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OC-Versionen verfälschen Benchmarks der regulären GeForce GTX 660 Ti

Zum Launch der GeForce GTX 660 Ti wurde fast nirgendwo eine GeForce GTX 660 Ti mit Referenz-Taktraten getestet, sondern fast ausschließlich ab Werk übertaktete Versionen dieser Grafikkarte – welche für den Zweck der vergleichenden Benchmarks dann auf die Referenz-Taktraten heruntergetaktet wurden. Da speziell die GeForce GTX 660 Ti aber bekannerweise deutlich an ihrem niedrigen PowerTarget-Limit hängt, konnte man immer schon Bedenken anmelden, ob diese Benchmarks denn auch gänzlich korrekt waren – schließlich hatte man bei den ab Werk übertakteten Versionen immer nur die Taktraten angepasst, nicht aber das PowerTarget-Limit.

Ein Testbericht zur GeForce GTX 660 Ti seitens HT4U bestätigt nun diese Annahme: Die Performance einer auf Referenz-Taktraten heruntergetakteten OC-Version der GeForce GTX 660 Ti entspricht nicht der Performance einer per default mit Referenz-Taktraten antretenden GeForce GTX 660 Ti. Der Unterschied ist mit im Schnitt 2,3 Prozent (1,4 Prozent unter 1920x1080 4xAA) absolut nicht weltbewegend, jedoch messtechnisch einwandfrei nachweisbar und auch durch die gemessenen Taktfrequenzen einwandfrei zu begründen. Denn die zuerst benutzte ab Werk übertaktete Asus-Karte lief selbst unter Heruntertaktung auf die Referenz-Taktraten noch mit einem Turbo-Takt von nahezu dauerhaft 1137 MHz, während die reguläre Referenz-Version trotz nominell gleicher Taktraten in der Praxis nur Turbo-Taktraten zwischen 1050 und 1124 MHz erreichte.

HT4U Referenz-Modell OC-Modell, simuliert durch Heruntertakten
EVGA GeForce GTX 660 Ti, per default auf 915/980/3000 MHz laufend Asus GeForce GTX 660 Ti DirectCU II TOP, heruntergetaktet auf 915/980/3000 MHz
1920x1080 4xAA 100% +1,4%
alle Messungen 100% +2,3%

Die Grundlage für diesen Taktraten-Unterschied dürfte im PowerTarget liegen, welches bei der ab Werk übertakteten Version seitens des Grafikkarten-Herstellers etwas höher gesetzt wurde als dies bei der nicht ab Werk übertakteten Version der Fall war. Unterschiedliche Chipspannungen können dagegen als Ursache ausgeschlossen werden, da jene bei allen getesteten Karten nahezu identisch waren. Bisher war das PowerTarget-Feature nicht für solcherart Seiteneffekte bekannt, aber bei der GeForce GTX 660 Ti liegt ein arg knappes PowerTarget an, welches schon auf Referenz-Taktraten anspringt und insbesondere eventuelle Übertaktungserfolge arg limitiert. Differenzen im PowerTarget – wie zwischen regulären Versionen und ab Werk übertakteten Versionen – können demzufolge bei dieser Karte durchaus für Performance-Unterschiede sorgen, selbst wenn "nur" die Referenz-Taktraten anliegen. Ein solcher Effekt kann sich sogar prinzipiell gesehen bei jeder Kepler-basierten Grafikkarte einstellen, sofern das von nVidia festgesetzte PowerTarget-Limit so knapp bemessen wurde wie bei der GeForce GTX 660 Ti.

In der Konsequenz aus dieser Erkenntnis müssen wir erst einmal die GeForce GTX 660 Ti in ihrer Performance-Bewertung etwas herunterstufen. Die Karte kam bei ihren Launch-Tests (unter 1920x1080 4xAA) auf einen 3DCenter Performance-Index von 290%, genausoviel wie bei der Radeon HD 7950 und minimal besser als bei der GeForce GTX 580 (280%). Allerdings lag schon "seinerzeit" die Radeon HD 7950 minimal um 1,5 Prozent vorn, basierend noch auf den verfälschenden Messungen mit einer heruntergetakteten OC-Version der GeForce GTX 660 Ti. Rechnet man die 1,4 Prozent Performance-Differenz hinzu, welche eine wirklich Referenz-mäßige GeForce GTX 660 Ti unter 1920x1080 4xAA hier nochmals langsamer ist, dann kommt hierbei ein Performance-Unterschied von kummuliert 3 Prozent heraus, welcher dann tatsächlich zu einer auch optisch sichtbaren Performance-Neubewertung der GeForce GTX 660 Ti herausfordert – wir stufen die GeForce GTX 660 Ti somit auf einen 3DCenter Performance-Index von 280% herunter.

