Der lange Weg zu den ersten 20nm-Grafikkarten

Montag, 29. April 2013
 / von Leonidas
 

Der angebliche bis wahrscheinliche Start der GeForce 700 Serie schon ab dem Mai stösst einiges von dem um, was an Zukunfts-Prognosen im Grafikkarten-Markt bisher als "ziemlich sicher" galt: Mittels der Verschiebung von AMDs Sea-Islands-basierter Radeon HD 8000 Serie auf das Jahresende gingen wir bisher davon aus, daß nVidia über das Jahr 2013 ebenfalls nichts neues bringen wird, sprich maximal zum Jahresende die ersten Teile der GeForce 700 Serie auflegen würde. Teilweise konnte man sogar über eine entsprechende Absprache zwischen AMD und nVidia diskutieren – welche es nun wohl doch nicht gibt, wenn nVidia tatsächlich die GeForce 700 Serie ab Mai an den Start bringt.

Mit der GeForce 700 Serie ab dem Mai würde nVidia seiner regulären Veröffentlichungs-Strategie folgen, wonach rund ein Jahr nach dem Release einer (echten) neuen Generation ein Refresh mit zumeist durchgehend unveränderten Chips antritt, welcher noch einmal ca. 15 bis 30 Prozent Performance oben drauf legt – je nachdem was die benutzten Grafikchips noch hergeben. Die kommende Refresh-Generation in Form der GeForce 700 Serie dürfte allerdings generell am unteren Ende dieser (allgemeinen) Performance-Prognose liegen, da nVidia in der aktuellen GeForce 600 Serie keine unaktivierte Hardware-Einheiten mehr hat, jeglicher Performance-Schub also nur über höhere Taktraten erzielt werden kann. Im HighEnd-Bereich wird nVidia wie bekannt sogar den GK110-Chip mit ins "normale" Portfolio einbinden – kann aber auch damit keine Wunder erzielen, um nicht der GeForce GTX Titan zu nahe zu kommen.

AMD 2013 nVidia 2013
Chip Ausfertigung Name Release Name Release
Extreme
nVidia: GK110
1. Variante GeForce GTX Titan Ultra Q4/2013
2. Variante GeForce GTX Titan 21. Februar 2013
3. Variante GeForce GTX 780 Ende Mai 2013
HighEnd
AMD: Curacao
nVidia: GK104
DualChip Radeon HD 8990 Q4/2013-Q1/2014 GeForce GTX 790 Q3-Q4/2013
1. Variante Radeon HD 8970 Q4/2013 GeForce GTX 770 Mitte Mai 2013
2. Variante Radeon HD 8950 Q4/2013 GeForce GTX 760 Ti Anfang Juni 2013
Performance
AMD: Hainan
nVidia: GK106
1. Variante Radeon HD 8870 Q4/2013-Q1/2014 GeForce GTX 760 Q3-Q4/2013
2. Variante Radeon HD 8850 Q4/2013-Q1/2014 GeForce GTX 750 Ti Q3-Q4/2013
Mainstream
AMD: Bonaire
nVidia: GK107
1. Variante Radeon HD 8770 Q4/2013-Q1/2014 GeForce GTX 750 Q3-Q4/2013
2. Variante Radeon HD 7790 22. März 2013
3. Variante Radeon HD 8750 Q4/2013-Q1/2014
LowCost
AMD: Oland
nVidia: GK208
Radeon HD 7400 Serie Q3-Q4/2013 GeForce GT 740 Serie Q3-Q4/2013
Anmerkung: Die Position der AMD- und nVidia-Grafiklösungen zueinander ist keinerlei Aussage bezüglich einer gleichwertigen Performance oder auch irgendeine Performance-Aussage, die Grafiklösungen wurden in dieser Auflistung schlicht hintereinanderweg aufgezählt.

Die abgesehen der GeForce 700 Serie interessanten Fragen zur langfristigen Zukunft lauten allerdings: Was bedeutet die nunmehr doch "normale" Releaseabfolge bei nVidia für die 2014er Grafikkarten von nVidia – und weshalb hat AMD die Radeon HD 8000 nunmehr doch einseitig auf das Jahresende zurückgezogen, obwohl man augenscheinlich zumindest Teile der dafür benötigten Grafikchips schon lieferbar hat (LowCost-Chip Oland und Mainstream-Chip Bonaire der Radeon HD 7790)? Hierbei geht es vor allem um das Erscheinen der nachfolgenden 20nm-Generationen, welche bei AMD die "Volcanic Islands" und bei nVidia "Maxwell" sein werden. Derzeit läßt sich nur rein spekulativ eine Antwort auf diese Fragen finden – und es gibt durchaus mehrere Zukunftsvarianten aus dieser Ausgangssituation.

Die erste, ganz platte Zukunftsvariante wäre, daß AMD die Radeon HD 8000 Serie zum Teil auch aus technischen Gründen zurückgezogen hat, ansonsten aber die eigenen 20nm-Pläne ganz normal weiterverfolgt. Diese 20nm-Grafikkarten dürfte dann sowohl seitens AMD als auch nVidia im Sommer/Herbst 2014 zu erwarten sein, je nachdem wann die 20nm-Fertigung seitens Auftragsfertiger TSMC mit den großen Grafikchips von AMD und nVidia zurechtkommt.

