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Wie AMDs Vega-11-Chip aussehen könnte

Neben dem derzeit viel diskutierten Vega-10-Chip (wenn AMD oder die Presse einfach nur über "Vega" sprich, dann ist in aller Regel jener gemeint) hat AMD bekannterweise auch noch eine kleinere Lösung auf seiner Roadmap stehen – Vega 11. Sowohl dessen Existenz als auch Zuordnung die "groß = Vega 10, klein = Vega 11" sind mehr oder weniger offiziell bestätigt – doch danach hören die griffigen Informationen zu Vega 11 leider auf. Allerdings kann man durchaus aufgrund der bekannten Daten zu Vega 10 (welche noch unvollständig sind, aber wenigstens ist Vega 10 mit 12-12,5 TFlops Rechenleistung und 512 GB/sec Speicherbandbreite schon ganz gut umrissen) sowie den feststehenden Daten zu Polaris 10 (nominell 5,8 TFlops und 256 GB/sec) gewisse Annahmen zu Vega 11 treffen, welche halbwegs zielgenau sein sollten. Denn schließlich geht Vega 11 nicht in einen luftleeren Raum, sondern wird aus einem gewissen Grund aufgelegt – welcher sich aller Wahrscheinlichkeit nach aus der deutlichen Lücke zwischen Polaris 10 und Vega 10 ergibt.

Jene liegt gemessen an der Rohleistung gerade einmal beim Doppelten, nominell reicht dies nicht aus für einen weiteren Grafikchip dazwischen. Allerdings liegt zwischen Polaris 10 und Vega 10 nicht nur die grob doppelte Rohleistung, sondern vor allem auch ein bedeutsamer Architektur-Schritt innerhalb von AMDs GCN-Architektur. Man kann dies derzeit nur grob schätzen, aber AMD wird ab der Vega-Generation wohl deutlich weniger Mehr-Rechenleistung gegenüber nVidia benötigen, um auf dieselbe Performance zu kommen. Bisher liegt jener Faktor bei ca. 1,4 – AMD benötigt also grob 40% mehr Rechenleistung, um mit nVidia mitzuhalten (anzutreffen beispielsweise bei Radeon RX 480 4GB vs. GeForce GTX 1060 3GB). Mit der Vega-Generation sollte dieser Faktor wie gesagt erheblich zurückgehen – geschätzt in Richtung 1,2, sprich AMD würde dann nur noch grob 20% mehr Rechenleistung für dieselbe Performance benötigen. Jene Schätzung ergibt sich aus der voraussichtlichen Performance einer Vega-basierten Grafikkarte in der Nähe der Titan X (Pascal), ins Verhältnis gesetzt zur Rohleistung dieser nVidia-Karte.

Diesen Punkt eingerechnet würde Vega 10 immer noch von der Rohleistung her nur auf dem Doppelten gegenüber Polaris 10 liegen, bei der Performance allerdings deutlich über dem Doppelten herauskommen – geschätzt bei ~115-130% Performanceplus auf eine Radeon RX 480 8GB oben drauf gelegt (4K Perf.Index: Radeon RX 480 8GB bei 72%, Titan X bei 173%). Dieser hohe Performanceunterschied rechtfertigt durchaus einen weiteren Grafikchip in der Mitte zwischen Polaris 10 und Vega 10 – an dieser Stelle wird dann Vega 11 ins Spiel kommen. Jener wurde bislang als eher "kleiner Grafikchip" eingeschätzt, meistens wurde eine glatte Halbierung von Vega 10 angenommen. Dies wird allerdings kaum funktionieren, damit würde Vega 11 dann Polaris 10 deutlich zu nahe kommen. Um bezüglich der Performance in der Mitte zwischen Polaris 10 und Vega 10 herauszukommen, müsste Vega 11 in etwa mit den folgenden Hardware-Daten antreten:

