Wie in den letzten News vermeldet, hat der Grafikkartenhersteller Point of View (PoV) inzwischen gleich zwei arg beschnittene GeForce-Grafikkarten am Markt, ohne daß die konkreten Beschneidungen den entsprechenden Preisangeboten direkt und vollständig entnehmbar wären. Und als wenn das nun noch nicht schon schlimm genug wäre, produzieren sich derzeit leider auch andere Grafikkartenhersteller in dieser Disziplin: Grafikkarten mit einem klingendem Chipnamen zu verkaufen, deren wahre Technik dann nur noch wenig mit diesem Chipnamen zu tun hat.
Nun steht es generell jedem Hersteller frei, Produkte frei nach Gusto auf den Markt zu werfen – dies soll überhaupt nicht in Abrede gestellt werden. Der springende Punkt ist allerdings, daß Produktbenennungen niemals irreführend sein dürfen – es darf dem Käufer nicht ein Trabant verkauft werden, wenn dieser aufgrund der Namenswahl einen Ferrari erwartete, wenn dieses übertriebene Beispiel einmal erlaubt sei.
Zwar kann man an dieser Stelle argumentieren, daß nicht nur die Namenswahl eines Produkts entscheidend ist, sondern natürlich auch die gesamte Angebotsbeschreibung gilt. Allerdings ist das Kleingedruckte immer weniger wertig als das Fettgedruckte: Genauso wie ein sich selbst fettgedruckt als "kostenlos" bezeichnender Dienst nicht in den AGB plötzlich eine Kostenpauschale geltend machen kann, ist mittels des Kleingedruckten nachträglich aus dem Trabbi ein Ferrari zu machen.
Leider ist die Geschichte im Grafikkarten-Business nicht ganz so eindeutig wie vorstehend umrissen: Die Grafikchip-Namen sind zwar Vorgaben der Grafikchip-Entwickler, die dazu gehörenden technischen Spezifikationen aber vom Grafikchip-Entwickler den Grafikkartenherstellern nicht zwingend vorgeschrieben. Auf der anderen Seite der Medaille ergibt sich durch das Marketing und die Produktinformationen der Grafikchip-Entwickler faktisch schon ein Gewohnheitsrecht auf die üblichen Spezifikationen.
Denn die Grafikchip-Hersteller propagandieren die technischen Spezifikationen ihrer Grafikchips sehr offensiv, sowohl durch Pressemitteilungen, auf den eigenen Produkt-Webseiten und letztlich auch über die der Fachpresse für Hardware-Tests gestellten Informationen. Damit verfestigt sich insbesondere bei den häufig in der Presse genannten Grafikchips der Mainstream-, Performance- und HighEnd-Segmente das Wissen der Kundschaft um deren übliche Spezifikationen. Man kann mit Fug und Recht sagen, daß ein informierter Käufer dieser Produkte schlicht erwartet, daß beispielsweise eine GeForce 8800 GT ihre 112 Shader-Einheiten samt einem 256 Bit breiten Speicherinterface hat.
Trifft dies bei einem konkreten Produkt nicht zu (und wie gesagt haben die Hersteller alle Rechte, abweichende Produkte in den Markt zu schicken), ist dies dem Konsumenten aber auch direkt mitzuteilen. Jegliches Verstecken von solcherart wichtigen Angaben im Kleingedruckten kann nur als Versuch gewertet werden, zwar vom guten Namen des Grafikchips zu profitieren, dem Kunden aber bewußt nur eine minderwertige Variante unterzujubeln. Wer in irgendeiner Form deutlich vom normalen Standard abweichende Grafikkarten in den Markt bringt, hat dazu auch in vollem Umfang zu stehen!
Um so mehr bedauerlich ist, daß es inzwischen einige Produkte des Mainstream-, Performance- und HighEnd-Marktes gibt, welche sich nicht an diese eigentlich normale Regel halten. Dies mag vielleicht im LowCost-Markt gängig sein, wo es ständig Grafikkarten mit abweichenden Spezifikationen gibt, aber wie gesagt sollte dies bei wirklich leistungsfähigen Grafikkarten eigentlich nicht passieren.
