etwas leiser als bei Radeon HD 4870 & 4890 ist es laut den verschiedenen Messungen auf jeden Fall, auch hier hat ATI also trotz der höheren Hardware-Power eine Verbesserung erzielen können.

Weitere Verbesserungen des RV870-Chips liegen bei der Bildqualität: So wurde der anisotrope Filter nunmehr komplett winkelunabhängig gestaltet, so wie bei den nVidia-Grafikkarten ab dem G80-Chip. Zudem wurde der "brilineare" Filter (ein Mix aus trilinearen und bilinearem Filter) abgeschafft, ATIs neuer anisotroper Filter ist nunmehr auf dem Papier vorbildlich. Allerdings wurden anscheinend nicht alle der mitlaufenden Filter-"Optimierungen" abgeschafft: So neigt auch der neue anisotrope Filter des RV870-Chips weiterhin zum Texturenflimmern, ausgelöst durch eine (irreguläre) Unterfilterung. Sehr gut ist dies auf den von HT4U aufgenommenen Vergleichsvideos mit unserem neuen 3DCenter Filter Tester zu sehen.

Allerdings scheint ATI mit dem RV870-Chip zumindest gegenüber den RV770/RV790-Chips eine Verbesserung beim Texturenflimmern erreicht zu haben – gemäß verschiedener Praxistests erreicht man damit sogar das Bildqualitäts-Niveau von nVidias Standard-Modus. Der "HighQuality"-Modus von nVidia liegt diesbezüglich in der Praxis aber immer noch vor der Bildqualität von ATIs RV870-Chip – sehr schade, daß ATI hier nicht noch einen Schritt weiter gegangen ist, gerade angesichts der niedrigen Performance-Anforderungen von nVidias "HighQuality"-Modus (5 bis maximal 10 Prozent).

Besser macht es ATI dagegen beim Anti-Aliasing, wo man nunmehr (zusätzlich) bis zu 8x rotated grid SuperSampling Anti-Aliasing bietet. Bei SuperSampling Anti-Aliasing wird das Bild schlicht intern in einer entsprechend höheren Auflösung gerendert, was im Gegensatz zum gewöhnlichen MultiSampling Anti-Aliasing nicht nur die Kanten glättet, sondern auch alle Texturen und damit auch innerhalb von Texturen liegende Kanten. Eigentlich hatte man ja SuperSampling Anti-Aliasing vor Jahren zugunsten des leistungssparenderen MultiSampling Anti-Aliasing aufgegeben – doch heuer nun ist dafür ausreichend Performance vorhanden.

Zudem ergibt sich durch den stärkeren Einsatz von transparenten Texturen und das vermehrte Auftreten von Shader-Aliasing auch ein Anreiz bezüglich der Bildqualität, wieder auf SuperSampling Anti-Aliasing zu setzen – in diesen Punkten kann MultiSampling Anti-Aliasing nämlich gar nichts ausrichten. Leider wirft SuperSampling Anti-Aliasing aber auch Kompatibilitätsprobleme mit einigen PostProcessing-Effekten sowie generell mit DirectX-10/11-Spielen auf, da in letzteren Anti-Aliasing ausschließlich nur vom Spiel angefordert werden muß und die allermeisten DirectX-10/11-Spiele derzeit noch nichts mit ATIs neuem SuperSampling Anti-Aliasing anzufangen wissen.

RV770/RV790 RV870 GT200/b
standardmäßiger anisotroper Filter winkelabhängig, brilinearer Filter, diverse mitlaufende Optimierungen vollkommen winkelunabhängig, volltrilinearer Filter, anscheinend keine mitlaufenden Optimierungen winkelunabhängig, brilinearer Filter, kleinere mitlaufende Optimierungen
Verbesserungsmöglichkeiten anisotroper Filter keine keine alle Optimierungen einzeln abschaltbar, zudem ein extra "HighQuality"-Modus: vollkommen winkelunabhängig, volltrilinearer Filter, keine mitlaufenden Optimierungen
Flimmerneigung durchschnittlich gering Standard-Modus: gering, "HighQuality"-Modus: kaum noch vorhanden
MultiSampling Anti-Aliasing 2x/4x rotated grid, 8x sparse grid 2x/4x rotated grid, 8x sparse grid 2x/4x rotated grid, 8x sparse grid
MultiSampling Zusatzmodi CustomFilter: 12x, 16x, 24x CustomFilter: 12x, 16x, 24x CoverageSampling: 8x, 16x
Transparenz Anti-Aliasing SuperSampling SuperSampling MultiSampling & SuperSampling
SuperSampling Anti-Aliasing - 2x/4x rotated grid, 8x sparse grid -
Spielbezogene Einstellungsoptionen im Treiber nein nein ja

Auch weil die Performance selbst einer Radeon HD 5870 nicht in jedem Spiel für SuperSampling Anti-Aliasing ausreichend sein mag, ist es sehr bedauerlich, daß ATI sich nicht doch dazu durchgerungen hat, im Catalyst-Treiber spielbezogene Einstellungsoptionen zu ermöglichen. Ein neues Feature ist schließlich immer nur so schlagkräftig, wie einfach es zu bedienen ist. Wenn man jedoch jedesmal im Treiber händisch die Einstellungen für alle Spiele ändern muß, nur um das perfekte Setting für ein Spiel zu erreichen, dann ist man weit von einer guten Nutzbarkeit entfernt. ATI kann sicherlich darauf hoffen, daß zukünftige Spiele das SuperSampling Anti-Aliasing allesamt direkt im Spiel anbieten, für den Augenblick wären spielbezogene Optionen im Treiber jedoch nicht verkehrt.

