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Gefälschte nVidia-Grafikkarten im deutschen Einzelhandel

Heise berichten man über einen drastischen Fall von Hardware-Fälschung, welcher derzeit deutsche Grafikkarten-Käufer betrifft. Denn bei mehreren Einzelhändlern sollen "GTX650 4096MB Nvidia bulk" und "GTX660 4096MB Nvidia bulk" Karten eines nicht genauer spezifizierten Grafikkarten-Herstellers zu haben sein, welche dreist gefälscht wurden. Genauere Details liegen nur zur angeblichen GeForce GTX 660 vor, welche in originaler Form eine passable Grafikkarte des Performance-Bereichs auf Basis des GK106 Kepler-Chip mit 960 Shader-Einheiten an einem 192 Bit DDR Speicherinterface darstellt. Die von Heise dokumentierte gefälschte Karte basiert hingegen auf dem GF106/GF116 Fermi-Chip mit 144 Shader-Einheiten an einem 128 Bit DDR Speicherinterface. An jenes war zudem nur auf 533 MHz taktender DDR3-Speicher angeschlossen, womit die Speicherbandbreite der Karte nur unterirdische 17 GB/sec ergab – die meisten selbst der heutigen LowCost-Karten haben mehr.

Die gefälschte Karte wird gegenüber echten LowEnd-Angeboten etwas durch die gleich 144 (Fermi) Shader-Einheiten gerettet, aber wirklich mehr als die Performance typischer LowCost-Grafikkarte kommt hierbei nicht heraus – schon die GeForce GT 730 64-Bit GDDR5 bietet zum Preispunkt von 50 bis 60 Euro etwas mehr Performance als diese Hardware-Fälschung. An die Performance der originalen GeForce GTX 660 kommt die Hardware-Fälschung natürlich nicht im Ansatz heran, spielt bei einem Performance-Unterschied etwas mehr von Faktor 4 sogar in einer völlig anderen, um mehrere Dimensionen niedrigeren Liga. Sehr frech ist in diesem Zusammenhang der Preispunkt der Hardware-Fälschung von um 160 Euro – dies sind locker zwei Drittel mehr, als was die Karte gemäß ihrer Performance wirklich wert wäre.

originale GeForce GTX 660 gefälschte "GTX660 4096MB Nvidia bulk" originale GeForce GT 730 128-Bit originale GeForce GT 730 64-Bit GDDR5
Technik nVidia GK106, 28nm, Kepler-Architektur, DirectX 11.0, 960 Shader-Einheiten, 80 TMUs, 24 ROPs, 192 Bit DDR Speicherinterface, 980/1033/3000 MHz nVidia GF106/GF116, 40nm, Fermi-Architektur, DirectX 11.0, 144 Shader-Einheiten, 24 TMUs, 16 ROPs, 128 Bit DDR Speicherinterface, 900/1800/533 MHz nVidia GF108, 40nm, Fermi-Architektur, DirectX 11.0, 96 Shader-Einheiten, 16 TMUs, 4 ROPs, 128 Bit DDR Speicherinterface, 700/1400/800-900 MHz, (exaktes Rebranding der GeForce GT 430) nVidia GK208, 28nm, Kepler-Architektur, DirectX 11.0, 384 Shader-Einheiten, 32 TMUs, 8 ROPs, 64 Bit DDR Speicherinterface, 902/2500 MHz
3DMark13 Firestrike 4266 949 693 1490
3DC Perf.-Index 250% ~60% 45% ~80%
Preislage 140-160 Euro angeboten für 160 Euro 50-60 Euro 50-60 Euro

Wie es zu diese Hardware-Fälschung bzw. diesem Angebot bei deutschen Einzelhändlern kam, ist noch weitgehend im Ungewissen, weil alle Beteiligten den schwarzen Peter derzeit jeweils nur weiterschieben. Grundsätzlich gilt zu bedenken, daß solcherart direkte Hardware-Fälschungen – es wurde sogar das Karten-BIOS gefälscht, damit sich die Karte im System auch wirklich als "GeForce GTX 660" anmeldet – keine Grauzone ähnlich von unterhalb ihrer eigentlichen Hersteller-Spezifikationen verkauften Grafikkkarten darstellt, wie es in der Vergangenheit leider häufiger vorkam (frühere 3DC-Artikel zum Thema: August 2008, Dezember 2008 & November 2011). Der aktuell vorliegende Fall stellt in jedem Fall eine klare, sogar justizable Produktfälschung dar, womit man eher davon ausgehen kann, daß die Mehrheit der Beteiligten von Chip-Entwickler bis Einzelhändler hier ebenso hereingelegt wurden wie der Grafikkarten-Kunde.

