Wie schnell könnte eine Radeon HD 4890 X2 sein?

Donnerstag, 16. April 2009
 / von Leonidas
 

Die Frage nach dem Sinn einer Radeon HD 4890 X2 haben wir bisher eher abschlägig beantwortet – wohl etwas vorschnell. Zwar stimmt erst einmal die Theorie, daß eine Radeon HD 4890 X2 kaum mehr als 10 Prozent schneller als eine Radeon HD 4870 X2 sein und daß das Overclocking-Potential des RV790-Chips bei dieser DualChip-Lösung aus thermischen Gründen nicht zum Tragen kommen dürfte. Zudem reicht normalerweise ein Prestigeobjekt an der absoluten Leistungsspitze aus – und diese Rolle kann die Radeon HD 4870 X2 nach wie vor sehr gut erfüllen. Allerdings würde eine Radeon HD 4890 X2 womöglich in die Lage gelangen, nVidia bzw. deren GeForce GTX 295 wieder vom Performancethron zu stoßen.

Und dies wäre dann doch wieder mehr als eine kurze Überlegung wert, der psychologische Vorteil des schnellsten Beschleunigers im Markt ist einfach nicht zu unterschätzen. Denn sowohl der Erfolg der gesamten Radeon HD 4800 Serie basiert zu einem beachtlichen Teil auf der vormaligen Performanceführerschaft der Radeon HD 4870 X2 als auch der Rebound nVidias ab Jahresanfang an der mit der GeForce GTX 295 neu gewonnenen Performancekrone festzumachen ist. Zudem wäre ein weiterer Konter nVidias auf eine Radeon HD 4890 X2 nicht zu erwarten, da der GT200b-Chip ausgereizt erscheint und nVidia im HighEnd-Segment vor dem GT300-Chip zum Jahresende nichts mehr geplant hat.

Steht also die Frage im Raum, ob die 10 Prozent Mehrperformance, welche eine Radeon HD 4890 X2 bestenfalls auf die Leistungen einer Radeon HD 4870 X2 draufzulegen vermag, ausreichend ist, um der GeForce GTX 295 gefährlich werden zu können. Theoretischerweise ließe sich diese Frage ziemlich einfach durch Benchmarks eines CrossFire-Gespanns aus zwei Radeon HD 4890 Karten beantworten (wobei die Radeon HD 4890 X2 dann in der Realität minimal langsamer sein sollte, weil sie nicht über zwei PCI Express Anbindungen verfügt wie die beiden Einzel-Grafikkarten). In der Praxis gibt es derzeit aber recht wenige dieser Benchmarks – und die wenigen vorhanden sind durch vollkommen unterschiedliche bzw. teilweise alte Treiberversionen eher denn unbrauchbar.

Als Beispiel mag hier der Artikel von techPowerUp gelten, wo die Radeon HD 4890 (CrossFire) mit ihrem Launch-Treiber lief, die restlichen ATI-Karten dagegen mit dem Catalyst 9.1 vom Januar und die Mehrzahl der nVidia-Karten ebenfalls mit einem älteren Treiber, dem 181.20 vom Januar. Damit ergeben sich dann solch irritierenden Ergebnisse wie ein teilweise 20prozentigere Unterschied zwischen Radeon HD 4870 X2 und Radeon HD 4890 CrossFire, welcher eben allein durch die verschiedenen Treiberversionen so groß ausfällt – die Hardware steht hier nur für die Hälfte dieser Performance-Differenz. Hier zeigt sich die Wichtigkeit eines exakten Vorgehens beim Benchmarken, welche natürlich auch gleiche Treiberversionen für alle Testkandidaten als absolute Normalität voraussetzt.

Somit bleibt die beste Vergleichsmöglichkeit ein möglichst aktueller Test zwischen Radeon HD 4870 X2 und GeForce GTX 295, wo auf die Performance der ATI DualChip-Karte einfach die Mehrperformance der Radeon HD 4890 draufgelegt wird. Selbst ein solcher Test war nicht ganz so einfach zu finden, einzig allein die Franzosen (bzw. Belgier) von Hardware.fr haben es in ihrem Artikel zur Radeon HD 4890 & GeForce GTX 275 geschafft, wirklich das komplette Testfeld mit den jeweils aktuellen Treibern zu testen – bei ATI war dies der 4890er Launchtreiber (eine Beta des Catalyst 9.4) sowie bei nVidia die Treiber-Version 185.63. Folgende Performance-Durchschnittswerte wurde dabei zwischen den einzelnen Karten ermittelt:

1920x1200 1920x1200 4xAA 1920x1200 8xAA
Radeon HD 4870 1024MB 100% 100% 100%
Radeon HD 4890 1024MB 110% 111% 111%
Radeon HD 4870 X2 2x1024MB 148% 156% 152%
GeForce GTX 295 2x896MB 160% 159% 135%

Hier läßt sich schon erst einmal viel über das Verhältnis zwischen den beiden DualChip-Lösungen erkennen. So liegt die nVidia-Lösung zwar generell etwas vorn, verliert aber – wie nicht unbekannt – deutlich unter 8x Anti-Aliasing. Dies ist insbesondere für eine solch extreme HighEnd-Lösung, wo man durchaus auch einmal auf die Idee kommen kann, 8x Anti-Aliasing auch wirklich nutzen zu wollen, natürlich eher unschön. Nachteiligerweise für ATI finden die meisten Benchmarks jedoch immer noch unter 4x Anti-Aliasing statt, wird also der Performancethron vorerst weiterhin unter dieser AA-Stufe vergeben werden.

