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Zum Problem der Übertaktung ab Werk bei aktuellen Intel-Mainboards

Im Zuge der Launchreviews zu Intels Coffee-Lake-Generation haben Hardware.fr dankenswerterweise auf die Problematik der automatischen Übertaktung einiger aktueller Mainboards für Intel-Prozessoren hingewiesen, im speziellen wurde hierbei Mainboard-Hersteller Asus explizit negativ erwähnt. Auf dessen Platinen (nicht nur beschränkt auf die neuen Coffee-Lake-Prozessoren) ergibt sich oftmals der Effekt, das die CPUs schon in den Standardeinstellungen mit maximierten Turbo-Taktstufen betrieben werden, sprich beispielsweise beim Core i7-8700K ein AllCore-Turbo von 4.7 GHz anliegt. Zur Unterstützung dessen wird auch noch Intels TDP-Limit umgangen bzw. jenes vom Mainboard selbsttätig hochgesetzt. Als Besonderheit kam zuletzt auch noch eine automatische Übertaktung des Level3-Caches hinzu, welcher beim Core i7-8700K eigentlich auf dem Basetakt von 3.7 GHz laufen sollte, auf Asus-Mainboards nun aber mit gleich 4.4 GHz angesprochen wird. Speziell für das letztgenannte Overclocking-Feature konnten Hardware.fr einen Performanceeffekt von immerhin +3,8% unter Anwendungs-Benchmarks sowie +5,7% unter Spiele-Benchmarks ermitteln.

Leider sind nur die wenigsten der Launchreviews auf diese eigentlich von früheren Fällen her bereits bekannte Problematik direkt eingegangen. Bei den meisten Hardwaretests dürfte man sich per Zufall mittels eines standardmäßigen Mainboards aus der Affäre gezogen haben, bei einigen Hardwaretests ist auch zu vermuten, das die Tester die entsprechenden BIOS-Optionen selbsttätig korrekt gesetzt haben, ohne dies dann im Testbericht explizit zu erwähnen. Andererseits wird es auch Fälle gegeben haben, wo die Hardwaretester ganz bewußt die Standardoptionen des BIOS aktiviert und damit bei dem einen oder anderen Mainboards dann ganz automatisch danebengegriffen haben. Problematisch sind diesbezüglich laut den Informationen seitens Hardware.fr wohl alle Asus-Mainboards – was sich aber auch (wie gesagt) mit früheren Erfahrungen deckt.

Daneben wird ein ähnliches Verhalten auch von einem Gigabyte-Mainboard bei Lab501 gemeldet (AllCore-Turbo auf höchster Taktrate) – interessanterweise mit demselben Mainboard, welches bei Hardware.fr dann schon wieder als unbedenklich angesehen wurde (BIOS-Option vorhanden, aber standardmäßig deaktiviert). Gut möglich, das Lab501 bei ihrem Vorlaunch-Test ein Beta-BIOS im Einsatz hatten, wo diese BIOS-Option fehlerhafterweise standardmäßig aktiviert war. Und letztlich haben Tom's Hardware bei ihrem MSI-Mainboard noch sehr kuriose Benchmark-Resultate bemerkt (Core i7-8700K teilweise 2,5fach so schnell wie Core i7-7700K, ohne aber beachtbarem Ausschlag beim Core i7-7800X), konnten dies aber auch in Zusammenarbeit mit Intel und MSI bislang nicht abklären – der Verdacht auf fehlerhafte BIOS-Settings ist hier schon allein auf Basis der Benchmark-Werte ziemlich stark gegeben, auch wenn selbiges MSI-Mainboard bei anderen Hardwaretests dann wiederum problemlos zu funkioniert schien.

Selbst an den reinen Benchmark-Werten ergaben sich teilweise schon gewisse Verdachtsfälle: Wenn der Coffee-Lake-Sechskerner heftig schneller als der Kaby-Lake-Vierkerner war, gleichzeitig aber der Skylake-X-Sechskerner weiterhin stark zurückhing, dann funktionieren die zwei mehr CPU-Kerne augenscheinlich nicht als Erklärung für das gezeigte Performancebild. Ein gewisser Performancevorsprung des Core i7-8700K von Coffee Lake vor dem Core i7-7800X von Skylake-X ist zwar aufgrund der erheblichen Taktraten-Differenz normal, aber es darf auch nicht übermäßig werden – und insbesondere sollte Core i7-7800X von Skylake-X (bei der Anwendungs-Performance) doch gut sichtbar vor dem Core i7-7700K von Kaby Lake herauskommen, wie dies allen bekannten früheren Resultaten entspricht. Trifft dies nicht zu, dann liegt doch der Verdacht nahe, das hierbei Unsinn gemessen wurde – sprich mit Werksübertaktung bei Coffee Lake, potentiell gesehen sogar bei Kaby Lake.

