Launch-Analyse: AMD Radeon R9 290 (Seite 2)

Dienstag, 5. November 2013
 

Jene Maßnahme dürfte sich dann auch günstig auf die Leistungsaufnahme der Karte auswirken, welche mit im Schnitt der Messungen 253 Watt unter Spielen sogar etwas höher als im Quiet-Modus der Radeon R9 290X ausfällt. Zum Glück für AMD ist der Stromverbrauch im HighEnd-Segment nicht so wichtig, wird ein etwas höherer Wert hier durchaus toleriert. Interessant ist, daß die Karte bei zwei von vier Testberichten als stromhungriger als die Radeon R9 290X ausgemessen wurde – in den anderen beiden Testberichten ist das Verhältnis dann dagegen eher "normal", was im Endeffekt auf eine große Streubreite an verwendeten Grafikchips hindeutet.

Hardware.fr Heise HT4U PCGH TechPowerUp Ø
Radeon R9 280X 18W
211W
16,3W
228,6W
13W
203W
16W
217W
Radeon HD 7970 "GHz Edition" 13W
225W
13W
206W
13,0W
254,3W
15W
247W
14W
209W
14W
235W
Radeon R9 290 20W
246W
20W
?
18,6W
289,4W
21W
241W
16W
214W
19W
253W
Radeon R9 290X (Quiet) 21W
219W
?
266W
20,0W
231,1W
21W
249W
16W
236W
20W
239W
Radeon R9 290X (Uber) 22W
278W
20,0W
306,9W
21W
269W
17W
246W
20W
279W
GeForce GTX 770 11W
155W
9,8W
195,1W
10W
179W
8W
162W
10W
180W
GeForce GTX 780 13W
171W
12W
173W
12,0W
198,9W
14W
222W
10W
199W
12W
189W
GeForce GTX Titan 13W
180W
11,9W
198,1W
13W
214W
10W
208W
12W
203W
Der obere Wert einer Zelle ist immer der Idle-Stromverbrauch, der untere Wert einer Zelle immer der Spiele-Stromverbrauch (jeweils der reinen Grafikkarte).

Bei der Radeon R9 290 können augenscheinlich also auch mal eher "schlechte" Hawaii-Grafikchips zum Einsatz kommen, welche nur mit höheren Chipspannungen auf die benötigten Taktraten geprügelt werden können. Dies dürfte auch die Streubreite im Overclocking-Einsatz erhöhen: Wenn es sehr gut läuft, sind – unter extremen Lüfterdrehzahlen und damit Lüfterlautstärken – Taktraten von bis zu 1100 MHz möglich, welche die Karte auf eine Performance sogar etwas schneller als im Uber-Mode der Radeon R9 290X führen. Eben aufgrund der Geräuschentwicklung dürfte dies aber eher nur ein Thema für die Eigendesigns der Grafikkarten-Hersteller werden.

Bei der Performance-Ermittlung liegt wieder dasselbe Problem vor wie schon bei der Radeon R9 290X: Aufgrund der stark abweichenden durchschnittlichen Taktrate von der nominellen Taktrate ist es entscheidend für die Benchmarks, daß jene unter realitätsnahen Bedingungen durchgeführt wurden: Sprich, nicht im offenen Teststand mit bestmöglicher Frischluft-Zufuhr, sondern idealerweise im geschlossenen Gehäuse mit normaler Anzahl von langsam drehenden Lüftern – oder eben nach einer gewissen Vorwärmphase, welche die Grafikkarte auf Temperaturen bringt. Glücklicherweise hat sich dieser aufwendigen, jedoch einzig korrekten Testmethode neben den drei deutschen Webseiten HT4U, PCGH und ComputerBase nun auch noch die US-Webseite AnandTech verschrieben, so daß wenigstens ein paar (gute) Benchmark-Ergebnisse zur Radeon R9 290 vorliegen.

