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AMD stellt die Navi-Grafikkarten Radeon RX 5700 & Radeon RX 5700 XT vor

Auf seinem E3-Event (Replay bei YouTube) hat AMD alle vorherigen Erwartungen an erschöpfende Informationen zu Navi erfüllt und die ersten drei Navi-basierten Grafikkarten vorgestellt. Jene werden zeitgleich mit den Ryzen 3000 Prozessoren am 7. Juli 2019 in den Handel gehen – ergo wird dieser Termin dann einen ziemlichen "Großkampftag" für die Hardwaretester und interessierte Hardware-Enthusiasten bringen. Zu diesem Tag wird AMD neben den Ryzen-Prozessoren die drei Navi-Grafikkarten "Radeon RX 5700", "Radeon RX 5700 XT" und "Radeon RX 5700 XT 50th Anniversary Edition" in den Markt schicken, letztere eine (wahrscheinlich limitierte) Sonderauflage der regulären Radeon RX 5700 XT anläßlich des 50. Geburtstags von AMD mit dann goldgefärbter Lüfterblende und zudem etwas höheren Taktraten (samt etwas höherem Preispunkt). In gewissem Sinne ist letztgenannte Sonderauflage somit auch ein gewisser Vorgriff auf die nachfolgenden Eigendesigns der Grafikkarten-Hersteller zu Navi, welche dann ab dem August zu erwarten sind.

Wie erwartet, trägt der Navi-Chip (zu einer genaueren Angabe ließ sich AMD leider nicht hinreißen, aber vermutlich handelt es sich um "Navi 10") 2560 Shader-Einheiten an einem 256 Bit GDDR6-Speicherinterface – und ist damit grob wie der im gleichen Performance-Feld spielende TU106-Chip der GeForce RTX 2070 (2304 Shader-Einheiten an einem 256 Bit GDDR6-Speicherinterface) ausgerüstet. Im Gegensatz zu den RTX-Grafikkarten bietet Navi allerdings kein RayTracing, dieses Feature will AMD erst mit der nachfolgenden RDNA-Iteration bringen. Da AMD nunmehr auch bei den Taktraten ähnliches wie nVidia aufbietet, lassen sich erstmals seit vielen Jahren AMD- und nVidia-Grafiklösungen wieder bezüglich der Anzahl der Shader-Einheiten grob miteinander vergleichen. Dabei spielt jener Vergleich selber eine eher untergeordnete Rolle: Vielmehr ist wichtig, das AMD mit der Navi- bzw. der RDNA-Architektur nunmehr dieselbe Performance aus seinen Shader-Einheiten herausholt wie eben nVidia – sprich, nicht mehr (derart) viel mehr Shader-Einheiten wie bisher braucht, um auf Touren zu kommen. Gut augenscheinlich wird dies bei der Radeon RX 5700, welche mit 2304 (freigeschalteten) Shader-Einheiten genau so viele trägt wie die Polaris-basierten Radeon RX 480, 580 & 590, allerdings mit einer Performance prognostiziert schneller als bei der GeForce RTX 2060 in einem klar anderen Feld spielt.

Stichwort Performance-Prognose: Hierzu hat AMD eigene Benchmarks unter jeweils 10 Spielen und jeweils der WQHD-Auflösung aufgestellt, welche eine erste Performance-Einordnung von Radeon RX 5700 & 5700 XT zulassen. Danach liegt die größere Radeon RX 5700 XT im Schnitt um +5,8% vor der GeForce RTX 2070 (wahrscheinlich auf Referenztakt), die kleinere Radeon RX 5700 dagegen um im Schnitt +11,4% vor der GeForce RTX 2060. Hinzu wurde noch ein Generations-übergreifender Vergleich gegenüber der Radeon RX Vega 56 angetreten, welchen die Radeon RX 5700 XT mit im Schnitt +31,0% gewinnt. Anzumerken ist allerdings, das die Benchmark-Auswahl seitens AMD nicht durchgehend dieselbe ist, insofern werden sich in der Realität unabhängiger Benchmarks da durchaus noch Abweichungen ergeben. Nichtsdestotrotz kann man auf Basis dieser AMD-eigenen Messungen schon gewisse Hochrechnungen anstellen, wo die neuen AMD-Grafikkarten herauskommen sollten. Speziell bei der Radeon RX 5700 XT weisen beide vorliegenden AMD-Resultate dabei ziemlich gleichlautend auf einen UltraHD Performance-Index von ~154% hin – sogar etwas besser als auch bei der GeForce RTX 2070 FE.

nVidia Pascal AMD Vega nVidia Turing AMD Navi
GeForce RTX 2080 (Ref)   180%
GeForce GTX 1080 Ti   173% Radeon VII   173%
       