Deshalb dokumentieren wir nachfolgend, welche Grafikkarten in den genannten Marktsegmenten uns derzeit bekannt sind, welche es mit den Spezifikationen der Grafikchip-Entwickler nicht so genau nehmen. Ziel der nachfolgenden Aufstellung soll sein, daß der geneigte Leser zum einen erkennen kann, welche Grafikkartenhersteller sich derzeit auf diesem eher unseligen Feld produzieren und zum anderen, bei welchen Karten man ganz konkret aufpassen muß.
Diese Auflistung erhebt natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, eventuell ergeben sich in der Diskussion zum Artikel noch weitere aktuelle Grafikkarten, welche in diese Auflistung gehören.
Nicht mit aufgenommen wurden im übrigen die DDR2-Versionen der GeForce 9500 GT, welche mit einem deutlich niedrigeren Speichertakt als die sonst üblichen GDDR3-Versionen antreten (nur 500 MHz anstatt 800 MHz). Allerdings wurde es schon angesprochen, daß solcherart Versionen im LowCost-Markt ziemlich üblich sind und daher niemanden mehr besonders beeindrucken. Zum anderen aber steht nVidia auf seiner GeForce 9500 GT Produktwebseite auch zu diesem Spezifikationen der DDR2-Version, kann somit also kein wirklicher Vorwurf erhoben werden.
Dies ist auch der Grund, wieso vorstehend die DDR2-Versionen der Radeon HD 3850 mit aufgenommen wurden, obwohl hier auch "nur" derselbe Unterschied in Form eines erheblich niedrigeren Speichertakts existiert: ATI steht auf seiner Radeon HD 3850 Produktwebseite nicht zu diesen DDR2-Versionen und ihrem erheblich niedrigerem Speichertakt, diese Variante wird dort mit keinem Wort erwähnt. Gerade aber die ehemalige Performance-Karte Radeon HD 3850 wird mit einem teilweise mehr als halbierten Speichertakt erheblich limitiert, hier kann man auf keinen Fall mehr von der "Performance einer Radeon HD 3850" reden.
Und auch wenn eben bei dieser Karte wirklich nur der Speichertakt abgesenkt wurde, ist die Radeon HD 3850 DDR2 ein perfektes Beispiel dafür, wie man nur mit einer einzigen Hardware-Änderung der Performance einer Grafikkarte ein gänzlich anderes Bild geben kann. Denn bei einer Halbierung des Speichertakts kann man von einem Drittel bis zur Hälfte weniger Performance ausgehen – oder umgedreht: Eine Radeon HD 3850 GDDR3 ist um die Hälfte bis das Doppelte schneller als eine Radeon HD 3850 DDR2. Dies verdient zweifelsfrei einen eigenen Grafikkartennamen, eine so erhebliche Leistungsdifferenz füllen die Grafikchip-Entwickler durchaus schon einmal mit zwei extra Grafikkarten.
Unserer Meinung nach gehört es eher zu den dunkelsten Stunden der Grafikkartenhersteller (und auch der Grafikchip-Entwickler, welche hier nicht regulatorisch eingreifen), wenn solche erheblich an der Performance beschnittenen Grafikkarten unter dem Namen des vollwertigen Produkts im Markt angeboten werden. Wenn dann noch hinzukommt, daß es für diese Modelle keine besseren oder angesichts der Leistungsdifferenz nur absolut unzureichend bessere Preise gibt, ist durchaus der Status der Kundenverarsche erreicht. Es ist zu bezweifeln, daß der Verkaufserfolg solcher Karten den Imageverlust für die betreffenden Hersteller wieder wettmacht, wenn enttäuschte Kunden diese Karten in den Händen halten und ihren Ärger im privaten Rahmen wie auch in Internetforen (zu Recht) Luft machen.