Launch-Analyse AMD Ryzen 3000 (Seite 3)

Sonntag, 14. Juli 2019
 / von Leonidas
 

Mittels Übertaktung ändert sich dann allerdings so gut wie gar nichts an der hiermit aufgezeigten Performance von Rzyen 3000 – die neuen AMD-Prozessoren bieten faktisch schon ab Werk nahezu das Maximum an Performance auf, welches im normalen Einsatz und ohne exotische Kühl-Konstruktionen und anderer Übertaktungs-Modifikationen erreichbar ist. Sehr erhellend hierzu sind die Benchmarks seitens TechPowerUp, welche ihr komplettes Testset mit dem Ryzen 7 3700X auch unter AMDs automatischer Übertaktungs-Funktion "Precision Boost Overdrive" (PBO) sowie unter manueller Übertaktung durchlaufen lassen haben. Dabei ergab sich, das PBO mehr oder weniger gar nichts bringt – das Feature dürfte vermutlich nur unter einer viel besseren Kühlung irgendwelche Performance-Gewinne ausspucken. Aber auch die manuelle Übertaktung war wenig ergiebig, wobei in diesem Fall der Ryzen 7 3700X (nominell 3.6/4.4 GHz) auf durchgehend 4.25 GHz getaktet wurde. Dies reichte unter den Anwendungs-Benchmarks für +3,2% Mehrperformance, unter den Spiele-Benchmarks (720p Avg. fps) für +1,5% – was beiderseits den Aufwand samt Garantieverlust sicherlich nicht wert ist.

Zudem verliert man beim manuellen Übertakten in einigen Benchmarks sogar an Performance, denn bei Last auf wenigen CPU-Kernen könnte der unübertaktete Prozessor natürlich höher boosten (maximal 4.4 GHz beim Ryzen 7 3700X, maximal 4.6 GHz beim Ryzen 9 3900X), als wenn man selbigen fest auf 4.25 GHz betreibt. Demzufolge sind auch manche Übertaktungstests mit "Erfolgsbestätigungen" rein unter Cinebench & Co. etwas kritisch zu sehen, weil hierbei jeweils nur der Bestcase ausgemessen wurde. Über ein breites Benchmarkfeld werden jedoch Übertaktungen, die unterhalb des maximalen Boost-Takts liegen, zwingend auch hier und da Performance-Verluste einstecken müssen. Ob es sich lohnt, unter einigen Multithreading-Benchmarks ca. 5% Mehrperformance einzufahren, dann jedoch bei anderen Benchmarks mit Last auf wenigen Kernen ein paar Prozentpunkte einzubüßen, darf jeder selber entscheiden. Abgesehen vom kaum vorhandenen Performancegewinn (über ein breites Testset) sprich hiergegen auch noch der (deutlich) höhere Strombedarf unter Übertaktung.

Großartig andere Übertaktungs-Ergebnisse haben sich dann nicht eingestellt, üblicherweise reicht es für stabile 4.3 GHz – wer bei Ryzen 3000 mehr schafft, ist damit schon ein Glückspilz in der Silizium-Lotterie. Generell kann man somit sagen, das sich Übertakten auf Ryzen 3000 überhaupt nicht mehr lohnt, wenn damit nicht einmal der maximale Boosttakt erreicht werden kann respektive der Performancegewinn im niedrigen einstelligen Prozentbereich verbleibt. An dieser Stelle schlägt sich AMD ein weniger selber, denn die dynamische Hochtaktungs-Funktion "Precision Boost 2" (nicht zu verwechseln mit der Übertaktungs-Funktion "Precision Boost Overdrive") ist augescheinlich nunmehr derart ausgefeilt, das nahezu jeder Taktratenspielraum von den Ryzen 3000 Prozessoren somit gleich schon im Werkszustand realisiert wird. Der Overclocking-Spaß entfällt damit bei Ryzen 3000 mehr oder weniger grundsätzlich – abgesehen nur von extremen Übertaktungs-Versuche (mit entsprechendem Equipment).