Radeon RX 5700 XT "50th AE"   ~158%
GeForce RTX 2070 (FE)   151% Radeon RX 5700 XT   ~154%
GeForce RTX 2070 (Ref)   146%
Radeon RX 5700   ~138%
GeForce GTX 1080   132% Radeon RX Vega 64   132%
GeForce GTX 1070 Ti   122% GeForce RTX 2060   124%
Radeon RX Vega 56   117%
Performance-Prognose gemäß dem 3DCenter UltraHD Performance-Index sowie AMDs eigenen Benchmarks zu Radeon RX 5700 & 5700 XT

Die Hochrechnung zur Radeon RX 5700 ausgehend vom Benchmark-Resultat gegenüber der GeForce RTX 2060 würde dann auf einen UltraHD Performance-Index von ~138% hinauslaufen – was überraschend nahe an der Radeon RX 5700 XT dranliegen würde, zwischen den beiden regulären Navi-Ausführungen ergäbe sich damit nur eine Performance-Differenz von ±11%. Dies ist zwar durchaus AMD-typisch, aber angesichts der (gleich) hohen Speicherbandbreite bei beiden Grafikkarten und der Rechenleistungs-Differenz von +20% konnte man eigentlich eine etwas stärkere Skalierung erwarten. Letztere hängt natürlich auch von den konkret anliegenden Taktraten ab, die AMD-Vorgabe ist diesbezüglich nur eher grob zu sehen. Denn der neu eingeführte "Game Clock" ist letztlich wie erwartet nur der mittlere Boost-Takt, während der offiziell derart genannten "Boost Clock" eigentlich der Maximal-Takt ist, sprich keine relevante Größe darstellt. Zudem hat AMD (wie nVidia) die Angabe zum Boost-Takt eher konservativ gewählt, in der Praxis sollten die Navi-Grafikkarten somit nochmals etwas höher takten. Wir werden nachfolgend AMDs "Boost Clock" bei üblichen Taktraten-Angaben nicht verwenden, sondern allein Basetakt und Gametakt notieren – wobei letzterer wie gesagt dem durchschnittlichen Boosttakt entspricht.

Logischerweise werden sich diese AMD-Vorgaben dann noch dem scharfen Blick unabhängiger Benchmarks stellen müssen – kleinere Abweichungen im Rahmen von bis zu -3 Prozentpunkten sind dabei durchaus zu erwarten, dürften aber das Gesamtbild kaum noch verändern. In jenem hat AMD seine regulären Navi-Grafikkarten beiderseits derart getaktet, das es die größere Radeon RX 5700 XT mit der GeForce RTX 2070 zu einem um 50 Dolar niedrigeren Preispunkt aufnimmt. Die kleinere Radeon RX 5700 kommt hingegen in jedem Fall beachtbar vor der GeForce RTX 2060 heraus, was dann zusammen mit der größeren Speicherbestückung die preisliche Differenz von 30 Dollar mehr erklären soll. Im Fall der kleineren Radeon RX 5700 kann sich AMD diesen minimal höheren Preispunkt sicherlich leisten, da die 6 GB Grafikkartenspeicher der GeForce RTX 2060 ein bekannt großer Kritikpunkt an dieser Karte sind, die 8 GB Grafikkartenspeicher der Radeon RX 5700 dann einfach die solidere Wahl darstellen (gerade wenn die AMD-Karte auch noch beachtbar schneller ist).

Während also das Preis/Leistungs-Verhältnis (im Vergleich zu nVidias Turing-Angeboten) durchaus stimmt, ist AMD bei der Frage "Performance/Watt" weiterhin nur zweiter Sieger, denn die TDPs der beiden regulären Navi-Karten lauten auf 180 und 225 Watt. Die Konkurrenz-Angebote von nVidia kommen hierbei allerdings mit 160 Watt (GeForce RTX 2060) bzw. 175 Watt (GeForce RTX 2070) aus, wenngleich jene wie gesagt etwas langsamer sind. Die Effizienzrechnung geht dennoch klar zugunsten von nVidia aus – und dennoch kann AMD diese Problematik wohl als "erledigt" betrachten, da man mittels Navi bei der Energieeffizienz nicht mehr so weit weg vom Schuß liegt wie bisher noch. Und die Energieeffizienz ist eben kein Punkt, wo gewisse Unterschiede (wie sie hiermit noch vorliegen) eine beachtbare Rolle spielen würden – in diesem Feld geht es nur um große Differenzen, welche nun aber nicht mehr vorliegen. Man kann sicherlich darüber diskutieren, wieso AMD in der 7nm-Fertigung immer noch nicht die Energieeffizienz von nVidias 12nm-Beschleunigern erreicht hat – aber für die Anwenderpraxis bei den dann kaufbaren Karten hat dies keine Relevanz.

