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Simpler Grund der 14nm-Probleme: Intel muß wegen des Wettbewerbs mit AMD nunmehr viel größere Chips anbieten

Der AMD-seitig bereits besprochene Conference Call von Charlie Demerjian mit der Investment-Firma "Susquehanna", welcher in umfangreicher Form auf Reddit niedergelegt wurde, ergeht natürlich vorwiegend zu Intel bzw. Intels aktuellen Problemen. Folgt man dabei den Ausführungen seitens Charlie Demerjian von SemiAccurate, dann wird Intel mehr oder weniger alle seine mittelfristigen Pläne nicht einhalten können, respektive sich die Intel-Roadmap grob um ein Jahr verschieben. Einzurechnen wäre hierbei allerdings, das Charlie durchaus dafür bekannt ist, mit Intel besonders hart ins Gericht zu gehen – sowie gleichzeitig auch der Punkt, das Intel erst kürzlich eine der primären Aussagen über eine Verschiebung der Server-Generation "Ice Lake SP" klar dementiert hat. Wieviel wirklich dran ist an diesen Weltuntergangs-News zu Intel, wird die Zeit zeigen – ganz so schlimm wie berichtet ist es schwer vorstellbar, dies wäre dann wirklich desaströs für Intel. Aber es gibt auch einen beachtenswerten Abschnitt, welcher völlig unabhängig von diesen Roadmap-Widrigkeiten auf den eigentlichen Grund der 14nm-Lieferschwierigkeiten bei Intel eingeht:

In H2 of 2018, the shortages were due to server performance hits over security vulnerabilities.
In December of 2018, they admitted that it was due to increasing die size, which dropped the number of chips that they can produce.
This is due to AMD.
Intel's sweet spot, with 60% of sales, used to be 80-90 mm^2.
AMD core increases drove that up to 125 mm^2, so they lost one third of their production capacity.
Intel's original plan was to have a four core max at 14 nm. That is now 6 to 8 cores, even 10.

Quelle:  Charlie Demerjian im Confernce Call mit Susquehanna, niedergeschrieben bei Reddit am 20. Dezember 2019

Denn es war schon immer etwas seltsam, wieso Intel ausgerechnet mit der seit dem Jahr 2015 laufenden 14nm-Fertigung nunmehr in solche langanhaltenden Lieferprobleme geraten konnte. Dabei wurde die Erklärung hierfür augenscheinlich seitens Intel schon genannt, nur halt durch die Presse bislang nicht wirklich weitertransportiert: Intel muß aufgrund des Wettbewerbs mit AMD nunmehr mit klar größeren Chips anrücken, als es früher bei Intel üblich war – und hat durch diesen ganz einfachen Effekt umgehend ein Drittel seiner nominellen Fertigungskapazität "verloren". Jene Fertigungskapazität geht natürlich nicht wirklich verloren, aber es kommen (bei gleichbleibender Wafer-Anzahl) einfach entsprechend weniger Chips aus der Fertigung, wenn der Chipflächen-Durchschnitt früher einmal bei 80-90mm² lag und nunmehr auf bis zu 125mm² angewachsen sein soll (wahrscheinlich wurden hierbei auch Atom-basierte Chips mit ihren viel kleineren Chipflächen eingerechnet). Denn aus einem 300mm-Wafer kann man 688 Chips mit 85mm² Chipfläche herausholen, bei einer Chipfläche von 125mm² aber nur noch 460 Chips – in dieser Beispielrechnung also fast exakt ein Drittel weniger.

Sollte die Grundaussage über die Steigerung der durchschnittlichen Chipfläche bei Intel stimmen, ist hiermit ganz eindeutig der Grund für die langwierigen 14nm-Lieferschwierigkeiten gefunden: Denn ein Drittel faktischer Kapazitätsverlust läßt sich keineswegs so schnell ausgleichen, gerade nicht im Rahmen eines so großen Halbleiter-Fertigers wie Intel. Vermutlich sind für Intel Kapazitätssteigerungen von +10% im Jahr schon eine große Nummer, da ergibt das Aufholen von -33% (nominell) gleich eine Aufgabe von mehreren Jahren. Dass es sich hierbei um die 14nm-Fertigung handelt, macht die Sache um so schwieriger – denn für jene wird Intel nun auch keine neuen Halbleiterwerke mehr hinsetzen (allerdings hat man auch schon für die 10nm-Fertigung gedachte Fertigungsstraßen wieder auf die 14nm-Fertigung umgerüstet). Aber wahrscheinlich gerät jede Lieferkette bei jedem Halbleiterhersteller durcheinander, wenn man plötzlich ein Drittel weniger Chips aus der Fertigung bekommt (und jene dann noch für den gleichen Preis wie bisher die kleineren Chips verkaufen muß).

