Launch-Analyse Intel Comet Lake (Seite 4)

Sonntag, 14. Juni 2020
 / von Leonidas
 

In der Summe der Dinge hat Intel mit Comet Lake bzw. der Core i-10000 Serie durchaus einen kräftigen Schritt nach vorn gemacht, selbst wenn man dafür weiterhin bekannte Architekturen und "alte" Fertigungsverfahren bemüht. Intel musste hierbei sicherlich die letzten Reserven aktivieren, sowohl im Bereich der Spitzenmodelle als auch (vor allem) im Bereich des weiteren Angebots-Portfolios. Der Lohn der Mühen ist dann immerhin, das AMDs Zen 2 nicht mehr so deutlich vor Intels Prozessoren steht – wie dies im Vergleich zum Coffee Lake Refresh bzw. der Core i-9000 Serie noch der Fall war, nunmehr im Vergleich zur Core i-10000 Serie jedoch zu nahezu ausgeglichenen Performance-Ergebnissen führt. AMD behält dabei zwar seine Stärke bei der Anwendungs-Performance, aber Intel ist nun rein von den Performance-Werten her nahe genug dran – und hat weiterhin seine (sogar noch etwas ausgebaute) Stärke bei der Spiele-Performance.

Einen gewaltigen Strich durch die Rechnung macht sich Intel dann aber höchstselbst über seine Preisgestaltung. Sicherlich, gegenüber Intels eigenen Vorgänger-Modellen gibt es ein besseres Performance/Preis-Verhältnis – aber gegenüber AMD ist Intel erneut nur zweiter Sieger in dieser (entscheinenden) Disziplin. Die Performance/Preis-Verhältnisse unter der Spiele-Performance sind dabei nicht maßgebend, da primär auf die zu geringe Skalierung der Spiele-Performance reagierend. Doch bei den Performance/Preis-Verhältnisse unter der Anwendungs-Performance kauft AMD Intel durchgehend den Schneid ab – besonders bezeichnend beim Vergleich zwischen Core i9-10900K und Ryzen 9 3900X, welchen AMD sowohl bei reiner Kern-Anzahl als auch Anwendungs-Performance, Straßenpreis und daraus resultierendem Performance/Preis-Verhältnis gewinnt. Wer danach schaut, sein Geld möglichst effektiv zu investieren und dabei nicht gerade alleinig auf eine höchstmögliche Spiele-Performance schaut, ist bei AMD nach wie vor besser bedient – daran hat auch Comet Lake nichts geändert.

Intels Problematik ist nach wie vor, das man wegen der Schwierigkeiten mit der eigenen 10m-Fertigung gegenüber der einstmals geplanten Roadmap um Jahre zurückliegt und somit nunmehr inzwischen schon mehrere ungeplante Zwischen-Generationen auf selber Architektur und Fertigungsverfahren einschieben musste. Dass AMD dann gleichzeitig auch noch mittels Zen 1 stark vorlegte und mittels Zen+ sowie Zen 2 ebenso stark nachlegte, war einfach zu viel zu schultern – selbst für Intel. Dass Intel es überhaupt hinbekommen hat, trotz technologischer Limitationen so nahe an AMD heranzukommen, ist eher aller Ehren wert. Und für Intel-Fan wird mittels Mehrkernen bzw. Mehrthreads, hohen Taktraten sowie erneuter Spitzen-Position bei der Spiele-Performance durchaus etwas geboten, schlecht sind die Prozessoren der Core i-10000 Serie sicherlich nicht. Nur hat AMD eben derzeit die besseren Voraussetzungen mittels moderner Architektur und überlegenem Fertigungsverfahren – und kommt damit logischerweise (mehrheitlich) vor Intel heraus, dies ist bei dieser klaren Ausgangslage einfach der Lauf der Welt.

Dabei liegt das eigentliche Dilemma für Intel eher sogar darin, das der Ofen nunmehr wirklich aus ist. Mittels Comet Lake geht die Skylake-Architektur in ihre letzte Iteration, Intels nachfolgende Prozessoren-Generationen werden dann (endlich) neue CPU-Architekturen (auf Basis von Intels "Cove" CPU-Kernen) bieten. Dennoch drohen neue, erhebliche Handicaps: Der direkte Comet-Lake-Nachfolger "Rocket Lake" (2021) wird nur 8 CPU-Kerne aufbieten und dürfte als 14nm-Backport auch nicht unbedingt große Sprünge bei den Silizium-Eigenschaften hergeben. Der Rocket-Lake-Nachfolger "Alder Lake" (2022) soll dann zwar endlich auf die 10nm-Fertigung wechseln, wird aber wieder nur 8 große CPU-Kerne mitbringen – nebst 8 kleinen CPU-Kernen im big.LITTLE-Design. Technologisch ist dies sicherlich hochinteressant, aber wirklich zielführend gegenüber AMDs aktuellen Angeboten erscheint dies auch nicht unbedingt. Und AMD wird zu diesen Terminlagen dann schon mit Zen 3 und Zen 4 operieren – womit die Vermutung geäußert werden darf, das die eigentlich schwierige Zeit für Intel erst noch bevorsteht.

