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Microsoft startet mit "Copilot+" die Ära des KI-PCs

Software-Entwickler Microsoft hat auf der Haus-eigenen Entwickler-Konferenz "Build" den Start des KI-PCs verkündet, auch wenn man (erstaunlicherweise) diesen Begriff nicht direkt verwendet. Vielmehr rüstet man Windows 11 mit der "Copilot+" Funktionalität aus, sofern die Hardware-Anforderungen hierfür erfüllt werden. Das Plus-Zeichen ist dabei das besondere, hiermit gibt es die erweiterten Funktionen – während es das reguläre "Copilot" auch für nicht unterstützte Hardware bzw. auch für Windows 10 gibt, jenes wohl als Anfütterungs-Feature erhalten bleibt. Neben Fotobearbeitungs- und Übersetzungs-Funktionalität sowie der Zurverfügungstellung der NPU-Kapazitäten für die KI-Funktionen von Anwendungen anderer Hersteller ist die wichtigste Teilkomponente von Copilot+ wohl "Recall" – was in der Vorabberichterstattung als "KI-Explorer" bekanntgeworden ist.

    Features von Microsoft "Copilot+"

  • Recall — eine KI-ausgewertete Datenbank aller Nutzeraktivitäten, auch über andere Anwendungen hinweg
  • Cocreate — KI-unterstützte Foto-Kreierung
  • Restyle Image — KI-unterstützte Foto-Bearbeitung
  • Live Captions — automatisierte Live-Übersetzungen (derzeit nur für Englisch)
  • Unterstützung der KI-Funktionen in Adobe, DaVinci Resolve Studio, CapCut, Cephable, LiquidText & djay Pro
  • Systemanforderungen:  Windows 11 24H2, 16 GB RAM, 256 GB SSD (muß nicht frei sein), extra NPU mit 40 TOPs

Allerdings trifft es der offizielle Name vielleicht sogar besser, denn hiermit soll nicht mehr vom Nutzer gesucht werden, vielmehr soll der Computer sich an das erinnern, was irgendwann einmal passiert ist. Und dies kann alles einschließen, was irgendwie auf dem Bildschirm passierte, ist somit auch komplett Anwendungs-unabhängig. Faktisch wird für die Recall-Funktionalität sinngemäß alles aufgezeichnet, was der Benutzer jemals so getrieben hat – damit jener nachfolgend den Computer in natürlicher Sprache kann nach Bildern, Webseiten, eMails und anderen Vorgängen fragen kann, zu welchen eventuell nur noch bruchstückhafte Erinnerungen vorliegen. Dies kann durchaus eine sehr hilfreiche Funktionalität gerade für den Normalanwender sein, welcher bisher mühsam lernen muß, wie ein Computer funktioniert, was mit selbigem möglich ist – und was (bislang) nicht.

Ob der Copilot+ in seiner allerersten Version dies alles schon liefern kann, was Microsoft verspricht, steht auf einem anderen Blatt, muß man durch die Praxis herausfinden. Eingerechnet werden darf hierbei, dass unabhängig eventueller Anfangsschwierigkeiten das ganze sehr wohl das Potential zu einer kompletten Änderung der Nutzungsgewohnheiten auf dem PC hat: Weg von der (stillen) Eingabe per Maus und Tastatur – hin zu einem Computer, mit welchem man spricht und welcher alle Anweisungen des Nutzers wie ein digitaler Butler umsetzt. Dies ist mit Windows 11 2H24 samt "Copilot+" sicherlich noch nicht erreicht, aber natürlich dennoch die Zielsetzung bei Microsoft – auch und deswegen, um Windows-PCs zukünftig wieder besser gegenüber Smartphones sowie Apples PC-Gerätschaften zu positionieren.

How do we build computers that understand us, instead of us having to understand them? I feel like we’re close to that breakthrough. We have this new reasoning capability that helps us complete complex tasks. We’re entering this new era where computers not only understand us but anticipate what we want.

Quelle:  Microsofts CEO Satya Nadella auf der "Build" Entwickler-Konferenz am 20. Mai 2024

All der Technik-Optimismus könnte natürlich auch daran zerschellen, dass Microsoft seine vollmundigen Datenschutz-Versprechungen eventuell nicht einhalten kann. Das Unternehmen hat sich in dieser Frage einen zweifelhaften Ruf erarbeitet und die entsprechenden Fragen zu Copilot+ dann auch nur mangelhaft beantwortet. So verspricht man zwar explizit die lokale Verarbeitung und Speicherung der Nutzer-Daten für das Recall-Feature. Zudem kann man Recall pausieren lassen und/oder eine Blacklist aufstellen, in welchen Situationen Recall generell niemals mitschreiben soll. Dies sagt allerdings überhaupt nichts darüber aus, ob sich Microsoft nicht doch Zugriff auf die sich aus dem Wirken von Recall bzw. Copilot+ ergebende Datenbank geben kann, sei es Pseudo-anonymisiert oder vielleicht sogar gänzlich.

