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nVidias "GeForce Partner Program" drängt Grafikkarten-Hersteller zur nVidia-Exklusivität

HardOCP bringen die Kunde über nVidias "GeForce Partner Program" (GPP) – ein am 1. März bekanntgegebenes neues Marketing-Programm für nVidias Grafikkarten-Partner, welches allerdings mit seinen nur den Grafikkarten-Herstellern selber zugänglichen (geheimen) Bedingungen wohl deutlich über reine Marketing-Maßnahmen hinausgeht. Das Programm ist augenscheinlich eher dafür gedacht, die Grafikkarten-Hersteller enger an nVidia zu binden, beispielsweise durch Marketingvergünstigungen, Spiele-Bundles und Ingenieurshilfe – sie aber gleichzeitig auch damit zu bedrohen, den Status als "Launch-Partner" zu verlieren, beim Launch neuer Grafikkarten also nur noch untergeordnet bedient zu werden. Insgesamt will nVidia mit dem Prinzip "Zuckerbrot & Peitsche" wohl vor allem bislang zweigleisig fahrende Grafikkarten-Hersteller von ihrem "Irrweg" wegbekommen. Hierzu zwingt man laut HardOCP die GPP-Teilnehmer, unter ihrem Gaming-Brandnamen nur noch nVidia-Produkte zu verkaufen – was ziemlich heftig in die Wahlfreiheit der Grafikkarten-Hersteller eingreift.

The crux of the issue with NVIDIA GPP comes down to a single requirement in order to be part of GPP. In order to have access to the GPP program, its partners must have its "Gaming Brand Aligned Exclusively With GeForce." I have read documents with this requirement spelled out on it.

If it chooses not to be part of GPP, it will lose the benefits of GPP which include: high-effort engineering engagements -- early tech engagement -- launch partner status -- game bundling -- sales rebate programs -- social media and PR support -- marketing reports -- Marketing Development Funds (MDF).
Quelle:  HardOCP

Zumindest HardOCP sind sich diesbezüglich sehr sicher, wollen auch entsprechende Dokumente gesehen haben. Da jene allesamt unter dem Stichwort "Geschäftsgeheimnis" laufen, kann insbesondere die zentrale Aussage derzeit aber weder belegt noch widerlegt werden. Für den Augenblick erscheint das ganze jedoch als vergleichsweise plausibel – die Chance auf einem Fehlinterpretation ist nicht bei Null, jedoch eher gering, dafür sind HardOCP dann auch schon zu lange dabei und hatte nVidia sogar vorab die (nicht genutzte) Gelegenheit, HardOCP entsprechend zu korrigieren. Unsere Einschätzung zu nVidias GPP geht ergo erst einmal davon aus, das gerade dieses Detail korrekt seitens HardOCP wiedergegeben wurde. Eine nicht belegte Faktenlage sollte zwar normalerweise zur Vorsicht animieren, doch andererseits ist diese Entwicklung viel zu bedeutsam, um sie einfach so liegenzulassen – gerade da kaum eine Chance zu sehen ist, die genannten Details überhaupt jemals bestätigt zu bekommen.

Als erster inhaltlicher Einwand darf gelten, das kein Grafikkarten-Hersteller zu nVidias GPP verpflichtet ist, jeder Hersteller trotz Nicht-Teilnahme weiterhin bei nVidia Grafikchips kaufen kann. Allerdings sind die Nachteile einer Nicht-Teilnahme regelrecht gravierend und gehen weit über eine reine Marketing-Unterstützung oder auch der üblichen Ausflucht "für größere Abnahmemengen gibt es natürlich bessere Rabatte" hinaus. Mittels GPP kann nVidia laut den vorgenannten, umfangreichen Vergünstigungen sehr wohl den Erfolg der einzelnen Grafikkarten-Hersteller steuern, könnte die GPP-Teilnahme für den Markterfolg womöglich sogar eine größere Rolle als die Arbeit der einzelnen Grafikkarten-Hersteller selber. Ob sich eine rein formale Ausweichmöglichkeit ergibt, indem ein Grafikkarten-Hersteller einfach zwei "Gaming-Brands" führt (einen für nVidia, einen für AMD), ist unklar, liegt aber sowieso nicht in der Intention des Programms.

