Launch-Analyse AMD Radeon R300 Serie

Freitag, 19. Juni 2015
 / von Leonidas
 

Mit der Radeon R300 Serie stellt AMD zwar eine "neue" Grafikkarten-Serie vor, diese basiert jedoch auf altbekannter Technik nur mit einigen Änderungen an den Taktraten – ein klares Rebranding also, bedingt aus dem Punkt, (angeblich) einmal im Jahr dem Markt etwas neues liefern zu müssen. Da Teile der vorherigen Radeon R200 Serie ebenfalls bereits einen Rebranding-Status hatten, gibt es mit der Radeon R300 Serie nunmehr den (teilweise) doppelten Rebranding-Status – nicht unbedingt etwas, was von Gamer und Marktbeobachtern goutiert wird. Aber natürlich muß diese Grafikkarten-Serie trotzdem betrachtet und bewertet werden, immerhin wird die Radeon R200 Serie mit dem Erscheinen der Radeon R300 Serie in absehbarer Zeit auslaufen und stellt letztgenannte somit AMDs neues Angebotsportfolio für den großen Preisbereich von 100 bis 450 Euro dar.

Ein wenig ein Geheimnis macht AMD daraus, was denn nun an den Grafikchips der Radeon R300 Serie wirklich neues sei: So gibt es neue Grafikchip-Namen und auch diverse Gerüchte und Halbmeldungen über Verbesserungen an den Grafikchips. Bislang liegen dazu jedoch keinerlei handfesten Hinweise vor – und da auch das Stromverbrauchsverhalten unter Last weitgehend gleich ist zu den Grafkchips der Radeon R200 Serie, ist davon auszugehen, daß die Grafikchips zwischen diesen beiden Grafikkarten-Serien wirklich unverändert sind. Zumindest einen klaren Hinweis darauf liefert die nach wie vor vorhandene Unfähigkeit des Trinidad-Chips der Radeon R7 370, FreeSync und TrueAudio zu unterstützen – wäre der Chip wirklich verändert worden, hätte man wohl diese Funktionalität automatisch mit hinzugepackt. Und hat AMD an diesem Grafikchip nichts wirkliches getan, dürfte dies auch auf die anderen Grafikchip der Serie zutreffen. Bevor nicht neue, erhellende Informationen hierzu vorliegen, werden wir daher die Grafikchips der Radeon R300 Serie derart benennen, wie deren ursprüngliche Namen lautet – also nicht Tobago, Trinidad, Antigua und Grenada, sondern Bonaire, Pitcairn, Tonga und Hawaii.

Chipname Radeon HD 7000 Serie Radeon R200 Serie Radeon R300 Serie
Fiji - - Radeon R9 Nano & Fury
Hawaii -> Grenada - Radeon R9 290, 290X & 295X2 Radeon R9 390 & 390X
Tahiti Radeon HD 7950, 7970 & 7990 Radeon R9 280 & 280X -
Tonga -> Antigua - Radeon R9 285 Radeon R9 380
Pitcairn -> Curacao -> Trinidad Radeon HD 7850 & 7870 Radeon R7 265, R9 270 & 270X Radeon R7 370
Bonaire -> Tobago Radeon HD 7790 Radeon R7 260 & 260X Radeon R7 360
Cape Verde Radeon HD 7750 & 7770 Radeon R7 250E & 250X -
Oland Radeon HD 7730 Radeon R7 240 & 250 -