Insofern darf AMD durchaus auf gute Umsätze mit der Navi-Generation hoffen, wenngleich die gemachten hohen Preislagen den Kreis der potentiellen Käufer sicherlich etwas einengen werden. Zudem ist der Vorteil, welchen AMD gegenüber nVidia bietet, auch nicht so groß, als das nVidia da überhaupt wirklich reagieren müsste – allenfalls die GeForce RTX 2060 ist etwas unter Druck wegen ihrer kleineren Speichermenge. Die Insgesamt-Differenz zwingt in jedem Fall die eingefleischten nVidia-Käufer nicht dazu, nunmehr zähneknirschend Navi-Grafikkarten zu kaufen – was bedeutet, das beide Grafikchip-Entwickler weiterhin ihr Geschäft machen werden. Navi erscheint damit für AMD derzeit nicht als der große geschäftliche Befreiungssschlag, was sich aber natürlich im späteren Verlauf über bessere Preislagen und weitere Navi-Angebote auch für die kleinere Preissegmente noch ändern kann. Rein technologisch ist Navi allerdings durchaus ein gewisser Befreiungsschlag – denn hiermit wurde die Grafikchip-Architektur so weit entschlackt, das AMD nicht wie bisher mit viel größerer Technik anrücken muß, um dieselbe Performance zu erreichen. Grob gesehen ist die AMDs Navi somit wie "nVidia Turing ohne RayTracing" – und zum besseren Preis/Leistungs-Verhältnis.

Radeon RX 5700 Radeon RX 5700 XT Radeon RX 5700 XT "50th AE"
Chipbasis AMD "Navi" (vermtl. Navi 10), 10,3 Mrd. Transistoren auf 251mm² Chipfläche in der 7nm-Fertigung von TSMC
Architektur AMD RDNA1, GFX10
Technik 36 Shader-Cluster mit 2304 Shader-Einheiten, 144 TMUs, 64 ROPs, 256 Bit GDDR6-Speicherinterface (Salvage) 40 Shader-Cluster mit 2560 Shader-Einheiten, 160 TMUs, 64 ROPs, 256 Bit GDDR6-Speicherinterface (Vollausbau) 40 Shader-Cluster mit 2560 Shader-Einheiten, 160 TMUs, 64 ROPs, 256 Bit GDDR6-Speicherinterface (Vollausbau)
Taktraten 1465/1625/3500 MHz 1605/1755/3500 MHz 1680/1830/3500 MHz
Rohleistungen 7,5 TFlops & 448 GB/sec 9,0 TFlops & 448 GB/sec 9,4 TFlops & 448 GB/sec
Speicher 8 GB GDDR6 8 GB GDDR6 8 GB GDDR6
Anbindung PCI Express 4.0 PCI Express 4.0 PCI Express 4.0
Layout DualSlot DualSlot DualSlot
Kartenlänge 26,7cm 26,7cm 26,7cm
Stromstecker 2x 6pol. 1x 6pol. & 1x 8pol. 1x 6pol. & 1x 8pol.
off. Verbrauch 180W (TBP) 225W (TBP) 235W (TBP)
Listenpreis 379$ 449$ 499$
Release 7. Juli 2019 7. Juli 2019 7. Juli 2019

Nachtrag vom 11. Juni 2019

In der Bewertung der Preislage von AMDs Radeon RX 5700 & 5700 XT Navi-Grafikkarten gibt es durchaus einige Stimmen, aus denen klare Enttäuschung darüber spricht, das AMD hiermit nicht im Midrange-Segment geblieben ist. Immerhin handelt es sich bei den jetzt zu sehenden Navi-Grafikkarten um den eigentlichen Polaris-Nachfolger – darauf deuten die ähnlich große Chipfläche sowie die Namenswahl mit der "7" im Nummernblock hin, einmal abgesehen von den Teasern, welche AMD im Laufe der Zeit zugunsten eines "Midrange"-Ansatzes von Navi ausgestreut hatte. Letztlich bietet AMD mit der kleineren Radeon RX 5700 nur ca. +4% Mehrperformance gegenüber der Radeon RX Vega 64 an, auf gemäß der aktuellen Straßenpreise fast identischer Preislage. Angesichts von fast zwei Jahren Zeitdifferenz, neuer Architektur, neuem Fertigungsverfahren und sogar klar kleinerem Grafikchip ist dies viel weniger, als was man bisher im Laufe der Grafikkarten-Evolution bei einer neuen Generation bekommen hat. Von der Performance her hat AMD die Anforderung sicherlich erfüllt: Mit einer neuen Midrange-Generation erreicht man das Performance-Niveau der früheren HighEnd-Generation. Nur normalerweise sollte dies eigentlich kostenneutral über die Bühne gehen – sprich Midrange-Preise für Midrange-Karten.

