Launch-Analyse: AMD Radeon HD 7790

Freitag, 22. März 2013
 / von Leonidas
 

Im Februar hatte AMD noch mit der Ankündigung geschockt, seine eigentlich zum Jahreswechsel 2012/2013 erwartete Radeon HD 8000 Grafikkarten-Serie nicht vor dem vierten Quartal 2013 vorstellen zu wollen und daß es bis dahin nur ein paar Programmergänzungen im Rahmen der Radeon HD 7000 Serie geben wird. Die heute offiziell vorgestellte Radeon HD 7790 wird hierfür den Anfang machen – aber nur auf den ersten Blick hin, denn es handelt sich hierbei um die erste Desktop-Grafikkarte auf Basis der Sea-Islands-Generation, da AMD für die Radeon HD 7790 auf keinen der bekannten Southern-Islands-Chips setzt, sondern auf den neuen Bonaire-Chip.

Dieser Bonaire-Chip ist zweifelsfrei der Sea-Islands-Generation zuzuordnen, welche eigentlich einmal in die Radeon HD 8000 Serie münden sollte – was wahrscheinlich zum Jahresende auch noch passieren wird. Die Radeon HD 7790 stellt somit im eigentlichen einen kleinen Vorgriff auf die Radeon HD 8000 Serie dar – AMD geht hier den eher seltenen Weg der Umbenennung nach unten hin und ordnet diese neue Grafikkarte der Radeon HD 7000 Serie zu, obwohl der zugrundeliegende Grafikchip eigentlich für die Radeon HD 8000 Serie gedacht ist. Gut möglich, daß es zum Jahresende dann Radeon HD 8000 Grafikkarten geben wird, welche die exakt gleichen oder aber sehr ähnliche Spezifikationen gegenüber der Radeon HD 7790 aufweisen.

Allerdings wird bei der Sichtung der Unterlagen zum Bonaire-Chip auch klar, daß die Sea-Islands-Generation technologisch betrachtet keinen echten Unterschied zur Southern-Islands-Generation bietet. In beiden Fällen handelt es sich um die GCN1-Architektur, welche bei Bonaire nur minimale Änderungen zugunsten von HSA-Fähigkeiten erhalten hat (sehr gut dargelegt bei Hardware.fr), speziell den Gamer-Bereich betrachtet ändert sich jedoch gar nichts. Die Idee, die Sea-Islands-Generation könne irgendetwas mitbringen, was die Bezeichnung "GCN2" verdienen würde, darf damit vorerst als erledigt betrachtet werden – sofern AMD nicht doch noch mit bedeutsamen technologischen Änderungen bei den größeren Chips der Sea-Islands-Generation überrascht (wie im Rahmen der Radeon HD 6000 Serie geschehen, wo die Radeon HD 6900 Serie einen technologischen Sprung hinlegte, die kleinere Karten dieser Radeon HD 6000 Serie jedoch technologisch gleich zur Radeon HD 5000 Serie blieben).

Damit kann man sich also unabhängig der Abstammung des Bonaire-Chips aus der Sea-Islands-Generation bei der heute vorgestellten Radeon HD 7790 ganz auf deren Gaming-Performance und den Vergleich zu den existierenden 28nm-Grafiklösungen konzentrieren. Die Radeon HD 7790 geht augenscheinlich in die große Angebotslücke zwischen Radeon HD 7770 & 7850 hinein, soll jedoch nicht nur die ebenfalls dort angesiedelte GeForce GTX 650 Ti von nVidia schlagen, sondern sich vielmehr gleich mit deren demnächst kommender Erweiterung in Form der GeForce GTX 650 Ti "Boost" duellieren und mittelfristig sogar die 1-GB-Version der Radeon HD 7850 ersetzen. Dafür wird letztlich eine Performance deutlich mehr als bei der Radeon HD 7770 und natürlich deutlich in der Nähe zur Radeon HD 7850 notwendig.

Für diesen Zweck muß die Radeon HD 7790 demzufolge eine durchaus kräftige Hardware aufbieten, was der zugrundeliegende Bonaire-Chip auch ganz gut erfüllt: Gegenüber dem Cape-Verde-Chip der Radeon HD 7700 Serie mit nur einer Raster-Engine und 640 Shader-Einheiten geht der Bonaire-Chip gleich mit zwei Raster-Engines und 896 Shader-Einheiten ins Feld, was fast dem Niveau der Pitcairn-basierten Radeon HD 7850 von zwei Raster-Engines und 1024 Shader-Einheiten entspricht. Allenfalls beim Speicherinterface läßt der Bonaire-Chip seine Mainstream-Zielrichtung weiterhin durchblicken, jenes liegt bei zum Cape-Verde-Chip gleichen 128 Bit DDR – wogegen der Pitcairn-Chip der Radeon HD 7800 Serie hierbei mit 256 Bit DDR weiterhin klar potenteres bietet.