In diesem Sinne kann zu den derzeit kaum bzw. gar nicht getesteten Ryzen 5 3600X und Ryzen 7 3800X der Verdacht geäußert werden, das jene durchaus ihre Probleme haben könnten, beachtbar mehr Performance als Ryzen 5 3600 und Ryzen 7 3700X zu liefern. Jene Prozessoren-Pärchen treten jeweils zur gleichen Technik und nur mit höheren Taktraten an, wobei die Taktraten-Differenz mit jeweils ca. 200 MHz vergleichsweise mager ist, hinzu kommt jeweils noch eine höhere TDP. Doch ganz unabhängig der sowieso geringen Taktraten-Differenz zeigen die Funktionsweise von "Precision Boost 2" samt der Essenz der Übertaktungsergebnisse darauf hin, das sich hier sowieso kaum etwas bewegen sollte – weil die neuen AMD-Prozessoren sich schon im default-Betrieb automatisch sehr nahe an ihr Maximum takten. Ein technisch gleicher Prozessor nur mit nominell höheren Taktraten sollte in einem System wie bei "Precision Boost 2" eigentlich keine höheren Taktraten erreichen können, jedenfalls nicht um einen bedeutsamen Unterschied. Gut möglich also, das die wenigen vorliegenden Benchmarks zwischen Ryzen 5 3600 & 3600X keine Ausreißer darstellen und diese nur etwas höher getakteten Ryzen 3000 Prozessoren letztlich keinen Sinn ergeben. Dies müssen ausführliche Tests zu Ryzen 5 3600X und Ryzen 7 3800X dann noch herausfinden.

Beim (für die default-Performance) notwendigen Stromverbrauch schlägt sich Ryzen 3000 ganz vernünftig, hat aber (wie zuletzt auch Intel) ein klares Problem, die gesetzten TDP-Klassen einzuhalten: Der Ryzen 7 3700X mit einer offiziellen TDP von 65 Watt verbraucht unter heftiger Last eher 90-100 Watt, der Ryzen 9 3900X mit einer offiziellen TDP von 105 Watt dann eher 130-150 Watt. Gegenüber Intels jeweiligen Counterparts ist dies aber immer noch ganz vernünftig, denn der Core i7-8700K verbraucht bei einer TDP von 95 Watt eher denn 110-130 Watt, der Core i9-9900K bei der gleichen TDP dann schon 150-200 Watt (bei sehr schwankenden Werten). Im direkten Vergleich liegt AMD beim Stromverbrauch somit aber natürlich trotzdem deutlich vorn, sowohl Performance-, als auch Preis- oder Technik-normiert. Die alte Mär vom höheren Stromverbrauch auf AMD-Prozessoren (welche sich eigentlich schon mit den ersten Ryzen-Prozessoren erledigt hatte), kann somit glatt umgeschrieben werden – nunmehr bietet AMD bei diesen Spitzenmodellen sogar den besseren Stromverbrauch an, zuzüglich von mehr Performance und mehr CPU-Kernen.

Stromverbrauch R7-1800X R7-2700X R5-3600 R7-3700X R9-3900X i7-7700K i7-8700K i7-9700K i9-9900K
AnandTech 117W 117W - 90W 142W 95W 151W 124W 168W
ComputerBase (Prime95) 119W 136W 90W 90W 131W 109W 131W - 211W
Hardware.info (Cinebench) 119W 139W - 90W 144W - 75W 110W 144W
Hardwareluxx (Cinebench) - 152W - 98W 155W 66W 114W 132W 188W
TDP 95W 105W 65W 65W 105W 95W 95W 95W 95W
Meßwerte der reinen CPU, allerdings teilweise unter extrem fordernden (nicht alltagsgebräuchlichen) Benchmarks

Dennoch mag es dem Puristen nicht gefallen, das die TDP-Werte derart deutlich gerissen werden, sowohl von Intel als auch von AMD. Die Bedeutung dieser offiziellen Angaben wird total ausgehöhlt, wenn sich keinerlei Meßwerte finden lassen, die hierzu passen – und alle Meßwerte unter wirklichen Lasten dann deutlich höher ausschlagen. Leider machen beide CPU-Entwickler hier dieselben "Falschangaben" bzw. getrauen sich wohl nicht, als erster ehrliche TDP-Werte anzugeben. Jene würden Ryzen 7 1800X, Ryzen 7 2700X, Core i7-8700K und Core i7-9700K in eine TDP-Klasse von 125 Watt verschieben (von bisher 95/105 Watt ausgehend). Ryzen 5 3600 und Ryzen 7 3700X gehören dagegen eher in die 95-Watt-Klasse (anstatt die 65-Watt-Klasse), der Ryzen 9 3900X in eine neue 150-Watt-Klasse (anstatt die 105-Watt-Klasse) und der Core i9-9900K in die 180-Watt-Klasse (anstatt der für diese CPU völlig unpassenden 95-Watt-Klasse). Es spielt wirklich keine Rolle, wenn dann der eine oder andere Test gefunden werden kann, welcher einen noch etwas höheren Stromverbrauch als mittels dieser (hypotetischen) TDP-Klasse vorgegeben ermittelt – aber es kann einfach nicht sein, wenn diese Prozessoren bei jedem einzelnen Lasttest massiv über ihrer (derzeit) festgesetzten TDP herauskommen.

