21

AMDs Zen 2 wird 16-Kern-Prozessoren ins normale Consumer-Segment bringen

Breit beachtet wird derzeit ein im chinesischen Chiphell-Forum (maschinelle Übersetzung ins Deutsche) aufgetauchtes Posting mit Grundlagen-Informationen zu AMDs Zen 2 Prozessoren-Generation, welche laut AMDs offiziellen Roadmaps nächstes Jahr in der 7nm-Fertigung erwartet wird. Der Chiphell-Autor hatte früher bereits zutreffende Angaben zu zukünftigen AMD-Produkten geliefert, die notierten Details zu Zen 2 scheinen zudem vom Stil her einer kurzen Eckpunkte-Präsentation zu entstammen, wie sie AMD vielleicht jetzt schon bei Partnern und Kunden herumzeigt. Grob gesagt soll mit der Zen-2-Generation gegenüber dem originalen Zen-Portfolio die Anzahl der CPU-Kerne durch die Bank weg verdoppelt werden, hinzu kommt eine IPC-Verbesserung von 10-15% durch die Veränderungen bei der Zen-2-Architektur. Damit wird zwar eigentlich gar nichts überraschendes ausgesagt – und dennoch, mittels gleich 16 CPU-Kernen im normalen Consumer-Segment (Ryzen 3000, Codename "Matisse") hebt AMD die laufenden Kern-Kriege ("Core Wars") logischerweise auf ein völlig neues Level.

AMD Zen 2

  • Sockel AM4 (Ryzen): maximal 16 CPU-Kerne
  • Sockel TR4 (Threadripper): maximal 32 CPU-Kerne
  • Sockel SP3 (Epyc): maximal 64 CPU-Kerne
  • IPC ist etwa 10-15% höher
  • Quelle:  User "Gtx9" im Chiphell-Forum am 19. Juli 2018

Aber natürlich gilt auch, das AMD mittels der 7nm-Fertigung von GlobalFoundries richtig viel Spielraum bei der Chipfläche bekommt (-65% Chipfläche zwischen 14LPP und 7LP), trotz Verdopplung der Kern-Anzahl dürfte also ein 16-Kern-Die von Zen 2 wohl sogar etwas kleiner herauskommen als ein 8-Kern-Die von Zen bzw. Zen+. AMD hat aufgrund dieser Vorgaben aus der Chipfertigung alle Voraussetzungen dafür, mehr CPU-Kerne aufs Die zu bringen – während hingegen Steigerungen von IPC und Taktrate mühsam mittels enormer Entwicklungsarbeit erkämpft werden müssen. Im Server-Bereich dürfte die Kern-Verdopplung für AMD sicherlich der Schlüssel zum Erfolg werden, gerade da Intel im Jahr 2019 noch keine 10nm-Prozessoren bieten wird und damit AMDs Kern-Offensive im Server-Bereich nichts entgegenstellen kann (kommt frühestens mittels Ice Lake X/SP gegen Mitte/Ende 2020). Für den Server-Bereich ist diese Kern-Offensive damit dann auch vollkommen ausreichend, eventuelle IPC- und Taktraten-Verbesserungen sind demgegenüber weit weniger schlagkräftig (man nimmt jene natürlich trotzdem gerne mit).

Zen Zen+ Zen 2
technische Basis Consumer/HEDT: Summit Ridge, Server: Naples, 14nm-Fertigung Consumer/HEDT: Pinnacle Ridge, 12nm-Fertigung Consumer: Matisse, HEDT: Castle Peak, Server: Rome, 7nm-Fertigung
Consumer-Segment Ryzen 1000: bis zu 8 CPU-Kerne Ryzen 2000: bis zu 8 CPU-Kerne Ryzen 3000: bis zu 16 CPU-Kerne
HEDT-Segment Threadripper 1000: bis zu 16 CPU-Kerne Threadripper 2000: bis zu 32 CPU-Kerne Threadripper 3000: bis zu 32 CPU-Kerne
Server-Segment Epyc: bis zu 32 CPU-Kerne - Epyc: bis zu 64 CPU-Kerne

Doch im Consumer-Bereich dürften genau diese IPC- und eventuellen (bislang nicht angekündigten) Taktraten-Verbesserungen entscheidend sein. Denn im Consumer-Bereich hat AMD derzeit bereits Achtkerner stehen, im HEDT-Bereich bereits 16-Kerner (mittels Threadripper 2000 demnächst auch 32-Kerner). Hier gilt dann die umgedrehte Regel: Weitere Steigerungen der Kern-Anzahl nimmt man (ausgehend von diesem Stand) im Consumer-Segment gern mit, relevant sind hier allerdings in erster Linie IPC- und Taktratensteigerungen. Die 10-15% mehr IPC sind nett, als Hersteller-Angabe allerdings vermutlich ein Best-Case und damit nicht als durchgängig gegeben zu betrachten. Mit realistisch vielleicht 5-10% mehr IPC unter Zen 2 würde AMD allerdings auch schon IPC-technisch zu Intel aufschließen, denn ohne Berücksichtigung der teils deutlich höheren Intel-Taktraten ist AMD auch jetzt schon bei der reinen IPC-Performance nicht mehr bedeutsam von Intel weg.

