Wieso AMD-Grafikkarten kaum über den Preis gewinnen können

Sonntag, 13. Oktober 2024
 / von Leonidas
 

Gern und häufig sieht sich AMD mit der Kritik an zu hohen Launchpreisen bzw. einer generell zu zaghaften Preisstrategie gegenüber nVidia konfrontiert. Und in der Tat sind nur maßvolle Preisabschläge gegenüber den technologisch führenden nVidia-Angeboten oftmals zu wenig, um jene auszustechen. Hinzu kommt, dass die Straßenpreise der meisten AMD-Beschleuniger im Laufe der Zeit erheblich nachgeben, nachträglich also dann doch jene von Anfang an geforderte Preislage herauskommt – nur meistens zu spät, um dann noch erheblichen Eindruck zu machen. Auch bei der RDNA3-Generation ist selbiges Bild wiederum zu erkennen – und dies obwohl die aktuellen Preise sicherlich noch kein echtes Auslauf-Niveau ergeben, sondern eher noch Teil der stetigen Preis-Abwärtsbewegung sind:

UVP nach Launch Mai 2023 Nov. 2023 April 2024 aktuell
Radeon RX 7900 XTX 1149€ 1400-1800€ 1000-1160€ 970-1060€ 950-1040€ 890-980€
Radeon RX 7900 XT 1049€ 1050-1130€ 840-940€ 800-890€ 730-800€ 670-720€
Radeon RX 7800 XT 549€ 570-630€ - 540-580€ 520-570€ 480-510€
Radeon RX 7700 XT 489€ 480-520€ - 460-500€ 420-470€ 400-420€

Es gibt durchaus bessere Beispiele aus der Vergangenheit, aber auch hieran läßt sich schon erkennen, dass AMDs Launchpreis-Festsetzung bei seinen aktuellen Grafikkarten zu langfristig nicht haltbaren, anfänglich jedoch überteuerten Launch-Preisen geführt hat. Besonders deutlich ist dies bei beiden Spitzen-Modellen zu sehen, wo der aktuelle Bestpreis inzwischen zu –23% (7900XTX) bzw. –36% (7900XT) Abschlag gegenüber der UVP geführt hat. Da stellt sich durchaus die (berechtigte) Frage, ob AMD nicht besser damit gefahren wäre, die Radeon RX 7900 XT & XTX gleich vom Launch weg bei 700 bzw. 900 Euro einzustellen. Dies wären dann immerhin 350 bzw. 250 Euro Differenz zur von AMD angesetzten UVP, allerdings auch viel eher entsprechend dem Performance- und Marktpotential dieser Karten. Die Ersteindrucks-Bewertungen zu selbigen Karten könnten wesentlich freundlicher ausgefallen sein, wenn AMD diesen am Ende am Markt doch sowieso gebotenen Preis gleich von Anfang an gesetzt hätte.

All dies spricht bekanntlich für niedrigere Launch-Preise bei AMD-Grafikkarten. Nur damit könnte man nVidia so richtig unter Druck setzen, wenn sowohl die passende Spitzen-Performance fehlt, als auch das gebotene Feature-Set nicht ausreichend ist, um in allen Disziplinen mit nVidia mithalten zu können. Der Preis als Möglichkeit, mehr Marktanteile zu erringen (AMD wie bekannt dringend zu empfehlen), ist dann natürlich auch die Lehrbuch-Weisheit der Ökonomen. Allerdings gilt diese Weisheit auch eher nur für ideale Märkte – jenen mit vielen Marktteilnehmern und auch oftmals nur für Standard-Produkte gedacht, welche also zwischen den Anbietern gut vergleichbar sind (sagen wir Öl, Stahl, Weizen, Äpfel etc). Gerade in einem Markt mit vielen Teilnehmern ist die Strategie eines Preiswettbewerbs attraktiv, weil die einzelnen Anbieter meist prozentual geringe Marktanteile halten und sich die Eroberung weiterer Marktanteile dann auf viele Wettbewerber verteilt – welche einzeln betrachtet immer nur gering verlieren, wenn ein (einziger) anderer Marktteilnehmer bedeutsam hinzugewinnt.