IPC-Gewinn höchste Taktraten üblicher OC-Takt
Core 2   (2007, 65nm) - 2.66 GHz ~3.2 GHz
Core 2 Refresh   (2008, 45nm) +9% 3.0 GHz ~4.0 GHz
Nehalem   (2008, 45nm) +31% (inkl. HT) 3.2/3.46 GHz ~3.8 GHz
Sandy Bridge   (2011, 32nm) +15% 3.5/3.9 GHz ~4.5 GHz
Ivy Bridge   (2012, 22nm) +6% 3.5/3.9 GHz ~4.5 GHz
Haswell   (2013, 22nm) +8% 3.5/3.9 GHz ~4.4 GHz
Haswell-Refresh   (2014, 22nm) - 4.0/4.4 GHz ~4.6 GHz
Broadwell   (2015, 14nm) ~5% 3.3/3.7 GHz ~4.2 GHz
Skylake   (2015, 14nm) +8% (zu Haswell) 4.0/4.2 GHz ~4.5 GHz
Kaby Lake   (2017, 14nm) - 4.2/4.5 GHz ~4.8 GHz
Coffee Lake   (2018, 14nm) - 4.0/5.0 GHz (6C) ~4.9 GHz (6C)
Coffee Lake Refresh   (2018, 14nm) - 3.6/5.0 GHz (8C) ~5.1 GHz (8C)
Comet Lake   (2020, 14nm) - 3.7/5.3 GHz (10C) ~5.1 GHz (10C)
ohne Prozessoren der X/E-Plattformen bzw. oberhalb 500$ Listenpreis; Taktraten-Angabe generell für Vierkerner (oder besser, wenn verfügbar)

Aber dies ist Zukunftsmusik, die sich natürlich auch noch ändern kann bzw. möglicherweise ganz anders entblättert, als derzeit (auf Basis unvollständiger Informationen) vermutet wird. Aktuell hat Intel mittels Comet Lake bzw. der Core i-10000 Serie ein durchaus passables Produkt vorgelegt, welches bei der Anwendungs-Performance erstaunlich nahe an AMDs Zen 2 herankommt, respektive bei der Spiele-Performance die übliche Intel-Stärke zeigt. Dafür ist es mit der Übertaktungseignung inzwischen nicht mehr weit her und muß man (im Spitzen-Bereich) auch mit einem kräftigen Stromverbrauch kalkulieren. Am meisten werden Comet Lake in der Verkaufspraxis allerdings die Preislagen zu schaffen machen, denn da Intels Prozessoren üblicherweise etwas oberhalb ihres Listenpreises rangieren und AMDs Prozessoren derzeit klar unterhalb dessen angeboten werden, ergibt sich ein teilweise erheblicher und vor allem durchgehender Performance/Preis-Vorteil zugunsten von AMD.

AMD Zen 2 Straßenpreis Intel Comet Lake
16C/32T, 3.5/4.7 GHz   ~128%   ~87%   Ryzen 9 3950X ab 736 Euro
ab 519 Euro Core i9-10900KF   100%   100%   10C/20T, 3.7/5.3 GHz
ab 454 Euro Core i9-10900F   ca.92%   ca.96%   10C/20T, 2.8/5.2 GHz
12C/24T, 3.8/4.6 GHz   106%   88%   Ryzen 9 3900X ab 409 Euro
ab 377 Euro Core i7-10700KF   85%   ~97%   8C/16T, 3.8/5.1 GHz
ab 329 Euro Core i7-10700F   ca.82%   ca.95%   8C/16T, 2.9/4.8 GHz
8C/16T, 3.9/4.5 GHz   85%   88%   Ryzen 7 3800X ab 309 Euro
8C/16T, 3.6/4.4 GHz   83%   86%   Ryzen 7 3700X ab 285 Euro
ab 250 Euro Core i5-10600KF   68%   91%   6C/12T, 4.1/4.8 GHz
ab 228 Euro Core i5-10600   ca.66%   ca.89%   6C/12T, 3.3/4.8 GHz
ab 200 Euro Core i5-10500   ca.63%   ca.87%   6C/12T, 3.1/4.5 GHz
6C/12T, 3.8/4.4 GHz   70%   83%   Ryzen 5 3600X ab 199 Euro
ab 168 Euro Core i5-10400F   ~60%   ~85%   6C/12T, 2.9/4.3 GHz
6C/12T, 3.6/4.2 GHz   67%   82%   Ryzen 5 3600 ab 166 Euro
Performance-Angaben: 1. Anwendungs-Performance, 2. Spiele-Performance (99th percentile)
mit "ca." gekennzeichnete Performance-Werte stellen reine Schätzungen dar; Straßenpreise: AMD durchgehend boxed, Intel das jeweils günstigste (zumeist tray)

Ironischerweise ist der Preis zwar einer der wenigen Punkte, an welchem man auch nach einem Produktlaunch noch etwas ändern könnte. Allerdings sollte man sich diesbezüglich keinen großen Hoffnungen hingeben: Abgesehen von einem kleineren Rückgang der Straßenpreise bei einem aufkommenden Preiswettbewerb der Einzelhändler nach Erlangung der vollen Lieferbarkeit sind von Intel traditionell keine Preissenkungen zu erwarten. Jene wären auch für Intels insgesamtes Geschäft eher kontraproduktiv, da man somit auch die Preise für das OEM-Geschäft absenkt (jene werden über zumeist feststehende Rabatte auf die Listenpreise gebildet), wo Intel jedoch fest im Sattel sitzt und keineswegs irgendwelche Preisnachlässe benötigt. Da Intel auch derzeit noch kaum so viel produzieren kann, wie man ausliefern könnte, muß Intel das krasse Verkaufsverhältnis im Retail-Markt von teilweise 10 AMD-Prozessoren gegenüber einem Intel-Prozessor nicht wirklich stören. Eventuell aber kann Comet Lake dieses Verkaufsverhältnis auch wieder etwas zugunsten von Intel abmildern, mittels eines guten zweiten Platzes kommt man inzwischen ausreichend nahe AMDs Zen 2 heran.