Aus diesem Dilemma dürfte AMD bei vielen Grafikkarten-Käufern nicht so schnell herauskommen, in dieser Frage hat man mit der (bisherigen) Navi-Generation durchaus Kredit verspielt. Allerdings gibt es durchaus eine plausible Erklärung für dieses hohe Preisniveau – in Form der bewußten Anpassung an die durch nVidias Turing-Karten vorgegebenen generell höheren Grafikkarten-Preise. Denn würde AMD nVidia beim Preis/Leistungs-Verhältnis deutlich unterbieten, würde dies letztlich nur eine automatische Gegenreaktion seitens nVidia provozieren – und am Ende würden beide Grafikchip-Entwickler wesentlich schlechter verdienen, aber nicht (wesentlich) mehr verkaufen. Die Kunst der Preisfestsetzung besteht schließlich darin, seine Preislagen zwar günstiger als diejenigen der Konkurrenz zu machen – aber nicht um so viel günstiger, als das die Konkurrenz zu einem Konter gezwungen wäre. Ein besserer Preispunkt liegt (Hersteller-seitig) idealerweise genau in der Schwebe dazwischen, wo also ein Konter für die Konkurrenz mehr Aufwand als Nutzen erzeugt, beide Hersteller im Endeffekt mit der vorhandenen Preissituation leben können. Und dies bedeutet, das ein gemachter Preisvorteil sich regelmäßig nur im Rahmen von wenigen Prozentpunkten bewegen darf – wird es mehr, muß man eben einen Konter der Konkurrenz erwarten.

Selbst wenn hieraus dann kein Preiskrieg resultiert, haben die Hersteller in jedem Fall nichts gewonnen, wenn jene letztlich allesamt mit dem Preis heruntergehen. Für den Konsumenten wäre ein Preiskrieg natürlich traumhaft – aber eben wegen des Risikos von deutlich weniger Umsatz & Gewinn bei kaum veränderten Stückzahlen dürften die Hersteller so etwas mit Macht zu vermeiden versuchen. Insbesondere in einem Markt mit sehr wenig Anbietern (wie im Prozessoren- und Grafikkarten-Geschäft) läßt sich mit einem Preiskampf für die Hersteller normalerweise nichts positives erreichen. So etwas geht gewöhnlich nur in einem Markt mit vielen Anbietern gut, wo man darauf setzen kann, das sich die Marktanteilsveränderungen auf viele Kontrahenten verteilen und damit für jeden einzelnen Wettbewerber zu klein sind, um darauf zwingend reagieren zu müssen. In einem Markt mit zwei Anbietern sind die Gewinne des einen aber immer 1:1 die Verluste des anderen – womit eine Gegenreaktion der Konkurrenz fast unweichlich ist. Aus diesen Überlegungen heraus sind die von AMD gemachten Preislagen der Navi-Grafikkarten vielleicht eher verständlich – wobei jene keinesfalls verteidigt, sondern einfach nur erklärt werden sollen.

Nachtrag vom 19. Juni 2019

Laut Cowcotland (maschinelle Übersetzung ins Deutsche, via Videocardz) soll die "Radeon RX 5700 XT Anniversary Edition" nur in den USA und China angeboten werden. Bei der Karte handelt es sich um eine leicht werksübertaktete Sonderausführung der Radeon RX 5700 XT mit güldenfarbener Lüfterblende, erhältlich nur über den AMD-Shop. Die Taktraten der Karte steigen dabei von (regulär) 1605/1755/3500 auf 1680/1830/3500 MHz, die TBP von 225 auf 235 Watt – was letztlich 4,3% mehr Boosttakt zu 4,4% höherer TDP ergibt. Die Meldung zur Marktlimitierung auf nur zwei Staaten scheint allerdings nicht ganz korrekt zu sein, denn wie AMD auf Reddit angibt, will man den AMD-Shop auf weitere 15 europäische Länder ausweiten, darunter dann auch Deutschland und Österreich. Derzeit existiert zur Karte zwar eine deutschsprachige Produkt-Webseite, allerdings noch kein Eintrag im AMD-Shop – welcher dann jedoch voraussichtlich am 7. Juli erscheinen wird. Generell gesprochen läßt sich diese Sonderausführung der Radeon RX 5700 XT natürlich auch mit den im August zu erwartenden Eigendesigns der Grafikkartenhersteller ersetzen, von jenen sind durchaus Werksübertaktungen in ähnlichem (oder gar besserem) Maßstab zu erwarten.