Auf die Situation im Grafikkarten-Markt trifft dies jedoch überhaupt nicht zu: Intel ist faktisch bedeutungslos, alles was sich AMD an Marktanteilen holen wollte, kann somit nur von nVidia kommen. In dieser Situation würde eine Preis-Offensive seitens AMD den einzigen relevanten Wettbewerber nVidia normalerweise zu einer Reaktion zwingen – gerade dann, wenn jene Preis-Offensive erfolgreich ist. Wenn sich AMD von (angenommen) vielen Wettbewerbern jeweils einen Prozentpunkt holt und damit insgesamt seinen Marktanteil verdoppelt, dann ist das für die anderen Anbieter jeweils nur ein geringer eigener Verlust. Wenn AMD sich diese Verdopplung allerdings allein nur von nVidia holen muß, dann muß der nVidia-Marktanteil in einem Maßstab heruntergehen, welcher auch bei nVidia auffällt und kaum unbeantwortet bleibt.

Und damit kommt man zur Crux von Preis-Offensiven: Denn bei Technik-Offensiven kann man üblicherweise nicht umgehend kontern, Technik will erst einmal entwickelt und marktreif gebracht werden (was mindestens Quartale, üblicherweise allerdings eher Jahre dauert). Doch Preis-Offensiven kann man jederzeit vom Zaun brechen – oder denen des Wettbewerbs jederzeit mit gleicher Münze gegenhalten. Jede Preis-Offensive AMDs fordert nVidia somit zu einer umgehenden Gegenreaktion heraus, welche nVidia Prinzip-bedingt in diesem Feld auch umgehend mitgehen könnte. Natürlich muß nVidia dies nicht tun, nVidia könnte auf der Stärke des eigenen Produkts & Marke vertrauen, somit darauf hoffen, dass der Markt einen gewissen nVidia-Aufschlag weiterhin zahlen. Doch je aggressiver AMDs Preisschritt ist, um so weniger funktioniert diese These.

Geht also AMD mit richtig aggressiven Preisen gleich beim Launch heran, wird auch nVidia dies nicht unbeantwortet lassen können. Und dies kann dann schnell für beide Hersteller zum Nullsummenspiel werden – natürlich schön für die Konsumenten und auch eher einem echten Wettbewerb auf dem Markt entsprechend. Da die Hersteller hier aber alle Hebel in der Hand halten, wird kaum jemand einen Preiskampf vom Zaun brechen, welcher am Ende zu nur minimal veränderten Marktanteile führt, dafür aber beide Hersteller weniger verdienend zurückläßt. Ein Preiskampf ist ja nicht dann wirklich erfolgreich, wenn man mehr Marktanteile ereicht hat, sondern wenn man auch wirklich höhere Umsätze & Gewinne erzielt. Eine Marktverschiebung mit höheren Marktanteilen aber gleichbleibenden Umsätzen und niedrigeren Gewinnen (über niedrigere Durchschnittspreise) wäre kein Gewinn für AMD.

Genau dies ist aber die Perspektive aller aggressiven Preisschritte seitens AMD: Auf jeden dieser Schritte könnte nVidia mit Leichtigkeit kontern, die Kassenlage bei nVidia würde letztlich einen Preiskampf von (sehr) weit unter Selbstkosten-Preis zulassen. Deswegen darf AMD diesen Schritt letztlich gar nicht gehen: Das Risiko, ob mit besseren oder vielleicht sogar unveränderten Marktanteilen deutlich weniger zu verdienen, ist in dieser konkreten Marktkonstellation einfach übergroß. Zu erwähnen wäre hierbei auch der Punkt, dass jede Preissenkung übermäßig auf den Gewinnanteil schlägt: 20% niedrigere Grafikkarten-Preise ergeben ja nicht 20% niedrigeren Rohgewinn, sondern eher so in Richtung 50% niedrigere Gewinne – weil jede Preissenkung allein aus dem Gewinnposten kommt, die wichtigen Posten an der Gesamtrechnung zum Grafikkartenpreis (Selbstkosten) bei einer reinen Preissenkung logischerweise zumeist unverändert bleiben.

Um bei 20% niedrigeren Grafikkarten-Preisen am Ende wenigstens den gleichen Rohgewinn zu erzielen, müsste AMD somit seinen Marktanteil wohl glatt verdoppeln. Dies wäre in einem Markt mit vielen Teilnehmern und ausgehend vom aktuellen AMD-Marktanteil von nur 12% bei Desktop-Grafikkarten durchaus denkbar. Da AMD in diesem konkreten Grafikkarten-Markt aber alles allein nVidia abluchsen muß, wäre eine gewisse Reaktion nVidias unvermeidlich – und dies würde dann AMDs Lehrbuch-Rechnung zerstören und in einen insgesamten Verlust verwandeln. Die wahrscheinlichste Folge einer sehr aggressiven Preisstrategie wären für AMD eingerechnet einer erwartbaren nVidia-Antwort somit vielleicht ein paar Prozent mehr Marktanteil zu allerdings insgesamt geringerem Rohgewinn. Diese Möglichkeit ist für AMD somit effektiv verbaut, egal was die Lehrbuch-Ökonomie hierzu sagt.

