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Zu den Problemen der geplanten EU-Urheberrechtsreform

Mit ziemlicher Aufmerksamkeit ist die Entscheidung des Rechtsauschusses des EU-Parlaments zugunsten einer neuen EU-Urheberrechtsreform letzten Mittwoch bedacht worden. Dabei handelt es sich natürlich noch nicht um die eigentliche Entscheidung des EU-Parlaments (steht am 4. Juli 2018 an), an welche sich dann Verhandlungen von EU-Parlament mit der EU-Kommission und den Nationalstaaten über die eigentliche hieraus resultierende EU-Direktive sowie nachfolgend deren Umsetzung in nationales Recht anschließen würden/werden. Aber möglicherweise ist dies einer der (kleinen) positiven Effekte der kürzlichen Datenschutz-Grundverordnung, welche lange Zeit in der EU verhandelt wurde und aber erst nach deren entgültiger nationaler Inkraftsetzung ein größeres mediales Echo erfuhr – denselben Auslasssungsfehler will man nun wohl nicht wiederholen. Denn die insgesamt 24 Artikel der neuen EU-Urheberrechtsreform beinhalten zwei Stolpersteine mit potentiell großen Auswirkungen auf die komplette Kultur des Internets in Europa:

  • Artikel 11:   Einführung eines EU-weiten Presse-Leistungsschutzrechts
  • Artikel 13:   Haftbarkeit der Plattform-Betreiber für Urheberrechtsverstöße der Plattform-Nutzer

Das Presse-Leistungsschutzrecht ist schon aus Deutschland bekannt, hat dort aber nur den Status eines kapitalen Rohrkrepierers erreicht. Dabei ist der Grundgedanke der besseren Finanzierung der Presse in Zeiten der durch das Internet veränderten Lesegewohnheiten nicht einmal gänzlich von der Hand zu weisen. Doch dürfte der gewählte Weg kaum zu sinnvollen Ergebnissen führen, dies ergibt sich schon aus dem entsprechenden Experiment in Deutschland. Selbst die nun kommende EU-weite Lösung dürfte kaum für mehr Schlagkraft sorgen, da an dieser Stelle zumindest der aktuelle geplante Direktiventext zu viel nationalstaatlichen Spielraum läßt: Jeder Nationalstaat soll individuell festlegen können, was noch kostenfrei zitiert werden darf und was dann bereits eine Nutzungslizenz bedingt. Damit sind Google & Facebook aber nicht unter Druck zu setzen – dies würde ein koordiniertes Vorgehen unter einer wirklich einheitlichen Rechtsnorm bedingen.

Wie stark sich das Leistungsschutzrecht EU-weit dann auswirkt, wird stark von der jeweiligen nationalen Umsetzung der kommenden EU-Direktive abhängen. Speziell für Deutschland dürfte sich hier wahrscheinlich gar nichts verändern, da Deutschland schon sein Leistungsschutzrecht hat bzw. selbiges augenscheinlich bereits im Rahmen der geplanten EU-Direktive liegt. Insofern sind derzeit auch Berichte über drohende "Link-Verbote" ein wenig Schwarzmalerei – selbige gibt es nicht mit dem aktuell gültigen Leistungsschutzrecht, selbige sind auch in Zukunft eher unwahrscheinlich. In einzelnen EU-Ländern könnte es zu schärferen Gesetzestexten kommen, eventuell kommt es dort auch zu einem solchen Extrem eines "Link-Verbots". Es ist aber unwahrscheinlich, das sich so etwas langfristig halten läßt, denn ein sich auf Normalnutzer erstreckendes Link-Verbot läßt einfach zu viele durch Facebook & Fußball abgelenkte Bürger aufwachen.

Die Haftbarkeit der Plattform-Betreiber für Urheberrechtsverstöße der Plattform-Nutzer wird dagegen allgemein als faktische Pflicht zur Installation von automatisch wirkenden Upload-Filtern verstanden – auch wenn der aktuell geplante Direktiventext selbige nirgendwo direkt erwähnt. Aber anders ist es wohl technisch nicht zu lösen, wenn von den Plattform-Betreibern "angemessene und verhältnismäßige Maßnahmen" gefordert werden, um die Verbreitung von urheberrechtlich geschützten Werken auf ihren Plattformen zu verhindern. An dieser Stelle drohen natürlich immense Kollateralschäden – von der automatisierten Löschung von Memes über häufige Falscheinschätzungen der Upload-Filter bis hin zu deren nachträgliche Benutzung durch die Politik zugunsten von Zensur-Maßnahmen. Sobald jene Upload-Filtern schließlich erst einmal existieren, dürfte es allen möglichen Interessengruppen in den Fingern jucken, diese technische Möglichkeit auch anzuzapfen.