In der Endabrechnung spielt dieser Schönheitsfehler natürlich keine Rolle, hier hat AMD dagegen jedoch die faktisch fehlende Übertaktung-Eignung als Makel zu beklagen. In allen anderen Punkten ist man dagegen entweder minimal zurückhängend bis grob gleich (Spiele-Performance), deutlich schneller (Anwendungs-Performance), deutlich potenter (CPU-Kerne & -Threads) zu gleichwertigem bis niedrigerem Stromverbrauch und letztlich auch noch besseren Preislagen. Angesichts dessen, das geringe Differenzen in der Spiele-Performance keinerlei praktische Bedeutung haben (5% Differenz bei einer Minimum-Framerate bedeuten einen Unterschied von 38 zu 40 fps, und dies dann natürlich nur in Bruchteilen der gesamten Spielzeit), kann das gesamte Performance-Bild von AMDs Ryzen 3000 gegenüber Intels Coffee-Lake-Prozessoren als "manchmal nur gleichwertig, meistens aber deutlich besser" heruntergebrochen werden. AMD gewinnt diesen Wettstreit also mit fliegenden Fahnen – und dies im groben Maßstab nicht nur bei den kleineren Modellen des Angebots-Portfolios, sondern nunmehr auch bei den absoluten Spitzen-Modellen. Intel hat derzeit keinen einzigen Prozessor, welcher Ryzen 3000 wirklich gewachsen wäre – wenn, dann nur in Einzel-Disziplinen, aber nicht im Gesambild.

Kerne Takt TDP Anwend. Spiele Verbr. Liste Straße
Ryzen 9 3900X 12C/24T 3.8/4.6 GHz 105W 127,5% 101,8% 120-150W 499$ ab 529€
Core i9-9900K /F 8C/16T 3.6/5.0 GHz 95W 97,7% 108,2% 150-200W 499$ ab 488€
Core i9-9900 8C/16T 3.1/5.0 GHz 65W ? ? ? 449$ ab 505€
Ryzen 7 3800X 8C/16T 3.9/4.5 GHz 105W ? ? ? 399$ ab 429€
Core i7-9700K /F 8C/8T 3.6/4.9 GHz 95W 81,3% 106,8% 110-130W 385$ ab 375€
Core i7-8700K 6C/12T 3.7/4.7 GHz 95W 76,5% 101,5% 120-150W 370$ ab 369€
Core i7-9700 /F 8C/8T 3.0/4.7 GHz 65W ? ? ? 335$ ab 342€
Ryzen 7 3700X 8C/16T 3.6/4.4 GHz 65W 100% 100% 90-100W 329$ ab 343€
Core i7-8700 6C/12T 3.2/4.6 GHz 65W ? ? ? 312$ ab 297€
Core i5-9600K /F 6C/6T 3.7/4.6 GHz 95W ~59% ~97% ? 263$ ab 220€
Ryzen 5 3600X 6C/12T 3.8/4.4 GHz 65W ? ? ? 249$ ab 259€
Core i5-9600 /F 6C/6T 3.1/4.6 GHz 65W ? ? ? 224$ ab ~250€
Core i5-9500 /F 6C/6T 3.0/4.4 GHz 65W ? ? ? 202$ ab 208€
Ryzen 5 3600 6C/12T 3.6/4.2 GHz 65W ~79% ~96% 90-100W 199$ ab 207€
Core i5-9400 /F 6C/6T 2.9/4.1 GHz 65W ~52% ? ? 182$ ab 148€

Das AMD-interne Bild gegenüber Ryzen 2000 sieht dann nochmals besser aus: Im groben Maßstab ist schon das kleinste Neu-Modell (Ryzen 5 3600) ähnlich stark wie das größte Alt-Modell (Ryzen 7 2700X), zu natürlich deutlich niedrigerem Preispunkt. Während nach dem Launch von Ryzen 2000 die vorherigen Ryzen-1000-Modell nach (kräftigen) Preissenkungen sich noch weiter im Markt halten konnten, wird dies nach dem Launch von Ryzen 3000 deutlich schwieriger. Die neue CPU-Generation entwertet die bisherigen Zen-Prozessoren doch ziemlich klar, selbige müssten bei den Preislagen eigentlich durchgehend unterhalb des Ryzen 5 3600 neu angesiedelt werden. Was AMD hierzu plant, ist noch nicht wirklich heraus, aber in jedem Fall sollten sich für alle noch im Markt befindlichen Ryzen 1000/2000 Prozessoren demnächst entweder deutliche Preissenkungen oder aber klare Abverkaufspreise ergeben – wo man dann vielleicht auch außerhalb von Ryzen 3000 noch ein Schnäppchen machen kann. Davon abgesehen ist derzeit Ryzen 3000 glasklar die erste CPU der Wahl – in einer selten so klaren und so durchgehenden Überlegenheit gegenüber allen anderen Angeboten.