Wettbewerb in der IT-Branche: Lug und Trug (2)

Sonntag, 21. Juni 2009
 / von Armaq
 

Der Fall Intel

Die Kommission hat bisher festgestellt, dass Intel ebenfalls gegen den Artikel 82 EGV verstoßen hat. Es gibt noch kein gerichtliches Urteil, aber Intel wird wohl rechtliche Schritte einleiten. Der Sachverhalt ist schnell skizziert: Intel hat Unternehmen, insbesondere solchen, die an den Endverbraucher PCs vertreiben, Rabatte gewährt, wenn sie keine PCs führen, die einen AMD-x86 Prozessor verwenden. Dies ist allerdings nur das augenscheinlichste, die EU-Kommission wirft Intel insgesamt folgendes vor:

  • Rabatte an OEMs, geknüpft an Mindestanteile von Intel-CPUs im Sortiment.
  • Zahlungen an OEMs, wenn AMD-Produkte verspätet oder gar nicht eingeführt werden.
  • Lieferung von Prozessoren an strategisch wichtige Kunden unterhalb des Herstellungspreises.
  • Rabatte an einen großen Händler, dafür dass er nur Intel-Prozessoren verkauft.
  • Zahlungen an einen bestimmten OEM, dafür dass er AMD-Produkte verschiebt.
  • Rabatte an einen bestimmten OEM, damit dieser ausschließlich Intel-Prozessoren in Notebooks verbaut.

Im übrigen wurde seitens Intel sogar eine 5-Prozent-Ausnahmeregel geschaffen, welche es den Unternehmen auf dieser nachgeordneten Marktstufe (vertikale Marktmachtverteilung) ermöglichen sollte, dennoch Produkte von AMD zu führen. Somit konnte der Eindruck erweckt werden, AMD wäre durchaus im Markt vertreten – doch auch die Beschneidung eines Konkurrenten auf einen bestimmten Marktanteil ist ein wettbewerbsfeindlicher Akt.

Es bleibt somit kein Zweifel an der Intention, die Intel hier hegte – AMD sollte systematisch aus wichtigen Geschäftsfeldern herausgehalten werden. Die Bedeutung von Absprachen zwischen Unternehmen auf unterschiedlichen Marktstufen kann anhand dieses Schemas nachvollzogen werden:

Intel-Distributionsmodell

Generell sind Absprachen von Unternehmen auf unterschiedlichen Marktstufen möglich. Anbieter von Luxuswaren haben häufig strenge Liefervereinbarungen, damit eben ein iPhone nicht bei ALDI im Regal steht (VO 2790/1999, Vertikal-GVO). Oft gewähren große Produzenten auch Rabatte an andere Unternehmen, die eine entsprechende Größe (gleichzusetzen mit Marktmacht) haben.

Rabatte sind eine überaus übliche Preisgestaltungsmaßnahme, auch werden die von Intel veröffentlichten Preise oft in 1000 Stück angegeben, was ein Rabatt an sich ist. Allerdings stellt die Kondition der Nichtabnahme von Konkurrenzprodukten einen Verstoß gegen geltendes Recht dar. In § 21 Abs. 1 GWB sind solche Bezugssperren eindeutig erwähnt, auch im Europarecht fallen sie unter Art. 82 EGV. Insbesondere der Punkt a) und d) sind eindeutig auf die Rechtswidrigkeit von unangemessen Preisen bzw. Bedingungen (a) und Bezügen (in diesem Fall sind die Bezüge die Rabatte für Nichtabnahme), die in keinem Zusammenhang mit dem Vertragsgegenstand stehen (d), ausgerichtet. Hier erkennt dann auch ein Laie, dass es schwierig ist diese Begriffe auszulegen, d.h. griffig zu interpretieren. Intel hat einen Rabatt gewährt, aber dieser war nicht mit der Bedingung verknüpft 10.000 Intel-CPUs zu verkaufen (was für sich genommen nicht widerrechtlich wäre), sondern mit der Bedingung, Verkauf und Bezug von AMDx86-CPUs zu unterlassen – darin liegt der Verstoß.