AMD Northern Islands AMD Southern Islands nVidia Fermi-Refresh nVidia Kepler
Radeon HD 7970 "GHz Edition"
Perf.Index: 370%
GeForce GTX 680
Perf.Index: 360%
Radeon HD 7970
Perf.Index: 340%
GeForce GTX 670
Perf.Index: 330%
Radeon HD 7950 "Boost Edition"
Perf.Index: 310% (PT@Max: 320%)
Radeon HD 7950
Perf.Index: 290%
GeForce GTX 580
Perf.Index: 280%
GeForce GTX 660 Ti
Perf.Index: 280%
Radeon HD 7870
Perf.Index: 260%
Radeon HD 6970
Perf.Index: 240%
GeForce GTX 570
Perf.Index: 240%
GeForce GTX 560 Ti "448 Cores"
Perf.Index: 230%
Radeon HD 6950
Perf.Index: 220%
Radeon HD 7850
Perf.Index: 220%
GeForce GTX 560 Ti
Perf.Index: 210%

Gleichfalls müssen die Hardware-Tester ab sofort den Umstand beachten, daß bei Grafikkarten, deren Performance durch Features wie PowerTune und PowerTarget limitiert wird, das reine Umtakten auf andere Taktraten nicht mehr ausreichend ist, um damit andere Grafikkarten simulieren zu können. Theoretisch müsste man eben immer auch die PowerTune- und PowerTarget-Limits mit verändern – was schwierig ist, da diese oftmals offiziell nicht dokumentiert sind. Natürlich muß man es nicht übertreiben und bei einer Grafikkarte, welche nicht gerade wie die Radeon HD 7950 "Boost Edition" an ihrem PowerTune-Limit hängt oder wie die GeForce GTX 660 Ti an ihrem PowerTarget-Limit, ergeben sich wohl keinerlei beachtbare Seiteneffekte respektive Performance-Differenzen.

Aber wenn wieder eine Grafikkarte auftritt, die spürbar durch PowerTune bzw. PowerTarget limitiert wird, dann verbietet es sich wohl, mittels Heruntertaktung von ab Werk übertakteten Karten die Performance eines Referenzmodells ermitteln zu wollen (es sei denn, man senkt auch PowerTune bzw. PowerTarget auf die Referenzwerte ab). Tritt man dennoch einen solchen Test an, sollte man zumindest den Leser auf diesen Umstand aufmerksam machen und gedanklich bzw. in der Testbewertung die leichte Verfälschung der Benchmark-Werte mit einkalkulieren. Für einen sauberen Test muß man allerdings wohl oder übel streng zu einem Referenzmodell greifen.

An dieser Stelle muß zudem auch eine gewisse Kritik an nVidia angebracht werden, welche gerade bei der GeForce GTX 660 Ti überhaupt keine eigenen Testsamples am Start hatten, sondern dies alles den Grafikkarten-Herstellern überließen. Daß diese vornehmlich ihre ab Werk übertakteten Versionen in den Vordergrund zu rücken versuchen respektive zu den Hardware-Testern senden, ist nur natürlich – aber nVidia greift mit dieser Methode speziell bei der GeForce GTX 660 Ti eben auch zwei Prozentpunkte an Performance ab, welche dieser Karte eigentlich nicht zustehen und welche nur über die Nichtzurverfügungstellung von Referenz-Samples (scheinbar) zustandekommen.

Für zwei Prozent Performance kann man zwar kaum "Cheat!" rufen, aber dennoch ist es in jedem Fall eine (nicht einmal real anliegende) Verzerrung des Performance-Bildes. Vor allem aber kann man nVidia vorwerfen, daß es eben die Pflicht nVidias wäre, die Hardware-Tester mit Referenzsamples zu beliefern, wenn die von den Grafikkarten-Herstellern kommenden Samples auch unter Heruntertaktung nicht den Zweck erfüllen, die Performance eines Referenzmodells mit Referenz-Taktraten korrekt wiederzugeben. Da die Features PowerTune und PowerTarget wahrscheinlich eine klar zunehmende Bedeutung haben werden, müssen die Hardware-Tester zukünftig wirklich aufpassen, ob der Testkandidat auch wirklich zum Testinhalt passt.