Einer eventuellen Taktraten-Steigerung von Zen 2 kommt somit entscheidende Bedeutung zu: Erreicht AMD hierbei ähnliche Taktraten, wie von Intel geboten, würde AMD plötzlich auch mit derselben Kern-Anzahl gleichwertige Produkte gegenüber Intel aufbieten können. Konkret müsste AMD also in der Lage sein, Taktraten von bis zu 5 GHz im Boost-Modus zu erreichen, ein Allcore-Turbo von wenigstens 4.5 GHz ist vielleicht sogar noch wichtiger. Prinzipiell erscheint dies als machbar, denn Chipfertiger GlobalFoundries hatte als Taktraten-Zielsetzung von 14LPP nur die Marke von >3 GHz angegeben – und gibt nun für den 7LPP-Prozeß dagegen die Marke von 5 GHz an. Aber wie bei Intel zu sehen, muß alles ab 4 GHz mühsam dem Silizium abgerungen werden – und bei AMD kommt dann auch noch die typische Zen-Taktratenmauer bei knapp über 4 GHz hinzu, deren Wirken unter einem neuen Fertigungsverfahren nicht vorhergesagt werden kann. Es ist somit ungewiß, wieviel Takt AMD in seiner ersten 7nm-Generation wirklich herausholen kann. Gut möglich, das bei Zen 2 am Anfang der 7nm-Fertigung noch nicht der entscheidende Taktraten-Sprung gemacht werden kann, und jener dann erst mittels Zen 3 unter einer verbesserten 7nm-Fertigung im Jahr 2020 ansteht.

Spätestens zum Release von Zen 2 dürfte jedoch sicherlich auch die Diskussion darüber anfangen, wieviele CPU-Kerne im Consumer-Bereich eigentlich noch sinnvoll sind (im Vorfeld der 2017er HEDT-Prozessoren hatte sich eine Umfrage bereits mit diesem Thema beschäftigt). Denn selbst wenn auch der Normalbürger hier und da mal ein Programm einsetzt, welches viele CPU-Kerne auch wirklich auslasten kann, so nehmen mit diesen ManyCore-Prozessoren doch die Situationen zu, unter welchen man deren volle Anzahl an CPU-Kernen eben nicht auslasten kann – und wo somit auch ein Prozessor mit weniger CPU-Kernen mindestens genauso schnell wäre. Die bisher oftmals vertretene These, (bei passendem Geldbeutel) doch einfach "das Beste" zu kaufen, sprich den in der Preisliste ganz oben gelisteten Prozessor, sollte in der Zukunft dann einem eher abwägenden Ansatz weichen, bei welchem man je nach Aufgabenstellung das hierfür passende Prozessoren-Modell ersteht. Gerade für Gamer dürfte es kaum sinnvoll sein, oberhalb von acht CPU-Kerne zu gehen, da bislang keine CPU mit mehr als acht CPU-Kernen irgendwo eine beachtbare Mehrperformance unter Spielen hat aufweisen können – oftmals waren die ManyCore-Modelle des HEDT-Bereichs dabei sogar bemerkbar langsamer als reguläre Consumer-Prozessoren.

Nachtrag vom 22. Juli 2018

Sehr intensiv wird die kürzliche Meldung zu 16-Kern-Prozessoren im normalen Consumer-Segment mittels AMDs Zen-2-Generation in unserem Forum diskutiert. Gerade gegenüber dem Status Quo vor dem Eintritt von AMDs Zen-Architektur ins Marktgeschehen ist dies ein enormer (doppelter) Dimensionssprung: Während bis zum Jahr 2016 Vierkern-Prozessoren lange Zeit die Angebotsspitze im normalen Consumer-Segment dominierten, wird AMD dies nun nach nur drei Jahren auf gleich 16-Kern-Prozessoren steigern. Ob AMD jene ManyCore-Prozessoren noch zu den üblichen Preislagen herausbringt, bleibt sicherlich abzuwarten – allerdings existieren hier sozusagen natürliche Linien mittels des Threadripper-Preisgefüges oder auch den aktuellen Preisen für Ryzen-Achtkerner, kann AMD also kaum vollens mit der Preiskeule zuschlagen. Gut möglich, das AMD selbst Zen 2 noch auf vergleichsweise humanen Preispunkten ähnlich wie in der ersten Ryzen-Generation bringt (Ryzen 7 1800X startet seinerzeit mit einem Listenpreis von 499 Dollar) – die Chipfläche eines 7nm-Dies sollte schließlich sogar etwas kleiner als bei einem aktuellen 16nm- oder 12nm-Die ausfallen.