Nichtsdestotrotz sind die Benchmarks zur Radeon R9 290 eine sehr seltsame Angelegenheit: Je nachdem, welche ermittelte durchschnittliche Taktrate die Hardware-Tester angesetzt haben, fallen dann auch die Ergebnisse aus. Bei der ComputerBase ist dies mit nur 826 MHz recht niedrig, bei der PCGH mit 880 MHz eher hoch, und bei HT4U mit gleich 922 MHz dann (logischerweise) nahe der Resultate der Radeon R9 290X in derem Quiet-Modus. Dabei wird beispielsweise von der PCGH zugegeben, daß die 880 MHz Takt im Sommer oder/und in einem schlecht belüfteten Gehäuse kaum zu halten sein werden. Wir halten daher vorerst die Taktraten-Ermittlung der ComputerBase für am realistischsten (da auch auf Basis einer ganzen Reihe an Spielen vorgenommen) – allerdings kann wohl erst die langfristige Praxis zeigen, was die Karte im Sommer wirklich macht. In jedem Fall streuen somit auch diese wenigen Benchmarks noch recht deutlich:

1920x1080 4xAA 280X 290 290X (Quiet) 780 Titan
HT4U 82,1% 100% 100,5% 92,9% 101,0%
PC Games Hardware - 100% 103,0% 102,2% -
ComputerBase 83,8% 100% 105,6% 99,8% 106,5%
AnandTech 80,8% 100% 103,9% 97,6% 106,3%
1920x1080 8xAA 280X 290 290X (Quiet) 780 Titan
HT4U 78,2% 100% 100,6% 93,2% 99,1%
1920x1080 4xSSAA 280X 290 290X (Quiet) 780 Titan
HT4U 80,3% 100% 101,8% 84,7% 93,1%
PC Games Hardware - 100% 106,0% 112,6% -
2560x1600 4xAA 280X 290 290X (Quiet) 780 Titan
HT4U 81,8% 100% 101,3% 89,0% 97,7%
ComputerBase 85,1% 100% 97,9% 104,8% 106,0%
AnandTech 78,0% 100% 102,6% 93,5% 103,1%
2560x1600 8xAA 280X 290 290X (Quiet) 780 Titan
HT4U 77,4% 100% 100,0% 89,2% 95,6%
2560x1600 4xSSAA 280X 290 290X (Quiet) 780 Titan
HT4U 80,2% 100% 102,2% 81,3% 90,0%
3840x2160 4xAA 280X 290 290X (Quiet) 780 Titan
ComputerBase - 100% 108,4% 92,8% 103,3%
AnandTech 78,0% 100% 101,5% 84,7% 94,3%

Andererseits läßt sich unter Zusammenfassung und Zusammenrechnung dieser Zahlen dann durchaus schon eine gewisse Linie erkennen: Die Radeon R9 290 liegt unter 1920x1080 4xAA gewöhnlich um 3% bis 4% hinter der Radeon R9 290X zurück. Einige Tester kommen auf geringere Unterschiede gerade in einzelnen Tests, was die Karte dann noch näher an die Radeon R9 290X heranführt. Ob dies von AMD (gerade angesichts des Preispunkts) so beabsichtigt war, wäre allerdings zu bezweifeln – vermutlich hat AMD damit gerechnet, daß breiter realitätsnah getestet wird und die Radeon R9 290 somit bei noch mehr Testern nicht durchgängig auf 947 MHz laufen kann. In jedem Fall kann die Radeon R9 290 schon unter diesem Standard-Setting die GeForce GTX 780 bei nahezu allen Hardware-Tests überrunden, womit AMDs Kern-Zielsetzung bei dieser Karte erfüllt sein dürfte.

Unter 2560x1600 4xAA verschiebt sich das Bild nochmals etwas zugunsten der Radeon R9 290, welche hier sogar im Schnitt der Benchmarks faktisch gleich zur Radeon R9 290X herauskommt. Natürlich ist dies auch durch die identische Speicherbandbreite der Karte begründet, nichtsdestotrotz handelt es sich um ein eher irrationales Ergebnis – immerhin ist die Radeon R9 290 satte 150 Dollar günstiger als die Radeon R9 290X. Unter diesem Setting geht zudem der Abstand zu den nVidia-Grafikkarten weiter zurück, wird die GeForce GTX 780 klarer geschlagen und liegt die Performance der GeForce GTX Titan nur noch um 2,2% entfernt.