Juristisch gesehen ist selbiges dennoch nicht ganz so einfach anzugreifen, da kein vollständiger Verzicht auf Hardware anderer Hersteller gefordert wird. Ein betreffender Grafikkarten-Hersteller kann also wohl weiterhin AMD-Grafikkarten führen, darf jene nur halt nicht unter seinem typischen Gaming-Brand vermarkten. Den informierten Käufer kann eine solche Namensklauberei zwar kalt lassen, aber natürlich muß klar sein, das dies dennoch Auswirkungen auf das Kaufverhalten im Massenmarkt haben wird. Damit ist nVidias GPP eher denn ein Fall für die Wettbewerbsbehörden – welche durchaus gewisse Chancen haben dürften, hierbei Wettbewerbsverstöße zu sehen, gerade angesichts von nVidias inzwischen nahezu Markt-beherrschender Stellung im Grafikkarten-Markt. Sollte ein solches Programm durchgehen, wäre dies sicherlich ein Anlaß für andere Chip-Entwickler, ähnliches zu tun – um beispielsweise den Markt der Mainboard-Hersteller zwischen AMD und Intel zwangsweise aufzuteilen.

Die Frage, wieso nVidia so etwas wie GPP auflegt, welches doch in jedem Fall reichlich Ärger und auch Mißstimmung unter den informierten Konsumenten provoziert, kann nicht klar beantwortet werden. Normalerweise sollte nVidia die hervorragende erreichte Marktstellung eher denn zum Geldscheffeln nutzen, anstatt sich neues Ungemach aufzuhalsen. HardOCP schätzen an dieser Stelle, das die AMD/Intel-Zusammenarbeit bei Grafikchips nVidia dazu angeregt haben könnte, die eigenen Reihen nunmehr fester zu schließen. Dies könnte passen – eventuell sieht nVidia hier deutlich mehr in dieser Zusammenarbeit (gerade in der langfristigen Zukunft), als bis dato öffentlich bekannt ist. Genauso gut kann es auch schlicht sein, das nVidia angesichts des eigenen (derzeit überragenden) Erfolgs nunmehr in Richtung Verblendung neigt – dies passiert bei schnell wachsenden Unternehmen und Unternehmungen nun nicht gerade selten.

Das ganze kommt in jedem Fall zu Unzeit – denn es erinnert die Grafikkarten-Gemeinde daran, das sich nVidia nunmehr inzwischen regelmäßig derartige Böcke leistet, man durchaus von einer gewissen nVidia-Historie sprechen kann, welche sich gegen den Grafikkarten-Markt und damit gegen die Grafikkarten-Käufer richtet: Abgesehen von früheren Verfehlungen, über welche man inzwischen den Mantel des (gnädigen) Schweigens legen kann, gab es in der Neuzeit ab dem Jahr 2013 den (andauernden) Fall von nVidias GameWorks-Programm zur Vereinnahmung der Spiele-Entwickler, im Jahr 2015 den Fall der GeForce GTX 970 mit ihren nur 3,5 GB performant angebundenen Speicher sowie später dann den Fall der Verpflichtung zu "GeForce Experience" für die Installation neuer Treiber, was inzwischen stillschweigend zurückgezogen wurde. Mit dem "GeForce Partner Program" fügt nVidia dieser Liste nunmehr einen weiteren Punkt hinzu – was dann inzwischen eher nach notorischem Fehlverhalten aussieht, als denn nach einzelnen Patzern.