Davon abgesehen ist natürlich die große Frage zwischen den Diskutierenden, was man denn nun mit den vielen CPU-Kernen anfangen kann. Die Meinungen hierzu gehen weit auseinander: Die einen freut es einfach, das es nach den Jahren der geringen Fortschritte im CPU-Bereich mal wieder wirklich vorangeht – und man verweist auch auf den Punkt, das kein Software-Entwickler irgendwelche Multithread-Optimierungen anfängt, sofern es keine breit verfügbaren Prozessoren hierfür gibt (ein typisches Henne/Ei-Problem). Die anderen sehen die Schwierigkeit, genau dies in der Mehrzahl der typischen Consumer-Software umzusetzen – was zumeist Spiele sind. Die Ironie liegt ja darin, das jetzt schon die vorhandenen ManyCore-Prozessoren des HEDT-Segments ihre Vorteile nur unter Anwendungs-Software zeigen können – und dort auch zumeist nur unter Anwendungen, die der Normalbürger eher selten wirklich benutzt (Videorendering) oder wo ein sich ergebender Performance-Gewinn kaum eine praktische Relevanz entwickelt (Packprogramme, Office-Anwendungen). Dort, wo Mehrleistung in jedem Fall noch verpulvert werden könnte (Spiele), kommen ManyCore-Prozessoren allerdings nur auf unterdurchschnittliche Ergebnisse, müssen sich zumeist den Consumer-Prozessoren mit deutlich geringerer Kern-Anzahl geschlagen geben.

(vorläufiger) Index zur Spiele-Performance  (FullHD 1% min)
100% Core i7-8700K 6C +HT, 3.7/4.7 GHz, 95W TDP, 359$
8C +SMT, 3.7/4.3 GHz, 105W TDP, 329$ Ryzen 7 2700X 90% Core i7-7700K 4C +HT, 4.2/4.5 GHz, 91W TDP, 339$
~90% Core i9-7900X 10C +HT, 3.3/4.3 GHz, 140W TDP, 989$
~90% Core i7-7820X 8C +HT, 3.6/4.3 GHz, 140W TDP, 589$
~88% Core i7-7800X 6C +HT, 3.5/4.0 GHz, 140W TDP, 383$
16C +SMT, 3.4/4.0 GHz, 180W TDP, 999$ Threadripper 1950X ~84%
8C +SMT, 3.6/4.0 GHz, 95W TDP, 349$ Ryzen 7 1800X 83%
12C +SMT, 3.5/4.0 GHz, 180W TDP, 799$ Threadripper 1920X ~82%
8C +SMT, 3.6/4.0 GHz, 180W TDP, 449$ Threadripper 1900X ~81%
Dieser Index basiert speziell bei den HEDT-Prozessoren zumeist nur auf wenigen Meßwerten, ist also mit etwas Spielraum zu sehen.

Natürlich existieren derzeit keine Spiele, welche wegen dieses Performance-Rückstands auf einem ManyCore-Prozessor irgendwelche Leistungsprobleme hätten – was aber um so mehr die Frage aufwirft, was man mit diesen im Spiele-Alltag nunmehr anfangen soll. Kurzfristig dürfte sich hierbei kaum eine Lösung ergeben – aber natürlich hat der CPU-Käufer immer noch die Wahl, wieviele CPU-Kerne für die konkrete Aufgabenstellung sinnvollerweise zu kaufen sind. Die ManyCore-Prozessoren drücken im Endeffekt auch die Preise der "normalen" Modelle mit 4-8 CPU-Kernen herunter, haben demzufolge indirekt auch sehr positive Auswirkungen für alle CPU-Käufer. Und langfristig kann man sich Hoffnungen darauf machen, das die Spieleentwickler dieser enormen Zunahme bei der Anzahl der CPU-Kerne irgendwann Rechnung tragen – und die damit angebotene Rohleistung auch wirklich ausnutzen. Einfach wird dies allerdings nicht werden, da eine Mehrkern-Optimierung mit steigender Kern-Anzahl speziell im Spiele-Bereich immer schwerer zu realisieren ist, zudem die einfach zu erzielenden Optimierungen mehrheitlich bereits erreicht wurden.