Unter den noch höheren Settings, welche alle Tests unter 8x Multisampling Anti-Aliasing und 4x Supersampling Anti-Aliasing sowie Tests unter der 4K-Auflösung von 3840x2160 umfasst, verschieben sich die Ergebnisse dann noch einmal etwas zugunsten der Radeon R9 290: Zwar kommt der Abstand zur Radeon R9 290X wieder auf eher realistische 2,9%, dafür liegt man dann gleich grob 10% vor der GeForce GTX 780 sowie erreicht knapp eine minimal bessere Performance als die GeForce GTX Titan. Angesichts der Preispunkte von Radeon R9 290 (399$) und GeForce GTX Titan (999$) ist dies eine überaus beeindruckende Vorstellung der Radeon R9 290.

280X 290 290X (Quiet) 780 Titan
1920x1080 4xAA 82,2% 100% 103,3% 98,0% 106,1%
2560x1600 4xAA 81,5% 100% 100,6% 95,5% 102,2%
alle höheren Settings 80,1% 100% 102,9% 90,6% 99,5%
3DCenter Performance-Index 380% 460% 480% 440% 480%

In der Summe der Dinge halten wir somit einen Einstufung der Radeon R9 290 in unserem Performance-Index auf einer Wertung von 460% für gerechtfertigt. Diese Einstufung verdeutlicht zum einen die Nähe zur Radeon R9 290X (480%) und zum anderen den gewissen Vorsprung gegenüber der GeForce GTX 780 (440%).

Die Radeon R9 290 kommt somit noch etwas besser heraus, als es die Vorab-Tests vermuten lassen haben – was sich aber eben durch die neue maximale Lüfterdrehzahl ergibt, welche AMD der Karte nur zwei Tage vor dem ursprünglich avisierten Launch verordnet hat. Ohne diese Änderung wäre die Radeon R9 290 in der Tat langsamer als die GeForce GTX 780 herausgekommen, nun liegt AMD etwas schneller. Allerdings liegt die Radeon R9 290 damit auch eigentlich viel zu nahe an der Radeon R9 290X heran, beide Karten trennen gewöhnlich nur ein paar Prozentpunkte an Performance. Selbst gegenüber dem Uber-Mode der Radeon R9 290X liegt die Radeon R9 290 nur grobe 10% zurück – sehr wenig angesichts des deutlichen Preisunterschieds.

Perf.Index Listenpreis Euro-UVP Straßenpreis Kontrahenten
Radeon R9 290X 4GB 480% 549$ 475€ 480-500€ (nicht lieferbar)
PreisRoboter Geizhals Amazon
GeForce GTX Titan 6GB  (480%, 840-880€)
Radeon R9 290 4GB 460% 399$ 344€ 360-380€
PreisRoboter Geizhals Amazon
GeForce GTX 780 3GB  (440%, 420-450€)
Radeon R9 280X 3GB 380% 299$ 249€ 250-280€
PreisRoboter Geizhals Amazon
Radeon HD 7970 "GHz Edition" 3GB  (390%, 280-320€)
GeForce GTX 770 2GB  (380%, 270-300€)
Radeon R9 270X 2GB 290% 199$ 165€ 160-180€
PreisRoboter Geizhals Amazon
Radeon HD 7870 "Boost Edition" 2GB  (290%, 180-210€)
GeForce GTX 660 Ti 2GB  (280%, 185-210€)
Radeon R7 260X 2GB 200% 139$ 130€ 120-135€
PreisRoboter Geizhals Amazon
Radeon HD 7850 2GB  (220%, 125-150€)
GeForce GTX 650 Ti "Boost" 2GB  (220%, 130-145€)
Radeon R7 250 1GB GDDR5 105-110% 89$ ? 70-85€
PreisRoboter Geizhals Amazon
Radeon HD 7750 1GB GDDR5  (110%, 70-80€)
GeForce GTX 650 1GB  (115%, 80-95€)

