ITX in der Theorie

Sonntag, 26. Juli 2009
 

Was ist Mini-ITX?

Mini-ITX ist ein sogenannter "Formfaktor", also eine Vorschrift für die Dimensionen und das prinzipielle Layout eines Mainboards. Vielfach bestimmt er auch das Funktionsangebot und damit das Einsatzgebiet des Systems. Bekannt ist der ATX-Standard für Desktop-Mainboards und Gehäuse sowie der gescheiterte Nachfolger namens BTX. Mini-ITX bezeichnet einen "Small-Formfaktor" mit einer Dimension von 170x170mm, also in etwa der Größe eines Mauspads. Auf dieser Fläche finden CPU, Speicher, Steckkartenslots, Chipsatz und die Anschlüsse für alle Geräte Platz. Zum Vergleich: Die ATX-Spezifikation schreibt eine Dimension von 305x244mm vor – der Größenunterschied soll in der folgenden Abbildung verdeutlicht werden.

Nano- und Pico-ITX, noch kleinere Varianten, sind für uns allerdings uninteressant. Der µATX-Standard war lange Zeit die Grundplatform für den Small-Formfaktor, wurde inzwischen jedoch von Mini-ITX beerbt.

Woher kommt Mini-ITX?

Mini-ITX entstand Anfang 2001 durch eine Designinitiative von VIA, um der damaligen Marktnische um den LowPower- und LowCost-Prozessor VIA C3 und dessen Nachfolgern eine optimale und vor allem dedizierte Plattform anzubieten. Diese Prozessoren konnten nicht mit AMD und Intel mithalten, wann immer pure Leistung gefragt war, punkteten jedoch mit geringer Leistungsaufnahme, vielfach passiven Kühllösungen und günstigem Preis.

Die Vorteile des Mini-ITX-Designs in diesen Kategorien, wie Auslegung auf niedrigen Verbrauch und möglichst leise Kühlung, haben dem Formfaktor bis heute einen relativ großen Erfolg eingebracht. Hauptanwendungsgebiete sind dabei nicht zwangsläufig Home-Systeme, sondern Industrie und Unternehmen. Man denke an Bankautomaten, Kassenrechner im Supermarkt, Bonuspunkte-Automaten in selbigen oder Steueranlagen für Industrieroboter. Hier stehen oftmals Lautstärke oder Kühlungsbedarf und Kosten vor der eigentlichen Rechenleistung.

VIAs eigene Mini-ITX Produkte mit dem Namen Epia sind auch aktuell noch zu erwerben. Bekannteste Neuzugänge auf diesem Gebiet sind sicherlich Intels Mainboards für den Intel-Atom oder nVidias Gegenstück Ion, ebenfalls für den Atom. Platzbedarf, Kühlung und Kosten stehen vor der eigentlichen Leistung. Mit dem Zotac 9300 Wi-Fi existiert allerdings auch ein Mainboard, das den Mini-ITX Formfaktor für ein Spielesystem interessant werden lässt. In diesem Fall ermöglichen der Support für Core 2 Duo Prozessoren und PCI Express 2.0 ein ansehnliches Leistungsspektrum.

Für was wird Mini-ITX verwendet?

Die Anwendung von Mini-ITX in der Industrie wurde bereits angesprochen. So werden z.B. KUKA-Roboter für die schnelle Handhabung von sehr großen Lasten bis zu einer Tonne von Mini-ITX-Systemen von Fujitsu-Siemens gesteuert. Der Fokus liegt hier auf Ausfallsicherheit bei leiser Kühlung und einer garantierten Lebenszeit von bis über 7 Jahren Dauereinsatz. Auf der anderen Seite des Globus finden sich in Florida passiv gekühlte Mini-ITX-Systeme im Einsatz für die einen Papierhersteller. Hier würden nach eigenen Aussagen Rückstände in der Luft jeden Lüfter innerhalb weniger Wochen oder spätestens Monate in die Funktionsunfähigkeit treiben.

In letzter Zeit finden sich am Markt auch vermehrt Mini-ITX-Systeme mit Intels Atom, die neben verbesserter Multimediafähigkeit auch Multithreading einbringen. Im Heimbereich findet man Mini-ITX-Systeme meist als Homeserver, Multimediagerät für TV im Wohnzimmer oder als genügsames Internetsystem. Dafür sind aktuelle PCs oftmals überdimensioniert und verursachen über das Doppelte an Stromkosten.