Stichwort Performance: Dies ist wohl eines der einfacheren Themen zur Radeon HD 5870, da diese Karte wie erwartet deutlich schneller ist als alle anderen SingleChip-Grafikkarten zuvor. Echte Gegner für die Radeon HD 5870 sind also nur die DualChip-Lösungen Radeon HD 4870 X2 und GeForce GTX 295. Dabei kann die Radeon HD 5870 als in etwa gleichschnell zur Radeon HD 4870 X2 und jedoch um 5 bis 10 Prozent langsamer gegenüber der GeForce GTX 295 angesehen werden. Dies ist etwas abweichend zu den ATI-eigenen Benchmarks, welche noch die Radeon HD 5870 in diesem Vergleich vorn gesehen haben – und begründet gleichzeitig, weshalb man solche herstellereigenen Benchmarks niemals zu ernst nehmen sollte.

Demzufolge bliebe auch abzuwarten, ob die mittels der ATI-eigenen Benchmarks prognostizierten 30 Prozent Vorsprung der (heute nicht getesteten) Radeon HD 5850 gegenüber der GeForce GTX 285 wirklich in der Realität zutreffen. Wenn man von den heutigen Benchmark-Resultaten der Radeon HD 5870 ca. 20 Prozent abzieht, um eine Radeon HD 5850 zu simulieren, so wird dies in der Summe der Tests wohl immer noch ausreichen, die GeForce GTX 285 zu schlagen – aber eben nicht mehr mit 30 Prozent Vorsprung, sondern mit einem wohl deutlich geringerem Abstand.

Sehr bedauerlich ist zudem, daß angesichts der – gerade in absoluten Zahlen – überragenden Performance kaum einer der Testberichte sich der Frage zugewandt hat, was der Gamer in der Realität mit der hohen Framerate anfangen soll (bemerkenswerte Ausnahme: HardOCP). So wurden zwar hier und da extra Benchmarks zum SuperSampling Anti-Aliasing angestellt, man hätte dies aber auch durchgehend machen können – ganz egal, ob nVidia nun einen vergleichbaren Modus hat oder nicht. Wenn gerade unter 1680x1050 mit (gewöhnlichem) Anti-Aliasing in den allermeisten Spielen (bis auf die zwei üblichen Ausnahmen Crysis und Stalker) die Radeon HD 5870 Frameraten von über 80 fps erreicht, dann spielt Performance eigentlich keine Rolle mehr und es geht eher denn darum, wie man diese klar überschüssige Performance in ein Mehr an Bildqualität umwandeln kann.

Aber gut, womöglich stand den Tester der heutigen Launchartikel dafür auch schlicht keine Zeit mehr zur Verfügung – bei einem Launch ist der Testzeitraum üblicherweise sehr kurz angesetzt (kaum mehr als eine Woche, oftmals weniger), womit einfach nicht alle Fragen sofort und abschließend behandelt werden können. Zudem fehlt durch die Hektik vor einem Launch den Testern auch oftmals die Zeit, aufzublicken und mit freiem Kopf über die Sache nachzudenken. Wir für unseren Teil werden jedenfalls bei dem voraussichtlich kommenden RV870-Artikel auf 3DCenter speziell der Frage nachgehen, in was man den vorhandenen Frameraten-Überschuß am besten investiert.

Bliebe normalerweise noch eine Preis/Leistungsbetrachtung übrig – welche aber aktuell nur theoretisch ablaufen kann, denn derzeit gibt es noch keine Listungen zu Radeon HD 5850 und 5870. Laut ATI soll es beide Karten im Handel erst gegen Ende September geben, was hoffentlich dann auch eingehalten werden wird. Die US-Listenpreise lauten hierbei 259 und 379 Dollar, was hierzulande in Straßenpreise von ungefähr 225 bzw. 330 Euro münden sollte. Damit sind beide Grafikkarten in jedem Fall beim Preis/Leistungsverhältnis klar günstiger angesiedelt als die Konkurrenz in Form von nVidia – was allerdings bei einer neuen Grafikkarten-Generation normal ist und auch so sein sollte. Eine genauere Betrachtung hierzu ist aber wie gesagt erst nach den ersten realen Listungen sinnvoll, zudem bliebe eine eventuelle Reaktion von nVidia in Form von Preissenkungen bei der GeForce GTX 285/295 abzuwarten.

Erste Testberichte zur Radeon HD 5870:
ATI Radeon HD 5800 Serie: AMD mit DirectX 11 [Chip]
Test: ATI Radeon HD 5870 [ComputerBase]
Test: AMDs Radeon HD 5870 mit DirectX 11 setzt Maßstäbe [Golem]
ATI Radeon HD 5870 – The Game has Changed [Hardwareluxx]
The Game has changed: AMD/ATI Radeon HD 5870 [HT4U]
Radeon HD 5870: Die erste Direct-X-11-Grafikkarte im Benchmark-Test [PC Games Hardware]
Grafikkarte ATI Radeon HD 5870 im Test [PC-Welt]
ATI Radeon 5870: DirectX 11, Eyefinity und jede Menge Power [Tom's Hardware]
Radeon HD 5870 im Test [TweakPC]
AMD's Radeon HD 5870: Bringing About the Next Generation Of GPUs [AnandTech]
ATI Radeon HD 5870 Performance Preview [FiringSquad]
AMD's ATI Radeon HD 5870 Video Card Review [HardOCP]
DirectX 11 in the Open: ATI Radeon HD 5870 Review [X-bit Labs]