Beschränkt man sich nur auf die Preis/Leistungs-Betrachtung, müssten für die Radeon R9 290 extra neue Awards erfunden werden: Sicherlich wird mit der Karte nicht das exzellente Preis/Leistungs-Verhältnis der Radeon R9 280X erreicht, aber diese Karte spielt auch in einer tieferen Liga. Betrachtet rein das obere HighEnd-Segment, bietet die Radeon R9 290 ein klar besseres Preis/Leistungs-Verhältnis als die direkten Kontrahenten Radeon R9 290X und GeForce GTX 780 – und ein geradezu astronomisch besseres Preis/Leistungs-Verhältnis gegenüber der nur minimal schnelleren, aber mehr als doppelt so teuren GeForce GTX Titan. Nicht umsonst überschlagen sich in den englischsprachigen Foren derzeit gerade die User und titulieren die Radeon R9 290 als "399$-Beast".

In den deutschsprachigen Foren läuft die Diskussion zur Radeon R9 290 dagegen deutlich unbeeindruckter bzw. kritischer ab. Der Grund hierfür liegt schlicht in der weitgehenden Nichtbenutzbarkeit des Referenzdesigns mit seinem auf 47% maximaler Drehzahl viel zu lautem Lüfter. Nur wer in dieser Frage wirklich unempfindlich ist, kann gern und beherzt zur Radeon R9 290 in der jetzigen Form greifen. Allen anderen ist das Abwarten auf die Eigendesigns der Grafikkarten-Hersteller streng empfohlen – welche man dann aber auch noch einmal extra durchmessen müsste, da ein neuer Kühler schließlich auch den real anliegenden Chiptakt maßgeblich beeinflußt. Hierbei kann es positive Überraschungen – Karten mit dauerhaft 947 MHz Takt und demzufolge einer Performance oberhalb der Radeon R9 290X – aber auch negative Überraschungen geben, wo die geringere Lautstärke dann mit Einbußen bei der real anliegenden Taktrate erkauft wird.

Kritikwürdig an der Radeon R9 290 ist in jedem Fall, daß es AMD erneut nicht geschafft hat, ein solides Referenzdesign in den Markt zu schicken. Vielmehr toppt das Referenzdesign zur Radeon R9 290 sogar noch AMDs frühere Fehlversuche in diese Richtung hin und stellt damit eine der mißlungensten Grafikkarten der jüngeren Vergangenheit dar. Es ist völlig unerklärlich, wie die Radeon R9 290 gegenüber AMDs interner Produktprüfung durchgekommen ist bzw. was sich die verantwortlichen Manager hierbei gedacht haben mögen. Sicherlich hat man nun einen netten Wow-Effekt auf Performance- und Preis-Seite – aber das Problem der sich über die Zeit festgesetzten Meinung, daß AMD nur arg zweifelhafte Referenzdesigns auflegt, hat man damit nicht angegangen, sondern sogar nur noch weiter untermauert. An dem damit einhergehenden abwertenden Urteil gegenüber AMD knappert der Grafikchip-Entwickler nun schon seit Jahren – und eigentlich hatte man es sich zur Aufgabe gestellt, hier mal deutliche Besserung zu bringen. Noch viel schlimmer ist, daß diese Aufgabe überhaupt nicht unlösbar ist, wie die vielen am Markt verfügbaren hochklassigen Grafikkarten-Kühler beweisen.

So bleibt nach diesem Launch ein arg zwiespältiges Gefühl: Wir sehen eine Grafikkarte, welche nominell das Angebot des Jahres im HighEnd-Segment darstellt, wenn man allein Performance und Preis gegenüberstellt. Doch gleichzeitig kann keine Empfehlung für diese Grafikkarte ausgesprochen werden, da jene einfach zu laut für die heutigen Ansprüche agiert und zudem die Performance unter ungünstigen thermischen Bedingungen auch noch etwas leidet. Man kann diesen Launch sozusagen als "Preview" dafür sehen, was die Radeon R9 290 leisten könnte – und muß sich dann leider damit zufriedengeben, daß man doch auf die erst in einigen Wochen zu erwartenden Hersteller-Designs warten muß. Dieser Zustand ist deutlich unbefriedigend – und es würde uns nicht wundern, wenn die Radeon R9 290 zumindest im deutschsprachigen Raum im klaren Gegensatz zur Radeon R9 290X nicht so schnell den Status "ausverkauft" erreichen würde.