Eine wahrscheinliche Auflösung lautet, daß irgendein Großhändler sich von einem gut klingendem Angebot hat übertölpeln lassen, möglicherweise eines aus Fernost. Die Stichproben-Prüfung der Ware hat dann per Zufall oder aber Planung (möglicherweise waren die erste Charge ja sogar echte GeForce GTX 660 Karten) nichts ergeben, so daß das ganze dann letztlich im Einzelhandel landete und dem Endkunden verkauft wurde. Hier muß man einrechnen, daß die Groß- und Einzelhändler nicht jedes Stück Hardware wirklich einzeln prüfen können – schon gar nicht in Form einer Tiefenprüfung mit Benchmarks, denn erst nach einem Benchmark kann man sich sicher sein, das hier wirklich keine GeForce GTX 660 vorliegt.

Irgendeiner in der Lieferkette hat sich also von einem unseriösen Angebot hereinlegen lassen – wer das ist, wird wahrscheinlich derzeit nVidia versuchen aufzuklären, welche über diverse Produktnummern des Grafikchips möglicherweise dessen Weg über den Globus nachvollziehen können. Absolut null Punkte erwirbt sich nVidia jedoch über das derzeitige Schweigen zu diesem Fall – wenigstens eine Statusmeldung, daß man der Sache nachgeht, sollte das Mindestmaß sein. Für den Augenblick gilt in jedem Fall, alle Sensoren beim Kauf von GeForce GTX 650 & 660 Grafikkarte hochzufahren und solche Karten mittels Tools wie GPU-Z schnell mal auf den Zahn bezüglich der korrekten Hardware-Daten zu fühlen – jene Daten werden wie üblich immer in unserem aktuellen Grafikkarten-Marktüberblick notiert, sind aber auch ansonsten breit im Internet zu finden.

Nachtrag vom 27. August 2014

Im Fall der gefälschten nVidia-Grafikkarten gibt es neue Entwicklungen, wonach der betroffene Distributor "Kosatec" gegenüber Heise nunmehr Rechnungen vorgelegt hat, welche darlegen, daß die gefälschten Karten direkt vom niederländischen Grafikkarten-Hersteller Point of View bezogen wurden. Daraus sollte man jetzt zwar noch keine vorschnellen Schlüsse ziehen – aber nunmehr sind Point of View und auch nVidia final dazu aufgefordert, sich erschöpfend zu erklären. Zudem berichten Heise über Anzeichen, daß neben den ca. 300 gefälschten GeForce GTX 660 und ca. 100 gefälschten GeForce GTX 650, welche im Juli an Kosatec gingen, auch früher schon solcherart Karten in den Einzelhandel gelangt sind als auch in Komplettsystemen verbaut worden.

Nachtrag vom 28. August 2014

Im Fall der gefälschten nVidia-Grafikkarten hat man bei Heise weitere Händler-Listungen entdeckt, welche mit derselben Artikelnummer wie die gefälschte GeForce GTX 660 im europäischen Ausland angeboten werden. In einigen Fällen wird dabei wieder "Point of View" als Hersteller genannt – was den Druck auf den Hersteller, sich ordentlich zu erklären, eigentlich erhöhen sollte. Leider versucht es Point of View derzeit immer noch auf die autoritäre Art und hat von Heise unter Androhung rechtlicher Schritte gefordert, nicht mehr in diesem Zusammenhang erwähnt zu werden. Eine souveräne Krisenbewältigung sieht sicherlich anders aus, selbst wenn man sich derzeit noch nicht sicher sein kann, in wie weit Point of View tatsächlich Verantwortung in diesen Fall trägt. Normalerweise müsste man sich als großer Hersteller aus jeglichen halbseidenen Geschäften heraushalten, da ansonsten gewaltiger Ärger mit den (nur zwei vorhandenen) Grafikchip-Entwicklern droht, auf welche man letztlich angewiesen ist. Insofern würde es überraschen, wenn man sich bei Point of View bewußt dafür entschlossen hätte, an dieser Räuberposse mitzuwirken – aber auszuschließen ist in dieser Angelegenheit inzwischen gar nichts mehr.

Nachtrag vom 29. August 2014

Im Fall der gefälschten nVidia-Grafikkarten haben Heise nun eine Bestätigung seitens Point of View vorliegen, daß die bewußten Karten von diesem Hersteller stammen (wieso man vorher sogar Rechtsmittel androhte, um nicht in diesem Fall genannt zu werden, wird wohl das Geheimnis von PoV bleiben). Point of View sagte weiterhin aus, daß man nun intern überprüfen werde, wie es zu solchen Lieferungen kommen konnte – hoffentlich bleibt dies nicht nur eine Floskel, gegenüber dieser Möglichkeit sollte insbesondere Chipentwickler nVidia nach allen Kräften Druck ausüben. Es dürfte natürlich irgendwie darauf hinauslaufen, das jemand beim PoV-Einkauf in China geschlammpt hat und sich gefälschte Chips hat andrehen lassen – in China ist da sehr vieles möglich. Dabei muß das europäische Marketing und der Vertrieb nicht einmal eingeweiht gewesen sein – diese Möglichkeit läßt das Statement eines Ex-Mitarbeiters von PoV in unserem Forum absolut offen. Schön ist die Angelegenheit für Point of View in keinem Fall, es wird wohl auf eine gewisse Ausmistungsaktion und eine Überarbeitung der innerbetrieblichen Abläufe bei Point of View hinauslaufen.