Spekulation No.1 Polaris 10 Vega 11 Vega 10
Chipfläche 232mm² (14nm GloFo) spekulativ ~340mm² (14nm GloFo) wahrschl. 485-500mm² (14nm GloFo)
Architektur GCN4 wahrschl. GCN5 wahrschl. GCN5
Technik 2304 Shader-Einheiten @ 256 Bit GDDR5-Speicherinterface spekulativ 2560 oder 2688 Shader-Einheiten @ 2048 Bit HBM2-Speicherinterface wahrschl. 4096 Shader-Einheiten @ 2048 Bit HBM2-Speicherinterface
Chiptakt ≤1266 MHz spekulativ ~1500 MHz wahrschl. ~1500 MHz
Speichertakt 4000 MHz DDR spekulativ 800 MHz DDR bestätigt 1000 MHz DDR
(nominelle) Rechenleistung 5,8 TFlops spekulativ ~8 TFlops bestätigt 12-12,5 TFlops
Speicherbandbreite 256 GB/sec spekulativ 409 GB/sec bestätigt 512 GB/sec
Speichermenge 4/8 GB GDDR5 spekulativ 8 GB HBM2 wahrschl. 8/16 GB HBM2
(maximale) TDP 150 Watt
(Realverbrauch 164 Watt)
spekulativ 190 Watt wahrschl. 250 Watt
(maximaler) 4K Perf.-Index 72% spekulativ ~110% geschätzt 155-165%
Alle Angaben dieser Tabelle zu noch nicht releasten Grafikchips sind natürlich unsicher, jene zum Vega-11-Grafikchip regelrecht spekulativ.

Dabei lassen sich benötigte Rechenleistung und dafür erforderliche Anzahl an Shader-Einheiten bei Vega 11 schon ganz gut kalkulieren, geht man von tatsächlich 4096 Shader-Einheiten bei Vega 10 (und dafür entsprechend hohem Chiptakt) aus: Um grob in die Mitte zwischen Polaris 10 und Vega 10 herauskommen, braucht es mit der (verbesserten) GCN5-Architektur ca. 8 TFlops Rechenleistung. Angenommen ähnliche Chiptaktraten wie beim Vega-10-Chip von ~1500 MHz, würde dies ziemlich exakt auf 2560 oder 2688 Shader-Einheiten hinauslaufen, mit einer anderen Anzahl passt diese Kalkulation schon nicht mehr oder es würde deutlich mehr Chiptakt benötigen. Eine Seitenchance haben hierbei noch 2432 Shader-Einheiten, dies würde dann allerdings einen vergleichsweise hohen Chiptakt von ~1650 MHz bedingen – unklar, ob AMDs neuer Designansatz bei der Vega-Generation dies schon ermöglichen kann.

Als Besonderheit gegenüber früheren Abschätzungen des Vega-11-Chips gehen wir allerdings davon aus, das ein derart potenter Vega-11-Chip nicht mit einem gegenüber dem Vega-10-Chip halbierten Speicherinterface antritt. Dies wäre zu viel an Abspeckung, da sich der HBM2-Speichertakt (ausgehend von den sicheren 1000 MHz bei Vega 10) nicht weiter erhöhen läßt und da ein nur 1024 Bit breites HBM2-Speicherinterface somit nur auf 256 GB/sec Speicherbandbreite kommen würde – nicht besser als bei Polaris 10, welcher gemäß allgemeiner Einschätzung doch schon ziemlich stark an seiner limitierten Speicherbandbreite hängt. Wer Vega 11 beachtbar schneller als Polaris 10 bekommen will, muß demzufolge zwingend auf ein größeres Speicherinterface setzen. GDDR5-Speicherinterfaces größer 256 Bit fressen dann zu viel an Platz, ergo dürfte AMD sicherlich das 2048 Bit HBM2-Interface von Vega 10 (mit schlicht einem niedrigeren Speichertakt) weiterbenutzen. Jenes ist zwar nicht ganz billig – aber nur über große Stückzahlen kommt die Massenfertigung an HBM2-Speicherchips samt entsprechender Interposer ausreichend in Fahrt, um den Kostenpunkt dieser Technologie deutlich abzusenken.