Dabei läßt sich jene Grundaussage über steigende durchschnittliche Chipflächen auch mittels praktischer Beobachtungen belegen. Denn bis zur Kaby-Lake-Generation lieferte Intel auf die Kern-Anzahl bezogen immer nur dasselbe ab, was man zuvor fast in der ganzen Geschichte der Core-Architektur geboten hatte: Zweikerner für das ganze Mainstream-Segment, als höchstes für das Consumer-Segment dann Vierkerner – und mehr nur im Rahmen des HEDT-Segments mittels der Zweitverwendung von Server-Chips. Dabei wurden Intels Chips faktisch immer kleiner, da man zwar von Sandy Bridge bis Skylake zwei neue Fertigungsverfahren adaptierte, die Kern-Anzahl sich jedoch nicht erhöhte. Laut den Ausführungen von Charlie Demerjian war für die komplette 14nm-Fertigung auch nur für maximal Vierkerner im Consumer-Segment geplant. Erst mittels des Ansturms von AMDs Ryzen-Prozessoren – welche sowohl bei Zen 1 als auch bei Zen 2 die Grenze für die Anzahl der CPU-Kerne im Consumer-Segment wie auch im HEDT-Segment deutlich verschoben haben – konnten diese ursprüngliche Intel-Planungen nicht mehr eingehalten werden und Intel begann ab der Coffee-Lake-Generation, ebenfalls mehr CPU-Kerne ins Consumer-Segment zu schicken.

Sandy Bridge – Skylake Kaby Lake Coffee Lake CFL-R Comet Lake
Release 2011-2015 2017 2017 2018 2020
Fertigung 32nm, 22nm, 14nm 14nm 14nm 14nm 14nm
Core i9 - - - 8C+HT 10C+HT
Core i7 4C+HT 4C+HT 6C+HT 8C 8C+HT
Core i5 4C 4C 6C 6C 6C+HT
Core i3 2C+HT 2C+HT 4C 4C 4C+HT
Pentium 2C 2C+HT 2C+HT 2C+HT 2C+HT
Celeron 2C 2C 2C 2C 2C
Die Angaben zu "Comet Lake" sind derzeit noch nicht offiziell.

In der Spitze hat Intel damit bis jetzt ebenfalls schon eine Verdopplung der Kern-Anzahl erreicht, mittels der Anfang 2020 antretenden Comet-Lake-Generation wird dann noch einmal etwas mehr geboten werden. Für den Durchschnitt aller gefertigten Chips dürften aber eher die Mainstream-Ausführungen relevant sein, wo bekannterweise die wirklich großen Stückzahlen liegen. Und hier gibt es den großen Bruch schon mit der initialen Coffee-Lake-Generation: Der Core i3 geht von zwei Kernen (mit HyperThreading) auf vier Kerne (ohne HyperThreading), wechselt also vom Zweikern- auf das Vierkern-Die. Im ebenfalls sehr volumenträchtigen Mobile-Segment ist es ganz ähnlich, dort sind schließlich ebenfalls Zweikerner in den letzten zwei Jahren arg aus der Mode gekommen – zugunsten von Vierkernern selbst für vergleichsweise einfache Notebooks. Nach dem Release von AMDs Ryzen-Prozessoren war die Zeit der kleinen, billigen Prozessoren-Dies, die man für gutes Geld überaus Margen-stark verkaufen konnte, für Intel schlicht vorbei.

Kaby Lake Coffee Lake Refresh
Core i7 – Core i9 Vierkern-Die = 126mm² Achtkern-Die = ~174mm²  (+38%)
Core i5 Vierkern-Die = 126mm² Sechskern-Die = 150mm²  (+19%)
Core i3 Zweikern-Die = 102mm² Vierkern-Die = 126mm²  (+24%)
Celeron – Pentium Zweikern-Die = 102mm² Zweikern-Die = ~102mm²  (±0)
Quelle der Chipflächen-Angaben: Wikichip #1 & #2

Und an exakt dieser Stelle liegt dann der simple Grund für Intels 14nm-Lieferschwierigkeiten: Intel verbrauchte plötzlich für dieselbe Klasse an millionenfach ausgelieferter Standard-Prozessoren deutlich mehr Chipfläche – was dann noch nicht einmal über höhere Preislagen ausgeglichen wurde. Dem plötzlichen Anstieg an benötigter Wafer-Kapazität war wahrscheinlich unmöglich zu begegenen, Intel rannte hierbei durchaus sehendenden Auges in diese Problematik. Aber die Steigerung der gebotenen CPU-Kerne (und damit deren größere Chipfläche) war für Intel einfach notwendig, um dem Ansturm von AMDs Prozessoren mit deren klar höherer Kern-Anzahl zu begegnen. Mit einem Core i3 auf zwei CPU-Kernen bräuchte sich Intel derzeit sicherlich nicht mehr gegenüber AMDs Mainstream-Portfolio blicken lassen, wo es inzwischen kaum noch Prozessoren mit unterhalb von vier CPU-Kernen gibt und jederzeit Alt-Modelle mit gleich sechs CPU-Kernen (zu Mainstream-Preislagen) erhältlich sind. In der Summe hat der wiederentfachte Wettbewerb im CPU-Segment Intel nicht nur zur (deutlichen) Anpassung seines Produkt-Portfolios gezwungen, sondern ist auch indirekt ursächlich für Intels aktuelle 14nm-Lieferschwierigkeiten.