Anwend.Perf. 7700K 8700K 7800X 1800X verdächtig? Mainboard Werks-OC aktiv?
AnandTech 100% 125,1% 116,4% 121,9% unverdächtig Gigabyte Z370 Gaming 7 unwahrscheinlich
ComputerBase 100% 118% 107% 114% unverdächtig Gigabyte Z370 Aorus Ultra Gaming unwahrscheinlich
Golem 100% 136,6% - 132,9% unverdächtig Gigabyte Aorus Z370 Gaming Ultra unwahrscheinlich
Hardware.fr 100% 132,5% - 133,9% unverdächtig Gigabyte Z370 Aorus Gaming 7 lt. Testbericht nicht aktiv
Hardware.info 100% 128,7% 117,8% 112,1% minimal ASRock Z370 Extreme 4 nicht sicher
HardwareCanucks 100% 146,6% - 129,1% klar verdächtig Asus Z370 Strix sehr wahrscheinlich
Hardwareluxx 100% 129,1% 118,7% 115,0% minimal ASRock Z370 Extreme4 unwahrscheinlich
Hot Hardware 100% 135,3% - 118,3% unsicher Gigabyte Z370 Gaming Ultra nicht sicher
Lab501 100% 141,2% 124,3% 131,9% verdächtig Gigabyte Aorus Z370 Ultra Gaming lt. Testbericht automatisch aktiv
Overclockers Club 100% 124,8% - 114,7% minimal MSI Z370 Gaming Pro Carbon AC nicht sicher
PC Games Hardware 100% 129,0% - 130,7% unverdächtig Asus Maximus X Hero lt. Testbericht manuell deaktiviert
PC Perspective 100% 130,4% - 115,9% minimal Asus Strix Z370-E Gaming nicht sicher
PCLab 100% 125,8% 103,7% 115,5% verdächtig Asus Maximus X Hero lt. Testbericht manuell deaktiviert
PurePC 100% 133,8% - 138,6% unverdächtig MSI 370 Gaming Pro Carbon AC unwahrscheinlich
SweClockers 100% 140,2% 129,3% 140,6% unverdächtig Asus ROG Strix Z370-F unwahrscheinlich
TechPowerUp 100% 122,2% - 111,5% unverdächtig ASRock Z370 Professional Gaming i7 unwahrscheinlich
TechSpot 100% 140,2% 130,2% 148,3% unverdächtig ASRock Z370 Taichi unwahrscheinlich
Tom's Hardware 100% 134,1% 96,4% 110,6% klar verdächtig MSI Z370 Gaming Pro Carbon AC lt. Testbericht kuriose Ergebnisse
Tweakers 100% 135,3% 130,1% - unverdächtig ASRock Z370 Extreme 4 unwahrscheinlich
WCCF Tech 100% 136,1% 120,6% 122,8% verdächtig ASRock Z370 Professional Gaming i7 nicht sicher

Betrachtet man sich die gesammelten Performance-Ergebnisse zum Coffee-Lake-Launch aus dieser Warte heraus, fallen doch einige Verdachtsfälle auf bzw. wurden zumindestens die Ergebnisse von Lab501 schon sicher als durch Werksübertaktung beschleunigt identifiziert. Andere Fälle kann es genauso gegeben haben, bei den Ergebnissen von Hardware Canucks und Tom's Hardware liegt der Verdacht hierzu jedenfalls sehr nahe. Dabei werden natürlich über die gesamten Testberichte gesehen die Differenzen immer etwas geglättet durch weniger stark skalierende Benchmarks. Den größten Effekt könnte eine solche Übertaktung ab Werk bei einem Testbericht haben, der nur mit wenigen und dafür aber gut skalierenden Benchmarks arbeitet – allerdings ziehen wir üblicherweise für unsere Performance-Auswertungen eher jene Testberichte mit umfangreichen Benchmark-Sets vor.