Nachtrag vom 19. März 2018

Bei PCGamesN hat man aus nVidia eine Bestätigung dafür herausgeleiert, daß das kürzlich kritisierte "GeForce Partner Program" den Grafikkarten-Herstellern nicht verbietet, AMD-Grafikkarten unter abweichenden Gaming-Brandnamen zu verkaufen (womit nVidia indirekt auch bestätigte, das die Anschuldigungen seitens HardOCP keineswegs kompletter Nonsens sind). Untersagt ist somit nur der Verkauf unter demselben Gaming-Brandname, unter welchem auch nVidia-Grafikkarten vertrieben werden. Diese Auslegung hatte man allerdings schon vermutet – und auch insgesamt betrachtet macht die nVidia-Bestätigung die Sache nicht besser, unter einem gewissen Blickwinkel sogar schlechter: Denn welcher der Grafikkarten-Hersteller, welcher nun zu zwei Gaming-Brands gezwungen würde, sollte nun ausgerechnet den bestehenden und damit etablierten Gaming-Brandnamen für den kleinen der beiden Grafikchip-Entwickler opfern? Beispiel Asus: Auf welche Hersteller-Beteiligung bei der "Republic of Gamers" könnte Asus bei den aktuellen Marktverhältnissen eher verzichten – AMD oder nVidia?

Gaming-Brandnamen fallen zudem nicht vom Himmel, meistens betreibt ein Hersteller auch nur einen solcher Brands. Im Sonderfall eines solchen Zwangs dürften viele Hersteller dann nicht einfach zwei Brandnamen kreieren, sondern AMD schlicht hinten runterfallen lassen, vielleicht auch mit einer Sonderbezeichnung ohne eigenen Werbeetat abspeisen. So oder so ist das ganze ein klarer Eingriff in die Verkaufsstrategie der Grafikkarten-Hersteller, welcher maßgeblich unstatthaft ist. Wieder das Beispiel Asus: Da wird ja unter dem ROG-Brand ein sehr umfangreiches Produktprogramm verschiedenster Hardware mit Beteiligung verschiedenster Zulieferfirmen offeriert. Was wäre, wenn plötzlich jeder der Zulieferer darauf besteht, nicht mit seinen Kontrahenten im selben Asus-Brandnamen genannt zu werden?! Das Ansinnen von nVidia einer besseren Abtrennung gegenüber AMD ist irgendwie sogar verständlich, der Eingriff in die Handlungsfreiheit der Grafikkarten-Hersteller geht dann aber zu weit – und ganz besonders ein marktbeherrschendes Unternehmen sollte sich da wohlweislich zurückhalten. Mit der Zeit wird es schließlich auch mal wieder andere US-Regierungen geben, welche die durchaus scharfen US-Gesetze zum Wettbewerbsschutz dann wieder zur Anwendung führen werden.

Nachtrag vom 5. April 2018

Laut der DigiTimes verändern die Grafikkarten-Hersteller unter dem Druck von nVidias GPP-"Initiative" nunmehr ihre eigene Grafikkarten-Strategie. Dazu sollen eigene Brandnamen für AMD-basierte Grafikkarten gehören (bei MSI sieht man schon den Anfang hiervon), genauso aber auch eine Reduzierung der Bestellungen bei AMD. Letzteres wird nicht wirklich erklärt, womöglich spielt hier auch das nun endlich absehbare Ende des Mining-Booms und damit die Rückkehr zur normalen Lieferbarkeit im Grafikkarten-Markt in absehbarer Zeit eine Rolle. Es müssen nun zwar noch viele frühere Bestellungen abgearbeitet werden, aber keiner will am Ende derjenige sein, welcher basierend auf den hohen Bestellmengen der Boom-Zeit auf einem zu hohen Lagerbestand sitzt – gerade wenn im Herbst dann mittels nVidias Turing-Serie etwas neues ansteht, was den Bedarf hin in Richtug eben dieser neuen Grafikkarten umlenken wird. In der Summe sind die Aussagen der DigiTimes vergleichsweise unspezifisch – aber da gerade die DigiTimes exzellente Kontakte zu den taiwanesichen Boardherstellern hat, ist die Grundaussage des spürbaren Drucks durch nVidias GPP durchaus ernstzunehmen.