Gemäß der jüngeren Geschichte von Microsoft kann man sicherlich sagen, dass Microsoft wenigstens zugunsten von Werbung diese Nutzerdaten gern auswerten will. Von zukünftig möglichen gesetzlichen Anforderungen, diese Nutzerdaten an Papa Staat herauszurücken, gar nicht erst zu reden. Und somit stehen der Begeisterung ob der neuen Möglichkeiten teilweise erhebliche Vorbehalte ob der langfristigen Folgen gegenüber. Kurzfristig dürfte Microsoft bemüht sein, diesbezüglich gar nichts anbrennen zu lassen bzw. die Nutzer erst einmal in Richtung des "KI-PCs" zu treiben. Sobald die Masse der Nutzer dann dort (gefangen) ist, dürften die Hemmungen fallen, den hiermit aufgebauten Datenschatz zu heben. Die sich daraus ergebende Frage ist somit, wie man die positiven Effekte mitnimmt, ohne von den negativen Effekten betroffen zu sein.

Ganz konservativ gedacht kann dies eigentlich nur ein Betriebssystem leisten, welches unter der alleinigen Kontrolle des Anwenders steht, wo dessen Hersteller sich auf Sicherheits-Updates beschränkt und ansonsten (gar) keine Möglichkeit eines Hersteller-Eingriffs hat. Dies könnte eines Tages durchaus Linux leisten, immerhin ist die Technik eines KI-Explorers kein Zauberwerk. Bis dahin dürfte Windows allerdings schon weit vorgaloppiert sein und seine KI-Funktionen der Allgemeinheit nähergebracht haben. Alle Nutzer von Copilot- und Copilot-Plus-Funktionen sollten sich allerdings darüber im klaren sein, dass sie potentiell Microsoft alle darüber aufgelaufenen Daten schenken, je nachdem wie Microsoft die Bedingungen in der Zukunft nach eigenem Gusto verändert.

Bezüglich der für Copilot+ benötigten Hardware hat sich Microsoft immer noch nicht erschöpfend erklärt: Die Rechenleistungs-Marke von 40 TOPs ist bislang nicht offiziell bestätigt, dürfte jedoch zutreffen. Viel interessanter ist die Frage, was Nutzer mit einer potenten Grafikkarte, aber ohne extra NPU erwarten können: Sperrt Microsoft jene von Copilot+ aus – oder vergibt vielleicht nur nicht das Siegel, aber läßt die Verwendung aller Funktionalitäten dennoch zu? Dies kann durchaus einen gewaltigen Unterschied bei der Nutzerbasis ergeben: Denn PCs & Notebooks mit der offiziell passenden NPU kommen erst jetzt in den Markt – Qualcomms "Snapdragon X" macht den Anfang, AMD "Strix Point" und Intel "Lunar Lake" werden folgen. Eingerechnet potente Grafiklösungen könnte die Nutzerbasis von Copilot+ allerdings gleich vom Start weg einige Dutzend Millionen Systeme erreichen.

Copilot Copilot+
Windows 11 24H2 samt passender Hardware und NPU ≥40 TOPs -
Windows 10 egal der Hardware, Windows 11 ohne passende Hardware
Windows 11 24H2 samt passender Hardware, aber ≥40 TOPs per Grafikkarte ???

Nachtrag vom 21. Mai 2024

Microsofts KI-PC bzw. Copilot+ muß derzeit mit starken Gegenwinden aus Nutzerperspektive kämpfen, egal auf welcher Plattform jenes kommentiert & diskutiert wird. Interessant ist dabei insbesondere, dass kaum jemand einen praktischen Vorteil für sich erkennen will, die Konzentration der Kommentare liegt auf der hiermit aufgebauten Datenbank der Benutzertätigkeit. Hierzu gab es auch treffende Kommentare in die Richtung hin, dass Nutzer die letzten 20 Jahre auf dem eigenen PC nie etwas ernsthaft haben suchen müssen – weil durch Struktur und Organisation alles an seinem Platz war und somit umgehend gefunden wurde. Diese im Bereich erfahrener PC-Anwender sehr wohl nachvollziehbare Darstellung rechnet allerdings die Mehrheit unerfahrener Computer-Nutzer nicht ein, welche ihre große Mühe mit dem Verständnis des Computers haben und für welche es demzufolge eine enorme Hilfe sein könnte, mit dem Computer dies in natürlicher Sprache lösen zu können.

Doch auch abgesehen davon existiert die wirtschaftliche Ebene, welche eher zugunsten von KI-PC bzw. Copilot+ spricht. Denn hierfür wird kein technisches Wunderwerk vonnöten, sondern nur eine vergleichsweise kleine NPU, welche nicht einmal als extra Chip ausgeführt wird, sondern Teil von kompletten SoC-Angeboten ist. Daher ist auch kein Preisvorteil für PCs ohne Copilot+ zu erreichen bzw. dürfte dies nur mit gleichzeitig größeren Abspeckungen bei anderen Hardware-Feldern angeboten werden. In absehbarer Zukunft sollten dann auch schon Einsteiger-SoCs die notwendige NPU mitbekommen, was die Hersteller nur minimal an Silizium-Fläche kostet und daher für diese keine große Diskussion wert ist. Man muss davon ausgehen, dass die technische Grundlage für Copilot+ in Zukunft bei mehr oder weniger allen angebotenen PCs vorhanden sein wird. Da es kein großer Kostenfaktor ist, können die PC-Hersteller das Feature auch über eine lange Anlaufphase mitschleppen, ohne dass dies aus wirtschaftlicher Sicht in Frage gestellt würde.