Gleichfalls gehen einzelne abweichende Testberichte natürlich ziemlich zuverlässig in der Masse unter, wenn man einfach nur viele Testberichte miteinander verrechnet. So ergeben sich kaum größere Abweichungen vom (maßvoll gewichteten) Performance-Durchschnitt aller 20 ausgewerteten Testberichte, wenn man beispielsweise Hardware Canucks, Lab501 und Tom's Hardware wegläßt (17 von 20 Testberichte) oder aber wenn man zusätzlich noch Hardware.info, Hot Hardware, Overclockers Club, PC Perspective & WCCF Tech wegläßt (12 von 20 Testberichte). Es gibt zwar Differenzen, aber jene bleiben zumeist im Rahmen von 1-2 Prozentpunkten, sind also gewiß nicht weltbewegend. Der einzige interessante Ansatz ist es daher, wenn man speziell gegen das Ergebnis der vorgenannten drei besonders unsicheren Testberichte (Hardware Canucks, Lab501 und Tom's Hardware) vergleicht – dann gibt es plötzlich doch beachtbare Differenzen:

Anwend.Perf. 7600K 7700K 8400 8600K 8700K 7800X 1500X 1600X 1700X 1800X
alle 20 Testberichte 75,4% 100% 94,5% 104,2% 130,6% 116,1% 75,5% 100,9% 115,8% 121,9%
17 von 20 Testberichte 75,5% 100% 94,4% 104,5% 128,9% 116,9% 76,0% 101,9% 117,0% 123,2%
12 von 20 Testberichte 75,2% 100% 95,4% 104,4% 128,5% 116,7% 77,0% 103,0% 118,4% 124,6%
HWCan, Lab501 & Tom's 74,0% 100% 94,9% 103,3% 139,0% 112,1% 73,9% 98,8% 114,6% 120,6%
17 von 20 Testberichte: ohne Hardware Canucks, Lab501 & Tom's Hardware
12 von 20 Testberichte: ohne Hardware.info, Hardware Canucks, Hot Hardware, Lab501, Overclockers Club, PC Perspective, Tom's Hardware & WCCF Tech

Denn es macht durchaus etwas aus, wenn man einen Core i7-8700K gemäß Hardware Canucks, Lab501 & Tom's Hardware um +15,3% gegenüber einem Ryzen 7 1800X vorn liegen sieht – oder ob es nur +4,6% sind, wie es bei den anderen 17 Testberichten der Fall ist. Angenommen, die drei vorgenannten Testberichte wären korrekt als Übertaktung ab Werk identifiziert (bei Lab501 ist dies wie gesagt sicher), dann würde jener Effekt die Intel-CPU in diesem Vergleich um immerhin +10,2% schönrechnen. Dies ist sicherlich kein kleiner Wert – und selbst wenn jener bei einer genaueren Betrachtung unter Offenlegung aller Benchmark-Bedingungen wieder etwas kleiner ausfallen sollte, handelt es sich hier schon um eine (potentiell) beachtbare Verfälschung von Prozessoren-Benchmarks, bei denen die Eigenheiten des benutzten Mainboards einen zu großen Einfluß auf das insgesamte Benchmark-Ergebnis genommen haben.

HWCan, Lab501 & Tom's 17 von 20 Testberichte
Core i7-8700K vs. Core i7-7700K +39,0% +28,9% Differenz: 7,8%
Core i7-8700K vs. Ryzen 7 1700X +21,3% +10,1% Differenz: 10,1%
Core i7-8700K vs. Ryzen 7 1800X +15,3% +4,6% Differenz: 10,2%

Wie gesagt muß dies alles derzeit unter das Vorzeichen "potentiell" gestellt werden, weil derzeit kaum explizite Benchmarks zur Frage vorliegen, was diese Mainboard-Übertaktung ab Werk konkret einbringt. Die vergleichsweise hohen Performance-Ergebnisse einiger Hardwaretests zum Coffee-Lake-Launch ergeben allein den Hinweis darauf, das es sich lohnen sollte, hierzu genauere Nachforschungen anzustellen – weil es sich eben (potentiell) nicht nur um ein paar Prozentpunkte handeln könnte, sondern (potentiell) in die Nähe einer knapp zweistelligen Performancedifferenz geht. Die Hardwaretester dürfen sich angesichts der vorstehend ausgebreiteten Ergebnisse also dazu aufgefordert sehen, ihre eigenen Performance-Werte auf etwaiges Overclocking ab Werk gegenzuchecken bzw. im besten Fall das Thema mit eigenen Artikeln aufzugreifen. Neue CPU-Tests sollten diese Problematik generell berücksichtigen – und sind eigentlich nur noch dann ernst zu nehmen, wenn die Hardwaretester explizit notieren, alle entsprechenden BIOS-Optionen gecheckt bzw. im Fall des Falles deaktiviert zu haben.