In der Summe würde AMD mit diesen (spekulativen) Daten zu Vega 11 somit die 4K-Performance der GeForce GTX 1070 (4K Perf.Index 107%) erreichen können – eine gute Zielsetzung, denn diese nVidia-Karte verkauft sich blendend, ist sie doch in jedem Fall mindestens so schnell wie die allerbesten Beschleuniger aus der vorhergehenden 28nm-Generation. Die dafür benötigte Chipfläche dürfte bei (geschätzt) ~340mm² herauskommen – vernünftig zwischen den 232mm² von Polaris 10 sowie den ~485-500mm² von Vega 10 liegend und damit durchaus sinnvoll, um dafür einen extra Grafikchip aufzulegen. Mit Polaris 10 wäre diese Performance sowieso nicht zu erreichen – mit einer stark abgespeckten Salvage-Lösung von Vega 10 sicherlich, aber das wäre dann auch arge Silizium-Verschwendung. Hinzu kommt, das AMD in den letzten Jahren eine klare Tendenz hatte, das alle Salvage-Lösungen von deren Performance her nicht all zu weit vom Top-Modell des jeweiligen Grafikchips entfernt lagen – Vega 10 auf das Niveau der GeForce GTX 1070 herunterzubrechen, ist zwar technisch machbar, widerspricht aber AMDs üblichen Ansatz.

Natürlich sind auch noch andere Auflösungen zu Vega 11 denkbar – in erster Linie in Richtung eines noch kleineren Grafikchips (noch größer macht aufgrund dem dann schnell nahekommenden Vega 10 wenig Sinn). Ein (noch) kleinerer Vega 11 würde eine größere Performance-Differenz gegenüber Vega 10 bedeuten, dafür aber näher an Polaris 10 heranrücken. Ob dies ein wirklich konkurrenzfähiges Portfolio ergibt, darf allerdings bezweifelt werden: Gegenüber der GeForce GTX 1060 sieht die Polaris-10-basierte Radeon RX 480 schon ganz vernünftig aus – und die nächsthöhere nVidia-Grafikkarte ist dann eben schon die GeForce GTX 1070. Eine Vega-11-Performance irgendwo zwischen GeForce GTX 1060 & 1070 wäre nur bei einem besonders aggressivem Preispunkt interessant werden, könnte ansonsten aber auch schnell in der Bedeutungslosigkeit dieser Karte enden (klar langsamer als die GeForce GTX 1070). Zudem dürfte AMD den Polaris-10-Chip auch weiterhin verkaufen wollen, ergo macht ein Vega 11 besonders nahe an Polaris 10 dran auch aus dieser Richtung her keinen größeren Sinn.

Eher gehen wir davon aus, daß AMD hier einen generellen Paradigmen-Wechsel vollzieht: Polaris 10 dürfte mit dem Erscheinen der Vega-Generation nahezu komplett ins Mainstream-Segment (bzw. untere Midrange-Segment) abgedrängt werden, sprich dann durchgehend zu Preislagen unterhalb von 200 Euro verkauft werden. Vega 11 dürfte AMDs neue "echte" Midrange-Lösung werden und hoffentlich nVidia dann auch beim Preispunkt der GeForce GTX 1070 endlich einmal unter Druck setzen. Hinzu kommen Vega 10 als klarer HighEnd-Chip sowie Polaris 12 als klarer LowCost-Chip (der Verbleib von Polaris 11 ist unklar, sofern Polaris 12 wirklich teilweise dessen Performance erreicht). AMDs 2017er Grafikchip-Portfolio könnte demzufolge folgendermaßen aussehen – wobei der Großteil der neuen AMD-Grafikkarten sicherlich nicht vor dem Sommer erscheinen wird und eventuelle Gegenmaßnahmen nVidias auch noch nicht einkalkuliert wurden:

AMD 2016 AMD 2017 nVidia
Enthusiast - Dual Vega 10 GP102
GeForce GTX 1080 Ti & Titan X
HighEnd - Vega 10 GP104
GeForce GTX 1070 & 1080
Midrange Polaris 10
Radeon RX 470 & 480
Vega 11 GP106
GeForce GTX 1060
Mainstream Polaris 11
Radeon RX 460
Polaris 10 GP107
GeForce GTX 1050 & 1050 Ti
LowCost - Polaris 12 GP108

Natürlich können wir uns hierbei immer noch (vollkommen) irren. Die dieser Spekulation zugrundeliegende Logik mag funktionieren, aber wenn AMD irgendwo einen anderen Ansatzpunkt sieht oder schlicht etwas völlig anderes in Planung hat als angenommen, dann sind dieser Logik natürlich die Grundlagen entzogen bzw. wäre diese entsprechend neu aufzubauen. Ergo darf man die vorstehende Spekulation eher denn als den "aktuellen Stand des Irrtums" betrachten. Wenn wir Glück haben und AMD die Grundannahmen nicht ändert, dann könnte dies durchaus nahe an die Realität herankommen – wenn nicht, dann kann dies am Ende auch noch völlig anders aussehen mit Vega 11. Dieses Restrisiko bliebt bestehen, so lange keinerlei griffigen und bestätigten Daten zu diesem AMD-Grafikchip vorliegen.

