Die Aussage, daß heutzutage nur noch Mist produziert wird und früher doch alles besser war, ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit selber und wird eigentlich durchgehend auf alles verwandt – so natürlich auch auf die Entwicklung bei Computerspielen, wo nach Meinung vieler Spieler heutzutage nur noch formelhafte Titel entwickelt werden, welche jeglichen Neuheitsgehalt und damit Spannung und Atmosphäre vermissen lassen. Und natürlich stimmt diese Aussage immer nur zum Teil, da gern der "Schrott" aus vergangenen Zeiten vergessen und sich nur noch an die interessanten Titel erinnert wird, genauso auch wie die großartigen technischen Fortschritte der letzten Jahre gleich als selbstverständlich angenommen werden.
Und dennoch haben solche Aussagen zumeist einen wahren Kern, beschreiben sie doch eine praktische Beobachtung: Ja, es ist richtig, daß uns derzeit kaum noch Spiele richtig vom Hocker reißen und genauso auch ist richtig, daß die Spieleentwickler lieber auf die vierte ausgelutschte Fortsetzung mit großem Budget setzen als auf drei kleine neue Ideen mit kleinerem Budget. Doch für beides gibt es Begründungen: Daß es die Spieleentwickler lieber mit Fortsetzungen probieren, hängt einfach an deren kalkulierbaren Risiko bzw. dem nahezu sicher einzufahrbaren Gewinn bei einem halbwegs guten Spiel. Und daß es kaum noch die bahnbrechenden Kracher gibt, hängt maßgeblich daran, daß die Computerspieleindustrie aus ihren Anfangsjahren heraus ist und damit die meisten bahnbrechenden Entwicklungen schon gemacht sind – und daß man so etwas nicht beliebig wiederholen kann.
Beispielsweise den Effekt, ein vorher mit Klötzengrafik bekanntes Spiel zum ersten mal Hardware-beschleunigt und mit sauberen Texturen zu sehen (beim Verfasser war dies Forsaken Ende der 90er), wird man nur einmal erleben – alle Aha-Erlebnise bezüglich einer besseren Grafik werden danach immer kleiner ausfallen, weil nichts vergleichbar ist mit diesem ersten großen Schritt. Bezogen direkt auf Spieleideen bedeutet dies: Der erste Egoshooter und die erste Echtzeitstrategie haben sich unauslöschbar in unsere Synapsen gebrannt und sind bezüglich des Neuheitswert von nichts zu schlagen, was jetzt oder später jemals erscheinen wird. So etwas – regelrecht neue Genres und totale Aha-Erlebnisse bezüglich Grafik oder/und Spielprinzip – zu fordern, ist heutzutage übertrieben: Auch die Spielebranche kann nicht jedes Jahr das Rad gänzlich neu erfinden – daß die Entwicklungsschritte also kleiner geworden sind und kleiner werden, ist der Lauf der Welt und keine böse Absicht.
Und dennoch erstaunt es, wenn sich am Markt Spieleproduktionen mit teilweise hohem Budget einfinden, welche trotz der inzwischen angesammelten Erfahrung der Entwickler gerade in vielen einfachen Punkten patzen. Teilweise ist nicht einmal das Problem, daß ein Spiel keine neuen Ideen mitbringt – sondern daß die alten Ideen schwach umgesetzt wurden. Und das ist dann schon ein sehr erstaunlicher Punkt: Ganz offenbar wissen einige Spieleentwickler nicht, weshalb ihre früheren Titel funktioniert haben – und wissen daher auch nicht, was man unbedingt in Nachfolgeprojekte übernehmen muß, um auch den Spielspaß mit zu übernehmen. Oder kurz formuliert: Einige Spieleentwickler scheinen schlicht nicht zu wissen, was wirklich "cool" in ihren Spielen ist.
Dies muß natürlich mit Beispielen untermauert werden – nichts leichter als das:
Gerade dieser Fall zeigt doch, daß es geht und daß oftmals keine weltbewegenden Änderungen am Spiel notwendig sind, um diesen den Spielspaß zu geben. Ganz offensichtlich bekommen es die Spieleentwickler oftmals aber nicht gebacken, ihren Spielen wirklichen Spielspaß einzuimpfen. Dies mag möglicherweise daran liegen, daß man nach einer langen Entwicklungszeit faktisch betriebsblind gegenüber dem eigenen Produkt ist, manchmal ist auch schon der konzeptionelle Ansatz gänzlich falsch.
In jedem Fall liegt hier ein vermeidbarer Fehleransatz vor – welcher zukünftig von den Spieleentwickler auch vermieden werden sollte. Diese müssen sich mehr darum kümmern, daß das Endprodukt auch wirklich Spaß macht – ein Punkt, welcher sich aus keiner noch so guten Vorkonzeption automatisch ergibt. Vielmehr darf sogar gelten, daß das konzeptionell vielversprechendste Spiel durch einfache Fehler keinen Spielspaß bringen kann, während eine klug durchgezogene Durchschnittsware ohne besonderen Neuheitswert mit den richtigen Kniffen ein großartiger Spielspaß-Kracher sein kann.
Gebraucht werden bei den Spieleentwicklern also Mittel, Wege und Personen, um die Entwicklung eines Spiels ab der Ausarbeitung eines konkreten Spielkonzepts bis hin zum Finalisieren der Gold-Version immer wieder unter dem Blickwinkel des Spielspaßes gegenzuprüfen. Hierfür wird man natürlich auch erst einmal jede Menge an Datenmaterial benötigt, an Hand dessen man eine solide Wissensbasis erhält, welche einzelnen Features vergangener Spiele bei den Spielern angekommen sind und welche nicht. Je mehr Daten man hierzu zusammenträgt und je genauer diese sind, um so einfacher sind dann banale Fehler bezüglich des Spielspaßes zu vermeiden – und dies ohne größere Zusatzkosten bei der Spielentwicklung.
Letztlich ist es damit machbar, das nahezu optimale aus jedem Spielkonzept herauszuholen – selbst aus diesen Spielkonzepten, welche nicht besonders originell sind. Der Verfasser dieser Zeilen würde sich jedenfalls – aus seiner subjektiven Sicht – sehr freuen über mehr Shooterspiele, wo einfach das herzliche Ballern im Vordergrund steht und mehr Autorennspiele, wo der Spaß am Rasen erlebbar ist. Es geht für die Spieleentwickler ergo darum, daß zuerst einmal die Basics richtig gut umgesetzt werden – was absolut machbar ist, wenn man das Problem erst einmal akzeptiert und dann konsequent daran arbeitet.