Eine der großen Überraschungen zum Launch des Tonga-Grafikchips in Form der Radeon R9 285 ist die Größe dieses neuen Grafikchips: Eine Chipfläche von 359mm² mit 5,0 Milliarden Transistoren – und damit genauso groß wie der vorhergehende Tahiti-Chip mit einer Chipgröße von 365mm² und jedoch nur 4,3 Milliarden Transistoren. Dabei war man sich vor dem Launch ziemlich sicher darüber, daß der Tonga-Chip den Tahiti-Chip primär zugunsten einer höheren Wirtschaftlichkeit ablösen sollte – sprich mit weniger Transistoren und vor allem einer kleineren Chipfläche. Teilweise ging man sogar davon aus, daß der Tonga-Chip sogar den Pitcairn-Chip der Radeon R9 270 Serie ablösen soll, welcher mit 212mm² Chipfläche und 2,8 Milliarden Transistoren deutlich kleiner ist. Eine gute Vorabschätzung für den Tonga-Chip lautete daher auf eine Chipfläche von 280mm² und ca. 3,5 Milliarden Transistoren, erreicht primär über den Wegfall der Einheiten für den professionellen Einsatz sowie der Verkleinerung des Speicherinterfaces.
Daß der Tonga-Chip nunmehr (nahezu) genauso groß wie der Tahiti-Chip geworden ist und sogar 16% mehr Transistoren besitzt, wirft daher einige Fragen ob der Zielsetzung von AMD mit dem Tonga-Chip auf. Diese Fragen sind derzeit schwierig zu beantworten, da der Vollausbau des Tonga-Chips nicht sicher bekannt ist. Bekannt sind allein die Hardware-Daten der Radeon R9 285 mit 28 Shader-Clustern an einem 256 Bit DDR Speicherinterface samt der seitens AMD gegenüber dem Tech Report gegebenen Information, das es noch vier weitere, bislang deaktivierte Shader-Cluster gibt. Aber auch mit 32 Shader-Clustern an einem 256 Bit DDR Speicherinterface kommt man letztlich nicht dazu, einen Grafikchip mit gleich 5,0 Milliarden Transistoren erklären zu können – und vor allem nicht erklären zu können, wo der Sinn darin liegt, den Tahiti-Chip mit einer nahezu gleichen Hardware zur gleichen Chipgröße abzulösen. Folgende Optionen bieten sich zur Auflösung dieser Frage derzeit an:
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Der Tonga-Chip verfügt in der Tat nur über die genannten 32 Shader-Cluster an einem 256 Bit DDR Speicherinterface, möglicherweise auch an einem 384 Bit DDR Speicherinterface, dies bleibt sich letztlich gleich. Die höhere Transistorenanzahl ging letztlich für die verdoppelten Raster-Engines, andere kleine Verbesserungen und eventuelle Produktions-Tweaks drauf. Das Ziel bestand hierbei nur in einer Performance-mäßigen Ablösung des Tahiti-Chips zu einer besseren Wirtschaftlichkeit. Jene bessere Wirtschaftlichkeit wird trotz der nahezu gleichen Chipfläche über andere Punkte erzielt, welche außerhalb dessen liegen, was die Presse gewöhnlich erfährt – möglicherweise eine höhere Produktionsausbeute, möglicherweise ein etwas kostengünstigerer Fertigungsprozeß, wohl auch einfachere Grafikboards (zumindest bei einem 256 Bit DDR Speicherinterface). Besonders wahrscheinlich oder gar sexy ist diese Erklärung nicht, aber sie ist nicht unmöglich, denn insbeondere der Punkt der wirklichen Fertigungskosten ist von außen her nicht einsehbar. 2. 3. 4. |
Welche dieser Auflösungen zutrifft, wird sich mit der Zeit hoffentlich zeigen, eventuell bringt die Diskussion zu dieser Meldung auch noch weitere Gedankenansätze hierzu hervor. Aus der Sicht von Hardware-Enthusiasten wäre es natürlich schön, wenn der Tonga-Chip letztlich noch diverse Überraschungen bereithält und sich somit dessen Sinn (gegenüber dem Tahiti-Chip) wirklich erklären läßt. Bislang darf man es als wirkliches Rätsel betrachten, wieso AMD einen 365mm² großen Chip (Thaiti) des nominell gleichen Fertigungsverfahrens mittels eines 359mm² großen Chips (Tonga) ablöst, welcher weder mehr Performance noch andere wirklich ziehende Fortschritte mit sich bringt.
Nachtrag vom 7. September 2014
Noch nachzutragen zum Tonga-Chip ist noch eine Bestätigung, daß der Chip laut AMD definitiv in "28nm HP bei TSMC" gefertigt wird. Die Idee No.4 unserer Fragerunde, wofür AMD den Tonga-Chip aufgelegt hat, erledigt sich somit umgehend. Im übrigen muß sich diese Angabe von "28nm HP" nicht wirklich mit der früheren Meldung von zwei AMD HighEnd-Chips in "28nm HPM" beißen. Die Fertigungsverfahren-Bezeichnungen sind leider nicht so exakt abgegrenzt bzw. werden von verschiedenen Chipentwicklern auch unterschiedlich angewandt: Beispielsweise bezeichnet Microsoft den bei TSMC gefertigten Xbox-One-SoC auch als "28nm HPM" im Sinne einer Abkürzung von "28nm HP-HKMG", während bei Chipentwickler AMD derselbe Chip als "28nm HP" bezeichnet wird. Die wahrscheinlichste Auflösung ist schlicht, daß hier nirgends wirklich "28nm High Performance Mobile (HPM)" gemeint ist, sondern überall das standardmäßige "28nm High Performance" (28nm HP). 28nm HPM wird wohl wirklich nur für Mobile-Chips mit deutlich geringerem Energiehunger eingesetzt, was schlecht auf Grafikchips und Konsolen-SoCs übertragbar ist.