Auf Basis der gleichen Grafikchips kann AMD natürlich nichts anderes tun, als an den Taktraten zu spielen und eventuell das eine oder andere Nebenfeature versuchen per Software nachzurüsten. An den Taktraten hat man durchgehend gearbeitet – jene sind überall etwas höher als bei den vergleichbaren Modellen aus der Radeon R200 Serie. Das Nachrüsten von Features ist dagegen leider auf der Hälfte des Weges stehengeblieben: Zwar haben Radeon R7 360 und 370 nunmehr (im Gegensatz zu den vergleichbaren Modellen aus der Radeon R200 Serie) Support für VSR Anti-Aliasing bekommen, beim Support für FreeSync patzt die Radeon R7 370 jedoch nach wie vor und beim Support von HDMI 2.0 sowie HDCP 2.2 sogar die komplette Grafikkkarten-Serie (im übrigen inklusive auch der nachfolgenden Fury-Serie). Dies ist sehr schade, denn damit hätte man der Radeon R300 Serie ein klares Unterscheidungsmerkmal zur Radeon R200 Serie geben können – aber vielleicht war dies auf Basis der weiterverwendeten Grafikchips technisch auch einfach nicht lösbar.

So wie es ausschaut, kommen derzeit ausschließlich Hersteller-Varianten der Radeon R300 Serie in den Markt, die von AMD gezeigten Referenzdesigns verbaut kein einziger Grafikkarten-Hersteller. Bisher war es meistens so, daß neben den Herstellerdesigns die einzelnen Grafikkarten-Hersteller dann immer noch – wenn auch ohne großen Marketingwirbel – Referenzdesigns an den Start gebracht haben. Diesesmal sieht das real existierende Angebot bei den Online-Händlern jedoch danach aus, als würde es gar keine Referenzdesigns mehr geben. Dies hat dann auch gewisse Auswirkungen auf die Betrachtung der Taktraten und der daraus resultierenden Performance: Nahezu alle am Markt verfügbaren Karten überbieten die AMD-Taktratenvorgaben (es gibt aber auch Einzelfälle, wo jene unterboten werden), wenn auch meistens nur geringfügig. Dies gilt es bei den Performance-Betrachtungen unbedingt zu beachten – gerade, wenn von den Vorgänger-Modellen dann jeweils nur Referenzmodelle mit Referenz-Taktraten vorliegen und gegen die R300er Serie mit Herstellerdesigns und ab-Werk-Übertaktung verglichen werden.

Bleibt ein (großer) Stolperstein bei der Bewertung der Radeon R300 Serie: Der von AMD zur Verfügung gestellte Treiber Catalyst 15.15 Beta funktioniert derzeit nur für die Radeon R300 Serie – nicht aber für die Radeon R200 Serie, trotz gleicher Grafikchips und damit gleicher Hardware-Basis. Dies ist insbesondere wegen des Punkts ärgerlich, als daß der letzte offizielle AMD-Treiber noch vom letzten Dezember (!) stammt. Damit steht nicht nur der Radeon R200 Serie derzeit kein VSR zur Verfügung, sondern vor allem steht zu befürchten, daß einiges von den Performance-Zuwächsen der Radeon R300 Serie rein auf Treiberarbeit basiert – und nicht auf deren höheren Taktraten. Wenn man es ganz genau nehmen wollte, sind die Launch-Reviews zur Radeon R300 Serie damit in Punkto Performance nahezu witzlos, weil dabei durchgehend "R200 auf altem Treiber gegen R300 auf neuem Treiber" gemessen wurde. Da derzeit jedoch nichts anders vorliegt, müssen wir erst einmal mit diesen Werten arbeiten – aber gerade die Festlegung des 3DCenter Performance-Index zur Radeon R300 Serie steht damit immer unter dem Vorzeichen, daß die Performancegewinne der R300-Serie eventuell zum Teil auf unkoschere Art und Weise erzielt wurden.