Daneben sollte im allgemeinen Intel langsam aber sicher einmal eingreifen und den Mainboard-Herstellern diese Übertaktung ab Werk bzw. das standardmäßige Aktivieren der entsprechenden BIOS-Optionen untersagen. Alle Marktteilnehmer sind eigentlich lange genug dabei, um zu wissen, das so etwas überhaupt nichts bringt außer einem sinnlosen Wettbewerb in die falsche Richtung hin – der am Ende so oder so mit einem großen Knall endet, wenn irgendwann der Punkt der Übertreibung erreicht ist. Dabei dürfen solcherart BIOS-Optionen seitens der Mainboard-Hersteller gern angeboten werden – aber dies per default deaktiviert, so das "out-of-the-box" immer erst einmal der klare, spezifikationsgerechte Standard-Betrieb gewährleistet werden kann.

Nachtrag vom 10. Oktober 2017

Von Golem und der ComputerBase kommen Bestätigungen dafür, das deren Hardwaretests von Intels Coffee Lake frei von irgendwelchen Auto-Overclocking-Optionen der benutzten Mainboards sind. Wie dabei (völlig korrekt) erklärt wurde, gibt es dieserart Funktionen schon seit einiger Zeit – und daher wird dies auch seit einiger Zeit ganz automatisch beachtet. Etwas anderes war von diesen Publikationen auch nicht zu erwarten – die meistens Hardwaretester dürften hierüber Bescheid wissen und dieserart Funktionalitäten ohne großes Aufsehen deaktivieren. Dies trifft auch auf den Test von Tom's Hardware zu, welcher zu den drei besonders auffallenden Hardwaretests beim Coffee-Lake-Launch gehörte. Dabei war generell auch von Tom's Hardware anzunehmen, das man solcherart Auto-OC-Features beachtet und entsprechende deaktiviert (was nunmehr auch bestätigt wurde) – das Problem dieses Tests lag vielmehr in teilweise sehr kuriosen Benchmark-Resultaten, was auch Tom's Hardware schon angemerkt hatten. Speziell in diesem Test dürfte also nicht das (nominell deaktivierte) Auto-OC für die kuriosen bis unglaubwürdigen Benchmark-Resultate verantwortlich sein, sondern wohl eher eine Eigenheit oder auch ein Fehler des benutzten Mainboards vorliegen.

Am Ende könnten hier tief im BIOS versteckt andere Einstellungen anliegen als jene, welcher der Benutzer sehen und ändern kann – anders ist es jedenfalls kaum zu erklären, wenn in einzelnen Tests ein Core i7-8700K teilweise 2,5fach so schnell wie ein Core i7-7700K herauskommt, ohne aber einen beachtbaren Ausschlag beim Core i7-7800X zu zeigen (oder aber wenn die 65W-CPU Core i7-8700 "ohne K" der 140W-CPU Core i7-7800X ganz dramatisch davonrennt). Genau dieses kuriose Verhalten bei Taktraten (teilweise lag klar mehr Takt an, als es hätte sein dürfen) und daraus resultierenden Benchmarks wurde von Tom's Hardware in deren Testbericht schon selbst thematisiert, gleichfalls noch eine (erfolglose) Klärung bei Intel und dem Mainboard-Hersteller versucht – mehr kann man da als Hardwaretester unter Termindruck erst einmal nicht machen. Dem Coffee-Lake-Launchreview von Tom's Hardware sollen hiermit also keine Fehler beim Testprozedere nachgesagt werden – allein die erzielten Benchmark-Ergebnisse sind einfach zu kurios, um mit anderen Testergebnissen verrechnet zu werden. Und generell gesprochen darf an dieser Stelle lobend erwähnt werden, wie schnell und gründlich speziell die deutschsprachigen Hardwaretester auf diese Problematik mit eigenen Klarstellungen reagiert haben.