Denkbar für AMD sind allein Preisschritte, welche knapp vor der Grenze liegen, bevor nVidia sich zum Eingreifen veranlaßt sieht. Dies genau abzuschätzen, ist jedoch schwer – und was aus AMD-Sicht eben nicht passieren darf, dass man sich hierbei irrt und nVidia dann doch das neue AMD-Preisniveau mitgeht. Die vorgenannten 250-350 Euro weniger bei Radeon RX 7900 XT/XTX sind da wahrscheinlich schon zu viel. Wenn AMD dies beim RDNA3-Launch angesetzt hätte, würde nVidia wahrscheinlich reagiert und sich die Grafikkarten-Käufer des Jahre 2023 über ein beachtbar niedrigeres Preisniveau gefreut haben, wären insbesondere die Neuvorstellungen des Jahres 2023 zu generell niedrigeren Listenpreisen angetreten. Allerdings erscheint ein gewisser Zwischenweg zwischen gar keinen besseren Launch-Preisen und einer zu aggressiven Preisstrategie durchaus denkbar, hieran sollte AMD arbeiten.

Zu erwähnen an dieser Stelle noch ein Punkt, welcher auch generell gegenüber der These spricht, AMD würde über bessere Preise auf einen höheren Marktanteil kommen: Alle diese Rechnungen gehen immer sehr von einem idealen Markt aus, welcher auf Preissenkungen mit automatisch steigenden Marktanteilen zugunsten jenes Marktteilnehmer reagiert. AMD hatte allerdings in der Vergangenheit mit einer Vielzahl an Produkten (nicht nur aus dem Grafikkarten-Bereich) die Erfahrung machen müssen, das bessere Preislagen gegenüber einem jeweils übermächtigen Kontrahenten oftmals nur sehr marginal zu steigenden Marktanteilen führten. Jener Effekt war ausreichend klein, dass die insgesamte Marktanteils-Entwicklung eher denn von anderen, größeren Effekten getrieben wurde – wie dem Wettbewerb auf technischer Ebene oder aber Seiteneffekten wie Krisen oder Cryptomining-Hypes:

Gut zu sehen an dieser Langfrist-Grafik der Marktanteile bei Desktop-Grafikkarten, dass nVidia AMD immer mehr an die Wand drückt und inzwischen allein schon über seine einmal erreichte Übermacht kaum noch zu bezwingen ist. Alle Versuche AMDs über die Jahrzehnte hinweg, nVidia mittels besseren Preisen irgendwelche Marktanteile abzuluchsen, haben wenn dann nur temporär etwas gebracht, jedoch nie zu einer substantiellen Verbesserung der Marktsituation für AMD geführt. Der einzige Zeitpunkt, wo AMD bei den Marktanteilen mal vor nVidia lag, war bezeichnenderweise zu einer Zeit, wo man vom technologischen Ruhm der Radeon 9000 Serie (erste DirectX9-Beschleuniger) zehrte und nVidia mittels GeForce FX/6 keine besonders herausragenden Produkte hervorbrachte.

Auch diesen Punkt muß AMD bei allen seinen Produkt- und Preisentscheidungen beachten: Die Marke nVidia ist augenscheinlich viel zu stark, um von selbiger mit vernünftigen Einsatz besonders viele Marktanteile holen zu können. In einem idealen Markt liegt das Limit jedes Marktteilnehmers bei üblicherweise 100%, doch zwischen AMD und nVidia liegt der für AMD derzeit erreichbare Marktanteil weltweit eher nur bei 30% (grobe Schätzung, kann auch weniger sein). Für viele Konsumenten gibt es einfach nur nVidia, jene halten nVidia auch die Treue über vielleicht sogar mehrere schwächere nVidia-Generationen hinweg. Hierzu passt gut ein kürzliches Meme, welches die vielzitierte Weisheit zum Ausdruck bringt, dass ein großer Anteil der Marktteilnehmer den Wettbewerb durch AMD nur deswegen wünscht, damit nVidia preislich etwas gezügelt wird:

So you will buy Radeon?