Andere Probleme dieses Launches bestehen in der zu kleinen Auswahl an vorhandenen Tests: Einige große Webseiten haben sich auffallend zurückgehalten – möglicherweise wegen des Punkts der unterschiedlichen Treiber-Versionen – und insgesamt fehlt somit die übliche Masse an Tests, obwohl es sich schließlich um die Vorstellung von immerhin fünf neuen Grafikkarten handelt. Damit gibt es nicht ausreichend Werte für eine exakte Betrachtung des Stromverbrauchs der Grafikkarten selber. Generell läßt sich jedoch aufgrund der vielen zu lesenden Stromverbrauchs-Messungen des Gesamtsystems ableiten, daß die neuen R300er Modelle nicht stromsparender zu Werke gehen als die R200er Modelle – sondern hier und da sogar leicht mehr Strom ziehen (besonders auffallend bei Radeon R9 390X). Die ansonsten ebenfalls üblichen Betrachtungen der Grafikkarten-Lautstärke müssen ebenfalls entfallen – in diesem Fall mangels dessen daß es überhaupt testbare Referenzmodelle gibt. In einigen Punkten wird diese Launch-Analyse daher leider kürzer ausfallen müssen als sonst gewohnt – hoffentlich lassen sich diverse fehlende Punkte wie eben die exakten Stromverbrauchsmessungen später noch nachreichen.

Mit der Radeon R9 390 & 390X auf Basis des offiziell zu "Grenada" umbenannten Hawaii-Chips bringt AMD eine Ablösung der Radeon R9 290 und 290 Modelle mit denselben Hardware-Daten, aber höheren Taktraten und 8 GB GDDR5-Speicher als default-Speicherbestückung. Diese Speicherbestückung ist selbst im Preisbereich dieser Grafikkarten laut unserer aktuellen Umfrage eine augenscheinlich interessante Sache für die Grafikkarten-Käufer. Bei den Taktraten bietet die Radeon R9 390X nominell mit ≤1050/3000 MHz einen 5%igen Aufschlag beim Chiptakt sowie einen sogar 20%igen Aufschlag beim Speichertakt gegenüber der Radeon R9 290X. Es sind allerdings derzeit auf diesen AMD-Taktratenvorgaben nur zwei Grafikkarten am Markt – der Rest des Angebots besteht aus Modellen mit Übertaktung ab Werk mit üblichen Chip-Taktraten zwischen 1060 und 1070 MHz sowie einem Spitzen-Wert von ≤1100/3050 MHz.

GeForce GTX 780 Ti GeForce GTX 980 Radeon R9 290X Radeon R9 390X
Chipbasis nVidia GK110, 7,1 Mrd. Transistoren in 28nm auf 551mm² Chipfläche nVidia GM204, 5,2 Mrd. Transistoren in 28nm auf 398mm² Chipfläche AMD Hawaii, 6,2 Mrd. Transistoren in 28nm auf 438mm² Chip-Fläche
Architektur Kepler, DirectX 11.0 (DX12 in Software) Maxwell 2, DirectX 12.1 GCN 1.1, DirectX 12.0
Features PhysX, SLI, DSR, G-Sync Mantle, CrossFire, VSR, FreeSync, TrueAudio
Technik 5 Raster-Engines, 2880 Shader-Einheiten, 240 TMUs, 48 ROPs, 384 Bit DDR Interface 4 Raster-Engines (mit verdoppelter Raster-Power), 2048 Shader-Einheiten, 128 TMUs, 64 ROPs, 256 Bit DDR Interface 4 Raster-Engines, 2816 Shader-Einheiten, 176 TMUs, 64 ROPs, 512 Bit DDR Interface
Taktraten 875/928/3500 MHz 1126/1216/3500 MHz ≤1000/2500 MHz ≤1050/3000 MHz
Speicherausbau 3 GB GDDR5 4 GB GDDR5 4 GB GDDR5
(8 GB gegen Aufpreis)
8 GB GDDR5
Layout DualSlot DualSlot DualSlot DualSlot
Kartenlänge 27,0cm 27,0cm 27,5cm 27-31cm
(Herstellerdesigns)
Stromstecker 1x 6pol. + 1x 8pol. 2x 6pol. 1x 6pol. + 1x 8pol. 1x 6pol. + 1x 8pol.
TDP 250W 165W 250W 275W
Idle-Verbrauch 13W 12W 19W ~19W
Spiele-Verbrauch 245W 174W 279W ~290W
Ausgänge DualLink DVI-I, HDMI 2.0 (kein HDCP 2.2), 3x DisplayPort 1.2 DualLink DVI-I, HDMI 2.0 (kein HDCP 2.2), 3x DisplayPort 1.2 2x DualLink DVD-D, HDMI 1.4a (kein HDCP 2.2), DisplayPort 1.2 2x DualLink DVD-D, HDMI 1.4a (kein HDCP 2.2), DisplayPort 1.2a
Ref./Herst./OC / / / / / / / /
3DC Perf.Index 530% 600% 520% 570%
3DC 4K-Index 65% 75% 70% 75%
Listenpreis 699$ 499$ 549$ 429$
Straßenpreis ausgelaufen 4GB: 480-520€ 4GB: 340-370€
8GB: 400-440€
8GB: 450-490€
Release 7. November 2013 19. September 2014 24. Oktober 2013 18. Juni 2015