Zukunftsvariante I AMD nVidia
Q4/2011 Radeon HD 7000 Serie
GCN1-Architektur (Southern Islands), 28nm
Q1/2012 GeForce 600 Serie
Kepler-Architektur, 28nm
Q2/2013 GeForce 700 Serie
Kepler-Architektur, 28nm
Q4/2013 Radeon HD 8000 Serie
GCN1.1-Architektur (Sea Islands), 28nm
Q3/2014 Radeon HD 9000 Serie
GCN2-Architektur (Volcanic Islands), 20nm
GeForce 800 Serie
Maxwell-Architektur, 20nm

Ein Problem dieser Zukunftsvariante ist, daß AMD damit nVidia einen Großteil dieses Jahres kampflos übergibt, ohne daß dies einen langfristigen Nutzen hätte. Ein anderes Problem ist, daß diese Zukunftsvariante voraussetzt, daß die 20nm-Fertigung auch wirklich im Sommer/Herbst 2014 für Grafikchips zur Verfügung steht – ein Punkt, welcher aus Sicht der aktuell vorliegenden Informationen zum Stand der 20nm-Fertigung bei Auftragsfertiger TSMC sowie den Erfahrungen der Vergangenheit bei der Einführung neuer Fertigungsverfahren eher bezweifelt werden darf.

Eine zweite anzunehmende Zukunftsvariante kalkuliert diesen Punkt der wahrscheinlich später als erwartet und gedacht erscheinenden 20nm-Fertigung mit ein. Angenommen, jene 20nm-Fertigung steht für Grafikchips erst Ende 2014 oder gar erst Anfang 2015 zur Verfügung, haben AMD als auch nVidia bis dahin noch einen sehr langen Zeitraum zu überbrücken. AMD dürfte dies dann mittels der bekannten Verschiebung der Radeon HD 8000 Serie gelöst haben – während man bei nVidia annehmen kann, daß das zwischenzeitliche Gerücht, die ersten Maxwell-Chips würden noch in der 28nm-Fertigung erscheinen, vielleicht doch eine reale Grundlage hat.

Zukunftsvariante II AMD nVidia
Q4/2011 Radeon HD 7000 Serie
GCN1-Architektur (Southern Islands), 28nm
Q1/2012 GeForce 600 Serie
Kepler-Architektur, 28nm
Q2/2013 GeForce 700 Serie
Kepler-Architektur, 28nm
Q4/2013 Radeon HD 8000 Serie
GCN1.1-Architektur (Sea Islands), 28nm
Q2/2014 GeForce 800 Serie
Maxwell-Architektur, 28nm
Q4/2014 Radeon HD 9000 Serie
GCN2-Architektur (Volcanic Islands), 20nm
Q1/2015 GeForce 900 Serie
Maxwell-Architektur, 20nm

Die 28nm-Ära würde somit glatte drei Jahre dauern – welche AMD mit nur zwei Grafikkarten-Generationen überbrücken würde, nVidia hingegen mit gleich drei Grafikkarten-Generationen. Gegen diese Zukunftsvariante spricht, daß AMD eigentlich jedes Jahr eine neue Grafikkarten-Serie vorstellen will, hiermit aber die Radeon HD 8000 Serie über die Jahre 2013 und 2014 strecken würde. Aber zumindest wäre erklärbar, wieso nVidia seine GeForce 700 Serie ohne große Not so "früh" herausbringt – einfach weil nVidia durch die eingeschobene Maxwell-Generation in der 28nm-Fertigung einen volleren Release-Fahrplan als AMD hätte.

Weiterhin spricht gegen diese zweite Zukunftsvariante, daß es einer Maxwell-Generation in der 28nm-Fertigung wahrscheinlich maßgeblich an Zugkraft fehlen würde – ohne neue Fertigung kann man nur etwas an der Effizienz basteln, was jedoch nicht viel bringt. nVidia müsste wohl oder übel mit größeren Chipflächen daherkommen, um wirklich mehr Performance bieten zu können. Dies ist allerdings im beschränkten Rahmen durchaus machbar, die Chips der Kepler-Generation sind im Vergleich zu früheren nVidia-Chips nicht besonders groß ausgefallen.

Welche dieser Zukunftsvarianten eher zutreffend ist bzw. ob sich vielleicht noch andere plausible Zukunftsvarianten finden lassen, darf natürlich herzlich diskutiert werden. Derzeit sind diese mittelfristigen Pläne von AMD und nVidia aufgrund der Ungewißheit, wann die 20nm-Fertigung letztlich für Grafikchips zur Verfügung steht, noch ein großes schwarzen Loch. Was jedoch ziemlich sicher nicht passieren wird, sind irgendwelche Überraschungen ins Positive hin – wenn, dann verschiebt sich alles nur noch weiter nach hinten.

Anzumerken wäre noch zu den noch kommenden 28nm-Grafikkarten egal welcher Zukunftsvariante: Besonders viel an Mehrperformance gegenüber den aktuell schon verfügbaren 28nm-Grafikkarten werden diese nicht bieten können. Wir schätzen die Radeon HD 8000 Serie derzeit auf zwischen +15% und +30% Performancegewinn gegenüber der Radeon HD 7000 Serie ein, die GeForce 700 auf zwischen +10% und +20% Performancegewinn gegenüber der GeForce 600 Serie. In beiden Fällen gilt, daß am oberen Ende des Leistungsspektrums wohl der geringste Performancegewinn durch die neue Generation zu erwarten ist. Oder anders formuliert: Es spricht derzeit kaum etwas gegen den Erwerb einer Grafikkarte aus der Radeon HD 7000 & GeForce 600 Generation – die später kommenden 28nm-Grafikkarten werden es nicht entscheidend besser machen.