Nachtrag vom 17. Januar 2017

In Bezugnahme auf unsere Spekulationen zu AMDs Vega 11 gibt es auch noch die beachtbare These, das Vega 10 im Gaming-Segment eine höhere (nominelle) FP32-Rechenleistung von 14 TFlops aufbieten könnte, was dann alle anderen Werte entsprechend verschiebt. Begründet wird dies mit der AMD-Historie, wo beispielsweise Hawaii-basierte Profi-Beschleuniger auch schon niedriger takteten als entsprechende Gaming-Lösungen – und da AMDs bisherige Angaben von 12 TFlops für Vega 10 bzw. sogar 12,5 TFlops für die darauf basierende GPGPU-Lösung "Radeon Instinct MI25" allesamt dem Server-Segment zuzurechnen sind, hat diese These durchaus ihre Chance. Von den dann gleich 14 TFlops für Vega 10 unter Gaming-Bedingungen ausgehend schätzt man dann Vega 11 auf gleich 9,5 TFlops – beides allerdings erreicht durch höhere Taktraten und nicht durch mehr Hardware (selbige sollte gleich sein zu unserer bisherigen Spekulation).

Spekulation No.2 Polaris 10 Vega 11 Vega 10
Chipfläche 232mm² (14nm GloFo) spekulativ ~340mm² (14nm GloFo) wahrschl. 485-500mm² (14nm GloFo)
Architektur GCN4 wahrschl. GCN5 wahrschl. GCN5
Technik 2304 Shader-Einheiten @ 256 Bit GDDR5-Speicherinterface spekulativ 2560, 2688 oder 2816 Shader-Einheiten @ 2048 Bit HBM2-Speicherinterface wahrschl. 4096 Shader-Einheiten @ 2048 Bit HBM2-Speicherinterface
Chiptakt ≤1266 MHz spekulativ ~1700-1750 MHz spekulativ ~1650-1700 MHz
Speichertakt 4000 MHz DDR spekulativ 800 MHz DDR bestätigt 1000 MHz DDR
(nominelle) Rechenleistung 5,8 TFlops spekulativ ~9-9,5 TFlops spekulativ 13,5-14 TFlops
Speicherbandbreite 256 GB/sec spekulativ 409 GB/sec bestätigt 512 GB/sec
Speichermenge 4/8 GB GDDR5 spekulativ 8 GB HBM2 wahrschl. 8/16 GB HBM2
(maximale) TDP 150 Watt
(Realverbrauch 164 Watt)
spekulativ 200 Watt spekulativ 275 Watt
(maximaler) 4K Perf.-Index 72% spekulativ ~120% spekulativ ~175%
Alle Angaben dieser Tabelle zu noch nicht releasten Grafikchips sind natürlich unsicher, jene zum Vega-11-Grafikchip regelrecht spekulativ.

Ob sich aus diesem Mehr an Rechenleistung auch mehr Performance ziehen läßt als bisher seitens AMD (so halb) dargestellt, ist die große Frage: Deutlich höhere Vega-Taktraten (Richtung 1700 MHz) dürften sicherlich noch nicht mit den jetzigen, früheren Chipsteppings erreichbar sein – ergo ergibt sich hiermit nominell die Chance auf Mehrperformance mit den finalen Vega-Chips auf höheren Taktraten als bisher möglich. Dennoch ist es eine riskante Rechnung, von diesem kalkulierten Taktratensprung ausgehend dem Vega-10-Chip jetzt schon die volle Konkurrenzfähigkeit zu nVidias GP102-Chip zuzuschreiben, wenn die bisherigen Performance-Halbinformationen eher auf ein Niveau zwischen GP104 (GeForce GTX 1080) und GP102 (Titan X) hindeuten. Es bliebe wohl besser abzuwarten, wie sich die Vega-10-Performance entwickelt und was AMD noch durch neue Steppings und bessere Treiber herausholen kann. Vorab-Prognosen hierzu sollten sicherlich eher defensiv ausfallen, um AMD nicht gleich wieder vor unerfüllbare User-Ansprüche zu stellen.