Es lässt sich sagen, dass der Wettbewerb deutlich leidet, wenn der Kunde nicht einmal die Möglichkeit bekommt zu wählen – bei Intel und Microsoft war dies der Fall. Zumal im genannten Zeitraum 2002 – 2007 AMD aufgrund des Athlon 64 /X2 ein paar fette Jahre hatte, somit waren diese Exklusivabnahmeverträge besonders schmerzhaft. AMD wäre ansonsten vielleicht in der Lage gewesen, ihr innovativeres Produkt besser zu verkaufen. Diesen für Intel härteren Wettbewerb konnte Intel abfedern, indem man sich in viele verschiedene Märkte (hier ist jetzt der konkrete Ort gemeint) einkaufte und somit den Wettbewerb umging. Intel konnte dies tun, weil sie über eine entsprechende wirtschaftliche Position – Marktmacht – verfügten und verfügen. Auch hier ist die Marktbeherrschung ein Problem, allerdings sind solche Nichtabnahmebedingungen natürlich auch für Unternehmen, die ansonsten gleichstark sind, ein Tabu.

Man stelle sich vor, ein Lebensmitteleinzelhändler – diese gelten auch nicht gerade als zimperlich – schließt mit allen Zuckerproduzenten der Erde einen Pakt (finanziert durch dubiose Finanzmarktdeals) und bindet dadurch alle Käufer von Zucker an sich, die natürlich auch noch andere Dinge des täglichen Bedarfs an Ort und Stelle erwerben. Dieses drastische Beispiel offenbart eben die Schwachstellen eines nicht regulierten, vollkommen freien Marktes.

Der Verräter rettet den Markt

Die Schwierigkeit in den Nachweisen über eine marktbeherrschende Stellung und deren missbräuchlicher Ausnutzung ist auch im Fall Intel gegeben. Das eigentliche Problem liegt in der Beweisführung und Klageerhebung: Die Beweislast liegt bei der Partei, die den Vorwurf erhebt (VO 1/2003 Art. 2). Wie beweisen die Behörden denn nun eine Absprache oder einen Rabattvertrag, der nicht öffentlich ist und auch niemals werden soll? Bei Microsoft gab es unzählige betroffene Firmen, die ihr Produkt nicht dergestalt einbinden konnten wie Microsoft. Bei Intel gab es keine Vertragspartei, die nicht von dem Verstoß partizipierte.

Der Geheimnisverrat ist die Quelle für neugierige Behörden. In den USA und Großbritannien gibt es schon Regelungen, die den "Verräter" schützen sollen. Absprachen dieser Größenordnung tragen mit sich die Gewissheit, dass zu viele Personen davon erfahren. Einige von ihnen sind unzufrieden, oder haben schlichtweg höhere moralische Ansprüche. Diese Personen werden zu sogenannten "Whistleblowern" und lassen solche Absprachen auffliegen. Außerdem werden Unternehmen, die mit den Wettbewerbsbehörden zusammen arbeiten, in einem eventuellen Verfahren meistens weitgehend verschont. Dies steigert die Attraktivität für ein Unternehmen, sich selbst anzuzeigen. Im Steuerrecht ist dies übrigens auch üblich (sowohl der Verrat, als auch die Selbstanzeige). Letztendlich muss also eine interne Stelle diese kleinen Details ausplaudern.

An diesem Punkt muss differenziert werden. Microsoft und Intel beeinflussten die Entscheidungsfähigkeit der Verbraucher dahingehend, als dass sie andere Produkte gar nicht erst zuließen. Nur hat der Software–Gigant dazu niemanden vertraglich verpflichtet, der Nutzer hatte schlicht ein Produkt und konnte bei Bedarf ein anderes installieren. Es gab mitunter Probleme bei der Implementierung durch die Konkurrenz, aber Microsoft sorgte mit ihren einheitlichen Standards auch für eine breite Durchsetzung des PCs, wie wir ihn kennen. Dies ist eine Wertung der Umstände und gegebenfalls trotzdem unangebracht, stellt aber ein wichtiges Detail dar. Microsoft schützte ihren Geschäftsbereich mit, nachweislich, unlauteren Mitteln. Nur handelte es sich auch um ihr eigenes Produkt.