Nun wären 30% Marktanteil immer noch viel mehr als AMD derzeit hat (wie gesagt 12%), aber es deutet die erhöhte Schwierigkeit an, mit welcher AMD sich in diesem Markt konfrontiert sieht: Viel Aufwand dafür, um bei maximal (erreichbarem) Erfolg weiterhin nur der kleinere Marktteilnehmer zu bleiben. Und bei einer Preisoffensive voraussichtlich verbunden mit geringeren ingesamten Gewinnen – keine gute Ausgangslage dafür, dass die AMD-Unternehmensführung beschließen könnte, nVidia in diesem Markt tatsächlich herauszufordern. Und so ist auch AMDs Entscheidung zu sehen, bei der kommenden RDNA4-Generation keine weiteren HighEnd-Beschleuniger anzubieten.

Damit verliert man zwar nochmals etwas an Marktanteilen (man dürfte wegen dieser Entscheidung schließlich nicht auf wundersame Weise im Mainstream- und Midrange-Segment wachsen), verringt aber den eigenen Kosteneinsatz, braucht eventuell auch weniger Manpower für die GPU-Sparte. Jene Manpower ordnet AMD derzeit lieber jenen Segmenten zu, wo man noch reale Wachstumschancen hat: Prozessoren, dort speziell den Server-Modellen, und dann natürlich allen Entwicklungen auf dem Gebiet der KI-Beschleuniger. AMD teilt sich hiermit also schlicht seine Kräfte anders ein und behält im Grafikkarten-Markt eine gewisse Minimal-Stellung – von welcher ausgehend man später sicherlich auch mal wieder den Vorwärts-Gang einschalten respektive neue HighEnd-Beschleuniger anbieten kann.

Wenn AMD den Grafikkarten-Markt genau genug beobachtet hat, dann dürfte als Erkenntnis nicht nur herauskommen, dann keinerlei Preis-Schlacht gegenüber nVidia lohnt – sondern auch, dass man nVidia bei deren technologischer Überlegenheit packen muß. Dies läßt sich derzeit sogar supereinfach am Beispiel der RayTracing-Performance festmachen: Hier verbaut nVidia mehr Technik, erreicht damit eine klare Performance-Überlegenheit – und dies auf einem Feld, was absehbar in Zukunft immer wichtiger werden wird, während die Performance unter regulärer Raster-Grafik gerade bei Spitzen-Grafikkarten in der Bedeutsamkeit im gleichen Maßstab abnehmen dürfte. Anders formuliert: Konnte AMD sich um diesen Punkt bislang herumschummeln, wird eine wenigstens gleichwertige RayTracing-Performance in Zukunft wahrscheinlich der Maßstab sein, um über AMD-Grafikkarten zu urteilen.

Wenn AMD hingegen gegenüber nVidia wirklich zulegen wollte, ist anzunehmenderweise sogar mehr als das notwendig: Entweder ein Performance-Plus oder ein Featureset-Plus – in jedem Fall aber keine Nachteile bei der RayTracing-Performance und auf der Feature-Seite mehr. An letzterem scheint AMD angestrengt zu arbeiten, dies darf man als denkbare Vorbereitung für eine neuerliche, dann ernsthafte Attacke auf nVidia ansehen. Vorher lohnt sich für AMD diese Attacke wirklich nicht – was nicht bedeutet, dass man nicht auch HighEnd-Lösungen entwickeln könnte, jene müssten dann aber bewußt unterhalb nVidias Spitzenlösung angesetzt sein. nVidia bietet beim aktuellen Preisniveau schließlich durchaus diese Möglichkeit an, 1000-Dollar/Euro-Beschleuniger zu entwickeln, welche nur mit dem zweitbesten nVidia-Grafikchip konkurrieren müssen.

Aus dieser Sichtweise heraus ist zu hoffen, dass der Verzicht auf HighEnd-Beschleuniger bei "RDNA4" wohl teilweise auch dem Umsturz der früheren MCM-Planungen zu Navi 41 & 42 geschuldet ist, und dass AMD somit nachfolgend bei "RDNA5" auch dieses Marktsegment wieder bedienen wird. Langfristig muß AMD in erster Linie daran arbeiten, den technologischen Rückstand gegenüber nVidia aufzuholen, ansonsten sind keine "marktbrechenden" Produkte machbar. Die Schiene des Preiskampfs ist wie dargelegt einfach kein Weg, der in dieser speziellen Marktsituation zwischen AMD & nVidia mit realistischer Chance zum Erfolg führt, sondern mit wahrscheinlicher Chance AMD sogar geringere Gewinne "beschert". Letztlich hat AMD im Prozessoren-Markt Intel auch nicht zwingend über bessere Preise, sondern vielmehr über bessere Technik erfolgreich unter Druck setzen können. Zugebenerweise hat es Intel AMD damals auch ziemlich einfach gemacht, nVidia ist der weitaus schwerer zu bezwingende Kontrahent.