Eine weniger trocken ernste Angelegenheit ist dagegen das ITX-Modding, welches in den letzten Jahren stark an Popularität gewonnen hat. Aufgrund der geringen Dimensionen und des verringerten Kühlungsbedarfs lassen sich ITX-Systeme in so ziemlich jedes Umfeld integrieren. Beispiele gefällig? – die gibt es auf Mini-ITX.com zu genüge. So bastelte ein findiger GTA-IV-Fan aus der Limited-Special-Edition-Box kurzerhand einen Mini-ITX-PC mit VIA-Epia-Board (Bilder mit freundlicher Genehmigung von Mini-ITX.com):


Reichlich Platz bietet die Box, allerdings wird wohl niemand annehmen, dass darauf auch tatsächlich GTA IV betrieben wird:


Auf den ersten Blick alles andere als nach Hardware sieht dieses Fussballsystem aus:



Die Möglichkeiten sind natürlich vielfältig und es gibt eine Unmenge dieser Projekte. Weitere Beispiele finden sich auf Mini-ITX.com und http://www.via.com.tw/en/initiatives.../case-mods.jsp. Für Spiele ist natürlich kaum eines jener Systeme geeignet. Als Audio-Video-System oder Fileserver mögen Wärmentwicklung und Leistungsbedarf dagegen kontrollierbar sein. World of WarCraft am PC-Flatscreen oder ein Action-Spektakel an Vaters Projektor sind damit natürlich nicht verwirklichbar. Auf der anderen Seite stehen ganz klar aktuelle Notebooks, die inzwischen stark an Leistung gewinnen und oftmals selbst für moderne Spiele geeignet sind. Ist da noch Platz für ein Mini-ITX-System mit Spieleambitionen?

Was sind besondere Merkmale von Mini-ITX?

Ein Mini-ITX-System kann natürlich nicht beliebig nach oben dimensioniert werden. Der Formfaktor schreibt einige Merkmale vor, andere sind reine Orientierungspunkte, die helfen sollen, die Kosten niedrig und die Verfügbarkeit hoch zu halten. Viele Boards besitzen aufgelötete CPUs und Speicherchips; Kühlköper verrichten ihre Arbeit ohne lärmende Lüfter. Niedrige Verbrauchswerte von Intel Atom und VIAs C3, C5 und Nano Serie liefern die Basis dazu. Folglich muss die Stromversorgung dieser Mini-ITX-Boards nicht übermäßig dimensioniert werden – Netzteile mit 50W bis 100W sind häufig vorzufinden. Dementsprechend sind auch Kondensatoren und Leiterbahnen auf dem PCB ausgelegt. Die Devise lautet günstig, aber ausreichend.

Für ein System, das einen vollwertigen PCI-Express-Slot bedienen soll und gleichzeitig eine CPU mit 50W und mehr betreiben muss, ist deutlich mehr Aufwand von Nöten. Dies schlägt sich natürlich im Preis nieder. Überhaupt steigt der Herstellungsaufwand stark mit dem Wunsch nach mehr Performance an. Dies beginnt beim Routing der Signalleitungen vom Chipsatz zum Speicher und der CPU und endet mit den eigentlich nicht vorhergesehenen Leitungen und Stromversorgung für das PCI Express 2.0 Interface. Kombinierte Chipsätze ohne North- und Southbridge können hier das Zünglein an der Waage sein. Hohe Werte für CPU, FSB und Speichertakt fordern weitere Zugeständnisse an eine optimale Signalführung und einen qualitativ hochwertigen Prozess.

Kleiner muss demnach nicht günstiger bedeuten, auch wenn viele Funktionen eines vollwertigen ATX-Chipsatzes ausbleiben. Natürlich besitzen auch Mini-ITX-Boards die übliche Bandbreite an Pflichtanschlüssen. Dazu gehören Audio, USB, LAN. Allerdings unterscheiden sich die Produkte hier teils gewaltig: Ein PCI- oder gar ein PCI-Express-Slot sind nicht immer vorhanden. Auf einen Floppy-Anschluss muss man inzwischen meist ganz verzichten, das gilt bei vielen "nicht-Industrie"-Boards auch für PS/2-Anschlüsse für Maus und Tastatur.

Festplatten nach P-ATA finden generell nur einen Kanal für max. 2 Festplatten vor, bei SATA sieht es schon etwas besser aus. Die Frage nach mehr als zwei Slots für Speichermodule stellt sich oft gar nicht – besonders für Atom-Systeme muss auch mal ein Modul ausreichen. Die bereits erwähnten Schwierigkeiten bei der Komplexität der Stromversorgung und Signalqualitäten lässt auch manch eine BIOS-Option verschwinden, die dem User sonst beim Übertakten helfen würde.

Die wichtige Frage ist also nun: Welche Kompromisse müssen Hersteller wie Zotac und Silverstone eingehen, um ein Mini-ITX-Board zu entwerfen, das viele Tugenden eines Core2-Duo-Desktopboards behält, dabei aber trotzdem noch günstig, aufgeräumt, praktikabel und vor allem nur 170x170mm groß ist?