Dabei wird eine andere hauptsächliche Auswirkung jener Upload-Filter bislang nur eher selten thematisiert: So etwas ist faktisch nur von Großkonzernen halbwegs sinnvoll zu leisten. Jedes normale Forum/Blog wäre jedoch vermutlich rechtlich genauso zu einem Upload-Filter gezwungen, gerade (aber nicht nur) wenn die Nutzer auch Bilddateien posten dürfen. Grob gesehen legen die sich aus der geplanten EU-Direktive ergebenden Upload-Filter den Plattform-Betreibern eine rechtliche & technische Hürde auf, welche eigentlich nur Kaliber wie Google & Facebook stemmen können. Was die Gerichte genau für "angemessen" halten, kann natürlich nicht vorhergesagt werden – aber auch wieder nur die großen Fische können sich die hiermit einhergehende Rechtsunsicherheit leisten. Angenommen, das ganze würde in dieser Form deutsches Recht, dürfte die allgemeine Empfehlung wohl dahingehend lauten, alle Foren sowie Kommentarmöglichkeiten umgehend entweder abzuschalten oder nur noch proaktiv zu moderieren (d.h. Freischaltung aller Kommentare nur nach vorheriger Sichtung).

Soweit zumindest die Aussichten basierend auf dem aktuellen Entwurf der kommenden EU-Direktive zur EU-Urheberechtsreform. Das ganze ist natürlich noch einiges davon entfernt, geltendes Recht zu werden – da kann noch einiges passieren, zumindest wird noch einiges an Zeit bis dahin vergehen. Die besonders krassen Folgen wie eine "Link-Steuer" sind eher wenig wahrscheinlich, denn mit der Breite der Internet-Nutzer wird man sich sicherlich nicht anlegen wollen – und dies ist ja auch nicht die Zielsetzung dieser Urheberechtsreform. Vielmehr will man den großen Verlagen neue Einnahmewege erschließen und dafür die großen Plattformen wie Google & Facebook zur Kasse bitten. Jene dürften wenig begeistert sein und sicherlich Mittel und Wege finden, sich allen drohenden Zahlungen zu entziehen – womit wiederum ein Gesetzeswerk zu befürchten ist, welches potentiell Stress für Normalbürger mit sich bringt, aber seine eigentliche Zielsetzung deutlich verfehlt.

Nachtrag vom 26. März 2019

Wie nicht unbedingt anders zu erwarten war, hat das EU-Parlament die umstrittene EU-Urheberrechtsreform nunmehr beschlossen, wie u.a. Netzpolitik und Telepolis ausführen. Damit steht nunmehr für die nationalen Parlamente die Aufgabe an, jene Reform ins jeweilige nationale Recht zu transformieren – dies dürfte dann das eigentliche Gefecht geben, denn in diesem Fall wird es dann kaum mehr funktionieren, sich hinter dem Stichwort "EU-Direktive" zu verstecken, wenn man vorher eigenaktiv in Brüssel (bzw. im Fall des EU-Parlaments in Straßburg) noch für die (unveränderte) Reform gestimmt hatte. Bei dieser Gelegenheit zeigt sich noch ein weiterer Irrsinn der ganzen Aktion: Wenn hierbei wirklich 28 teils unterschiedliche nationale Rechtslagen herauskommen – wie sollen dann selbst die großen Plattformen dies alles noch handeln können? Schon kleine Detail-Unterschiede, was an Nutzeruploads noch gestattet ist, würden die Plattformen letztlich dazu zwingen, für 28 EU-Staaten dann auch 28 (leicht) unterschiedliche Filter-Regeln zu etablieren.

In jedem Fall darf man gespannt sein, wie das konkrete bundesdeutsche Recht in dieser Frage aussehen soll – dann muß die Politik die Hosen runterlassen und zeigen, wie man sich die Praxis dieser Urheberrechts-Regelung wirklich vorstellt. Das es im EU-Parlament keinen schnellen Erfolg geben würde, war hingegen aufgrund der Mehrheitsverhältnisse (und eines kleinen Kuhhandels) kaum anders zu erwarten. Mit den kommenden nationalen Gesetzeswerken dürfte dann auch der Widerstand der Plattformen selber (deutlich) zunehmen, weil die nationalen Gesetzes dann zum einen konkreter sein müssen als die EU-Reform, zum anderen die Nationalstaaten für Facebook, Google & Co. doch einfach anzugehen sind als die EU im ganzen. Einem Nationalstaat können die großen Plattformen halt auch schon einmal mit Angebots-Stopp drohen, wenn vollkommen unsinnige Regelungen im Gespräch sind. Der Kampf hierum geht also weiter – und kann durchaus auch bis zu dem Punkt führen, wo dies alles noch einmal grundsätzlich in Frage gestellt wird. Denn was von der EU kommt, gilt zwar sicherlich erst einmal als bindend – was aber auch nicht bedeutet, das wirklich alles umgesetzt worden wäre, was jemals aus der EU kam.