Intel hingegen verzichtete auf eventuelle Gewinne aus ihren Produkten, um sich in wettbewerblich härteren Zeiten gegen Schwankungen abzusichern. Im Prinzip bestach Intel die anderen Unternehmen, indem sie ihre Erlöse reduzierten, bilanzielle Sicherheit aber gewannen. Inwieweit diese Praxis bei investitionsintensiven Unternehmungen gängig ist, mag schwer zu beurteilen sein, aber die Zerwürfnisse der Marktstruktur wiegen erheblich. Ohne die Möglichkeit einen Markt zu betreten (hier kann man sich den MediaMarkt vorstellen), ist es unmöglich Wettbewerb zu erzeugen.

Anhand der entsprechenden Umfrage im 3DCenter erkennt man übrigens ein deutliches Plus bei AMD, verglichen mit den sonstigen Marktdaten. Freilich kaufen hier auch gut informierte Nutzer ein, die auch abseits von den großen Einzelhändlern ihren Bedarf individuell decken.

Lug und Trug

Die IT-Branche braucht Wettbewerb wie nur wenige andere Branchen. Sie gilt als eine der Antriebsmotoren für eine bessere Zukunft und soll uns ermöglichen, den Alltag zu erleichtern, die Sterne zu bereisen, effizienter zu werden und jederzeit Held oder Heldin zu sein. Ihre Position hat sie nur inne, weil die Innovationsdichte außergewöhnlich hoch ist. Nur lebt sie auch von diesen Innovationen. Deutlich zu erkennen sind die antiinnovativen Trends der Käufer, die lieber ihr ausgereiftes Betriebssystem einsetzen oder auf Rechenleistung verzichten und dafür Geld sparen.

Das Argument der ausreichenden Leistung ist allerdings nur angebracht, wenn Rechenleistung nicht erforderlich ist. Innovationen in der Software-Sparte sind jedoch häufig kausal mit steigender Rechenleistung – Code generiert Bedarf an Code-Bearbeitungskapazitäten. Wenn aber Marktführer wie Intel und Microsoft kein Interesse an echten Innovationen zwecks Absatzsicherung haben, wird es für die Wettbewerber offenkundig unmöglich, in Wettbewerb zu treten.

Ohne die Entscheidungen und Urteile der Kommission und der Gerichte würden diese Maßnahmen vielleicht bis heute anhalten – auch über die EU hinaus. AMD wurde mit dem besseren Produkt nicht besser in Sachen Marktmacht. Die Alternativen zu Mediaplayer und Internet Explorer brauchen Jahre, um den Großteil der Endkunden zu erreichen. Dabei werden sie von freiwilligen Entwicklern getragen, da ein wirtschaftendes Unternehmen anscheinend nur geringe Möglichkeiten hat, sich gegen die beiden Hauptakteure durchzusetzen – nur liegt es nicht an ihren Produkten. Dem Wettbewerb mangelt es an Wettbewerb – ein klassisches Marktversagen also. Bleibt zu hoffen, dass es weiterhin Whistleblower und engagierte Wettbewerbshüter gibt, denen an einem funktionierende Wettbewerb ebenso gelegen sein muss wie uns.

Als das vernichtende Beispiel für fehlende Innovationen kann nur die Automobilindustrie gelten, vor allem die Autobauer aus den USA. Nullinnovation und Ignoranz für die Bedürfnisse der Kundschaft hat sie in den Ruin getrieben – eine Kur ist nicht in Sicht. Auch hier wurde und wahrscheinlich wird gegen Veränderung massiv angekämpft (MAN-Schmiergeldaffäre). Die gesamte Branche leidet, abseits der Wirtschaftsflaute, unter einem lange prophezeiten Rückgang von Aufträgen. Einerseits braucht und sollte niemand aus ökologischer Sicht aller drei Jahre ein neues Personenkraftfahrzeug brauchen. Andererseits wollen wir beweglich bleiben. Beweglich, also flexibel sollten wir auch in unseren Bedürfnissen sein. Wenn der Markt versagt, dann bleibt dem Käufer die ultimative Wahl: Verzichten wir auf Bequemlichkeiten, dann werden wir unbequem für jene, die dem Verbraucher gegenüber unflexibel sein wollen.