Die Radeon R9 390X wurde breit vermessen – allerdings war manchmal die Qualität der Tests nicht ausreichend hoch (Verwendung zu vieler ab Werk übertakteter Modelle), um in der nachfolgenden Benchmark-Rekapitulation berücksichtigt werden zu können. Trotzdem läßt sich ganz gut erkennen, daß die Radeon R9 390X ziemlich deutlich von der Radeon R9 290X wegzieht und sich eher in die Nähe zur GeForce GTX 980 setzt – ein überraschendes Ergebnis angesichts der Hardware-Ansetzung von nur leicht höheren Taktraten (der viel höhere Speichertakt dürfte kaum einen großen Einfluß haben, der Hawaii-Chip hat mehr als genug Speicherbandbreite). Augenscheinlich wirkt hier der verbesserte AMD-Treiber am Ergebnis mit – was es um so dringender macht, jenen auch für die Radeon R200 Serie zu bekommen.

Da der Abstand zur GeForce GTX 980 im Mittel der verschiedenen Test nur gute 5-6% ausmacht, können wir die Radeon R9 390X auf einen Performance-Index von immerhin 570% festsetzen, nur knapp hinter der GeForce GTX 980 (Perf.Index 600%). Angesichts der bei der Radeon R9 390X gleich per default gebotenen 8 GB Speicher reicht dies aus, um sich problemlos mit der leicht schnelleren GeForce GTX 980 anzulegen – und etwas preisgünstiger ist die AMD-Lösung dann auch noch. Nur beim Verbrauch unterscheiden sich beide Grafikkarten maßgeblich, die nVidia-Lösung ist nach wie vor deutlich genügsamer.

1920x1080 4xMSAA/FXAA/SMAA 780Ti 980 290X 390X (Taktraten)
TweakPC  (18 Tests) 93,4% 101,8% 91,4% 100% (@ Referenz)
ComputerBase  (5 Tests) 86,7% 103,5% - 100% (@ Referenz)
Hardwareluxx  (8 Tests) 97,1% 110,3% 95,6% 100% (≤1100/3050 MHz)
MaximumPC  (8 Tests) - 104,8% 88,0% 100% (≤1055/3000 MHz)
TechPowerUp  (21 Tests) 98% 109% 91% 100% (@ Referenz)
Hardware.info  (12 Tests) 93,7% 105,1% 87,5% 100% (@ Referenz)
2560x1440 4xMSAA/FXAA/SMAA 780Ti 980 290X 390X (Taktraten)
PC Games Hardware  (8 Tests) 88,9% 106,9% 92,0% 100% (@ Referenz)
TweakPC  (18 Tests) 92,1% 97,7% 88,0% 100% (@ Referenz)
Hardwareluxx  (8 Tests) 93,4% 107,4% 94,5% 100% (≤1100/3050 MHz)
MaximumPC  (8 Tests) - 100,0% 89,5% 100% (≤1055/3000 MHz)
TechPowerUp  (21 Tests) 94% 104% 91% 100% (@ Referenz)
TechSpot  (8 Tests) 92,1% 105,4% 91,8% 100% (@ Referenz)