Radeon HD 7770 Radeon HD 7790 Radeon HD 7850 GeForce GTX 650 Ti GeForce GTX 650 Ti "Boost"
Chipbasis AMD Cape Verde, 1,5 Mrd. Transistoren in 28nm auf 123mm² Chipfäche AMD Bonaire, 2,08 Mrd. Transistoren in 28nm auf 160mm² Chipfläche AMD Pitcairn, 2,8 Mrd. Transistoren in 28nm auf 212mm² Chipfläche nVidia GK106, 2,54 Mrd. Transistoren in 28nm auf 214mm² Chipfläche
Architektur GCN1, DirectX 11.1 GCN1, DirectX 11.1 GCN1, DirectX 11.1 Kepler, DirectX 11.0 Kepler, DirectX 11.0
Technik 1 Raster-Engine, 640 (1D) Shader-Einheiten, 40 TMUs, 16 ROPs, 128 Bit DDR Interface 2 Raster-Engines, 896 (1D) Shader-Einheiten, 56 TMUs, 16 ROPs, 128 Bit DDR Interface 2 Raster-Engines, 1024 (1D) Shader-Einheiten, 64 TMUs, 32 ROPs, 256 Bit DDR Interface 2 Raster Engines, 768 (1D) Shader-Einheiten, 64 TMUs, 16 ROPs, 128 Bit DDR Interface 2 Raster Engines, 768 (1D) Shader-Einheiten, 64 TMUs, 24 ROPs, 192 Bit DDR Interface
Taktraten 1000/2250 MHz 1000/3000 MHz 860/2400 MHz 925/2700 MHz 980/1033/3000 MHz
Speicherausbau 1 GB GDDR5 1 GB GDDR5 1/2 GB GDDR5 1/2 GB GDDR5 2 GB GDDR5
Layout DualSlot DualSlot DualSlot DualSlot DualSlot
Kartenlänge 21cm 18-22cm 24cm 15cm 15cm
Stromanschlüsse 1x 6pol. 1x 6pol. 1x 6pol. 1x 6pol. 1x 6pol.
TDP 100W 100W 150W 110W 140W
Idle-Verbrauch 10W 10W 11W 8W geschätzt ~8W
Spiele-Verbrauch 69W 81W 96W 72W geschätzt ~90W
3DC Perf.Index
(1920x1080 4xAA)
145% 185% 220% 170% geschätzt 200-220%
Listenpreis 139$ 149$ 1GB: 189$
2GB: 209$
149$ ?
Straßenpreis 95-105€ erwartet für ca. 140€ ab Anfang April 1GB: 140-150€
2GB: 155-170€
1GB: 120-130€
2GB: 130-150€
erwartet für ~150€
Launch 15. Februar 2012 22. März 2013 5. März 2012 9. Oktober 2012 erwartet für Anfang April 2013

Damit kommt die Radeon HD 7790 in den Disziplinen Rechen- und Texturierleistung sowie Rasterizer-Power sogar auf ein Niveau leicht oberhalb der Radeon HD 7850, liegt allerdings bei der ROP-Power sowie der Speicherbandbreite weiterhin klar gegenüber dieser zurück. Eine gewisse Bandbreiten-Limiertung der Radeon HD 7790 dürfte somit zu erwarten sein – und eine schlechte Eignung, will man über 1920x1080 mit geringfügig bis mittlerem Anti-Aliasing-Einsatz hinausgehen. Die standardmäßig nur 1 GB Grafikkartenspeicher unterstreichen diese erste Einschätzung zusätzlich, damit verbieten sich höhere Auflösungen wie auch höhere Anti-Aliasing-Formen ziemlich automatisch.

Abgesehen von der Abstammung aus der Sea-Islands-Generation hat die Radeon HD 7790 noch eine kleine Eigenheit zu bieten: Einen aktiven Boost-Modus – allerdings ohne das bisher bekannte System aus Grundtakt sowie Ziel- oder Maximal-Takt, sondern einen Boost-Modus mit nur einem Maximal-Takt. Konkret hat die Radeon HD 7790 einen maximalen Takt von 1000 MHz, welcher allerdings durch den Boost-Modus der Karte reguliert wird und je nach Belastung also auch reduziert werden kann. In dem Sinne handelt es sich hier also um einen negativen Boost-Modus, welcher wenn dann nur die Performance der Karte absenken kann – sofern jene häufig unterhalb des maximalen Takts operiert.

In der Praxis ist dies allerdings nicht der Fall, selbst die heute oftmals getesteten ab Werk übertakteten Ausführungen der Radeon HD 7790 mit Taktraten von bis zu 1075 MHz erreichten ihr Taktziel nahezu durchgehend. Vielerorts wird dies auf die Verbesserung des Boost-Modus bei der Radeon HD 7790 geschoben, welcher nunmehr schneller und mit kleineren Abstufungen reagieren kann – in der Praxis dürfte AMD das ganze System aus Grafikchip, Grafikkarte und TDP schlicht derart optimiert haben, daß die gewünschte Zieltaktrate eben nahezu durchgehend erreicht wird. Nichtsdestotrotz ist der Boost-Modus der Radeon HD 7790 nur dazu zu gebrauchen, die real anliegende Taktrate herunterzusetzen – anstatt im Gegenteil heraufzusetzen.

Stichwort "ab Werk übertaktete Karten": So wie es ausschaut, wird es die Radeon HD 7790 in großer Anzahl ab Werk übertaktet geben, AMD bewirbt diese oberhalb der eigentlichen Spezifikation stehenden Karten in seiner Präsentation zur Radeon HD 7790 sogar höchstselbst. Damit einher geht, daß die ab Werk übertakteten Karten in aller Regel vom AMD-Referenzdesign abweichen, bemerkbar durch viel längere Platinen: Das AMD-Referenzdesign ist ca. 18cm lang, verschiedene Herstellerkarten erreichen allerdings problemlos 22cm Kartenlänge. In die andere Richtung scheint es leider nicht zu gehen, womit für sehr kleine Gehäuse die GeForce GTX 650 Ti Karten mit einer Länge des Referenzdesigns von nur 15cm weiterhin besser gerüstet sind.