Allerdings erscheint laut diesen Benchmarks der Abstand für ATI durchaus aufholbar. Wenn wir dies einfach anhand dieser Zahlen hochrechnen wollen, was eine Radeon HD 4890 X2 leisten könnte, legt man wie gesagt einfach den Zugewinn einer Radeon HD 4890 gegenüber einer Radeon HD 4870 1024MB auf die Werte einer Radeon HD 4870 X2 um – wie nachstehend ausgeführt:

1920x1200 1920x1200 4xAA 1920x1200 8xAA
Radeon HD 4870 X2 2x1024MB 148%
(93%)
156%
(98%)
152%
(113%)
Radeon HD 4890 X2 (errechnet) 163%
(102%)
173%
(109%)
169%
(125%)
GeForce GTX 295 2x896MB 160%
(100%)
159%
(100%)
135%
(100%)

Damit sieht es so aus, daß eine derzeit noch hypothetische Radeon HD 4890 X2 durchaus eine GeForce GTX 295 schlagen könnte – und zwar ohne daß man deswegen 8x Anti-Aliasing zu Rate ziehen muß, was in vielen Tests sowieso nicht getan wird. Selbst unter 4x Anti-Aliasing dürfte diese DualChip-Karte von ATI nach diesen Zahlen um bis zu 9 Prozent schneller als die GeForce GTX 295 sein, grob gesehen kann man also von zwischen 5 bis 10 Prozent sprechen.

Damit würde also selbst der geringe Zugewinn, welchen die Radeon HD 4890 gegenüber der Radeon HD 4870 gebracht hat, doch ausreichend sein, um im DualChip-Bereich ATI wieder die Pole Position zu sichern – wenn, ja wenn ATI oder einer seiner Grafikkarten-Partner ein solches Produkt wirklich auf die Beine stellen kann. Die Motivation, ein solches Projekt doch zu stemmen, dürfte damit aber erklärt sein, winkt hier schließlich doch die erneute Performancekrone mit dem zusätzlichen Bonus, daß ein erneuter Konter nVidias in den nächsten Monaten als sehr unwahrscheinlich gelten darf.

Natürlich wäre damit dann nur die reine Performancekrone zurück in den Händen ATIs – beim Erwerb einer Grafikkarte gerade für diesen Preispunkt sollten aber auch noch andere Punkte eine Rolle spielen. So dürfte die Radeon HD 4890 X2 beim Stromhunger klar zurückliegen, auch hat nVidia momentan die bessere Treiberlösung gegenüber Mikrorucklern (was allerdings ein Anreiz für ATIs Treiberteam sein sollte, hier schnellstmöglich nachzulegen). Und außerhalb von 8x Anti-Aliasing ist der Performance-Unterschied ja auch nicht weltbewegend – hier kommt es dann entscheidend mit darauf an, ob der letztliche Kartenpreis zur Leistung passt. Trotzdem gilt weiterhin, daß ein Performancethron sich bisher immer positiv auf die Umsätze in allen Retail-Segmenten ausgewirkt hat.

Abschließend sei noch auf hier und da zu lesende Träumereien von einer ab Werk übertakteten Radeon HD 4890 X2 mit gleich 1000 MHz Chiptakt eingegangen: So eine Karte wird sich ziemlich sicher nicht realisieren lassen. Schon auf den regulären Taktraten werden die Ingenieure ihre liebe Not mit dem Stromhunger der gleich zwei RV790-Chips haben, die TDP einer solchen Karte dürfte zwischen 350 und 370 Watt liegen – und damit schon am Maximum dessen, was PCI-Express-Steckplatz und zwei 8polige Stromstecker (zusammen 375 Watt) überhaupt liefern können. Hinzu kommt das Abwärmeproblem, welches bei einer weiteren Übertaktung der RV790-Chips auch nicht geringer wird.

Alles entscheidender Punkt zum Thema 1000 MHz Chiptakt ist aber, daß es bislang selbst im SingleChip-Bereich keine Radeon HD 4890 Karte gibt, welche dieser Marke überhaupt nahekommt. Die zum Launch noch hoffnungsvoll "Radeon HD 4890 OC" genannten ab Werk übertakteten Varianten sind hier als Tiger gesprungen und dann aber nur als Bettvorleger gelandet, denn der beste ab-Werk-Chiptakt liegt derzeit bei 900 MHz und damit gerade einmal 50 MHz mehr als der 4890er Standardtakt. Auch im Übertaktungsbetrieb schaffen die wenigsten RV790-Chips diese 1000 MHz Chiptakt, insofern dürfte insbesondere eine DualChip-Grafikkarte auf diesen Taktraten derzeit eine pure Illusion bleiben.