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Staatstrojaner für den Masseneinsatz soll heimlich durchgepaukt werden

Wie Netzpolitik & Heise ausführen, führt der Überwachungswahn der großen Koalition aus CDU/CSU und SPD in Deutschland nunmehr dazu, das der eigentlich vom Verfassungsgericht schon vor Jahren weitgehend untersagte Staatstrojaner nunmehr in gröberer Form auch für die Verfolgung alltäglicher Kriminalität durchgeboxt werden soll. Die zum Ende der Woche zu erwartende Bundestagsabstimmung hierzu ist wegen der Fraktionsdisziplin nur noch Formsache, die Zustimmung des Bundesrats ist aufgrund eines verfahrenstechnischen Tricks nicht erforderlich. Wie dies am Verfassungsgericht vorbeizubringen sein soll, hat man sich allerdings augenscheinlich noch keine Gedanken gemacht – dabei sind die seinerzeitigen Vorgaben derart klar gefaßt, das insbesondere die Ausweitung des Straftaten-Katalogs als völlig utopisch erscheint. Denn im Jahr 2008 hatte das Bundesverfassungsgericht unter Vorlage des seinerzeitigen Bundestrojaners ein "Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme" definiert, welches nur in Fällen, wo "überragend wichtige Rechtsgüter" wie Menschenleben oder der Bestand des Staates konkret und aktuell gefährdet sind, durchbrochen werden darf.

Mit dem neuen Staatstrojaner-Gesetz wird dagegen dieser grundsätzliche Ansatz des Schutzes überragender Rechtsgüter komplett aufgegeben und der Staatstrojaner als normales Ermittlungsinstrument gegenüber schwerer sowie mittelschwerer Kriminalität freigegeben – letzteres geht hinunter bis zu Steuerhehlerei und Sportwettenbetrug. Selbstverständlich sind auch diese Straftaten verfolgenswert, dies soll hiermit gar nicht in Abrede gestellt werden. Allerdings gibt ein Mittel wie das des Staatstrojaners den Ermittlungsbehörden zum einen ein viel zu dickes Breitschwert in die Hand (wem das zu weit hergeholt ist, der schaue genau heute einfach einmal nach Mexiko), zum anderen muß für dessen Dauereinsatz Vater Staat nunmehr eine regelrechte Antisicherheits-Struktur etablieren, welche den serienmäßigen Einbruch in IT-Systeme ermöglichen kann. Es müssen also in erheblichem Maße Sicherheitslücken auf dem Schwarzmarkt (mit Steuergeldern) gekauft, Schadsoftware zum Einbruch in IT-Systeme entwickelt und Hersteller zum Bruch ihrer eigenen Sicherheitssysteme unter Druck gesetzt werden. Der Staat agiert hierbei dann selber wie ein Krimineller und unterstützt gewisse Teile der CyberCrime-Szene sogar aktiv (bei anderen Delikten gilt eine solche Unterstützungshandlung interessanterweise schon selbst als illegal).

Wie gesagt ist es unklar, wie dies vor dem Verfassungsgericht bestehen soll. Jenes müsste das gerade einmal definierte "Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme" eigentlich wieder aufheben, um dies irgendwie durchgehen zu lassen. Eher wahrscheinlich ist dagegen eine heftige Abfuhr aus Karlsruhe – vielleicht auch einmal garniert mit einem harschen Wortlaut, der seiner Verwunderung darüber Ausdruck gibt, wieso ausgerechnet eine Bundesregierung versucht, immer und immer wieder verfassungswidrig zu agieren. Zudem könnte das Verfassungsgericht auch zusätzliche Chuzpe beweisen und gleich den gesamten Gesetzgebungsvorgang dieses Falls als ebenfalls "verfassungswidrig" deklarieren – denn das Aufsatteln eines eminent wichtigen Gesetzwerkes als puren Änderungsantrag für ein anderes, weitaus weniger wichtiges Gesetz, mag verfahrenstechnisch vielleicht nicht illegal sein, widerspricht aber dennoch dem Geist der Bundesverfassung. Leider nur ein Wunschtraum ist dagegen die Vorstellung, das Verfassungsgericht möge angesichts dessen die fortwährenden Verletzer der Bundesverfassung denn auch konkret beim Namen nennen – und den Verfassungsschutz anhalten, demzufolge seines Amtes zu walten.