Da es an der Kostenlage somit vorerst nicht scheitern wird, müsste schon eine gravierende Nutzer-Ablehnung stattfinden, um den KI-PC bzw. Copilot+ noch zu stoppen. Die Grundlagen dafür sind unter den erfahrenen PC-Anwendern zweifelsfrei zu sehen – hier spricht sich die übergroße Mehrheit gegen dieses Feature aus, Beführworter sind kaum zu finden. Ob dies ausreichend ist, steht auf einem ganz anderen Blatt: Denn sobald es Microsoft gelingt, das Feature bei den Normalanwendern durchzusetzen, ist dieser Zug bereits abgefahren. Und erfahrungsgemäß schluckt der Normalwender üblicherweise jene Medizin, welche Microsoft vorsetzt. Da müsste doch einiges in Richtung Medienöffentlichkeit gegen Copilot+ passieren, damit der Normalanwender für die Probleme jener Technologie sensibilisiert werden kann. Unmöglich ist natürlich gar nichts. Doch der Widerwille der Nerd-Szene ändert kaum etwas, für ein Scheitern des KI-PCs bzw. Copilot+ müsste wesentlich mehr passieren.

Nachtrag vom 22. Mai 2024

Bei BornCity sowie Dr.Windows hat man sich mit dem Sicherheits-Aspekt des "Recall"-Features von Copilot+ beschäftigt. Jene ist nach Ersteinrichtung von Windows 11 standardmäßig aktiv (deaktivierbar), legt alle 5 Sekunden einen Desktop-Screenshot an, speichert selbigen für drei Monate (verlängerbar) und kann die Informationen des per KI ausgewerteten Screenshots nachfolgend zugunsten die Suchfunktion des PCs verwenden. Der Punkt hieran ist: So etwas wird natürlich Datendiebe anziehen, da sammelt sich mit der Zeit einfach zu viel an, was (zumeist unbewußt) Sicherheits-relevant ist. Hier kann man durchaus das Risiko sehen, dass Normalnutzer wieder viel stärker in das Blickfeld von Cyberkrimimellen geraten – welche zuletzt eher bei Behörden & Unternehmen ihr "Betätigungsfeld" gefunden hatten.

Sicherlich läßt sich Recall konfiguieren: Mittels einer Blacklist kann der Anwender bestimmte Apps & Webseiten davon ausschließen. Doch dies dürfte von Otto Normalsurfer in der Praxis kaum genutzt werden – und somit, sofern Recall aktiv bleibt, dessen Datenbank mit haufenweise Sicherheits-relevanten Daten füttern. Der Clou ist allerdings, dass Microsoft den Recall-Ausschluß von Webseiten nur unter seinem Edge-Browser ermöglicht sowie den Ausschluß des privaten Modus nur mit Chrome-basierten Browsern. Hieraus ergeben sich drei Folgen: Erstens einmal müsste ein gehöriger Nutzer-Anteil zugunsten von Recall den Browser wechseln. Zweitens einmal verstößt dies zumindest sinngemäß gegen EU-Regularien, nachdem Microsoft andere Browser-Hersteller nicht benachteiligen sollte. Und drittens darf Microsoft erklären, wie man auf einem PC mit in der EU legal entfernbarem Edge-Browser den Nutzer-Eigenschutz des Recall-Features noch gewährleisten will.

Microsoft verweist darauf, dass man über die Einstellungen bestimmte Apps und Webseiten von Recall ausschließen kann. Die Webseite der eigenen Bank bietet sich hier an, wenn man nicht möchte, dass bei jeder Onlinebanking-Sitzung Screenshots vom aktuellen Kontostand aufgenommen werden. Der Webseiten-Filter funktioniert allerdings nur mit Microsoft Edge – Ätsch. Beim Browsen im privaten Modus nimmt Recall grundsätzlich nichts auf – aber auch das funktioniert nur mit Chromium-basierten Browsern und somit nicht mit Firefox.
Quelle:  Dr.Windows am 22. Mai 2024

Nachtrag vom 23. Mai 2024

Der nächste gute Einwand gegenüber Microsofts Copilot+ kommt von Golem – und dreht sich mitnichten um die Sicherheits-Abspekte, sondern darüber, wer wirklich die Kontrolle über die "lokale" KI hat. Dies dürfte nämlich weiterhin Microsoft sein, denn alles was der Benutzer mit der KI anfängt, muß im Rahmen von Microsofts Nutzungsbedingungen stattfinden – und wird auch durch Microsoft dahingehend geprüft. Inwiefern dies auch auf lokale Suchanfragen mittels Recall zutrifft, ist unsicher, doch zumindest die lokale Bildbearbeitungs- und Bildkreierungs-Funktionen prüft jede Anforderung des Nutzers mit der Microsoft-Cloud ab. Dies wird dort selbstverständlich über eine KI realisiert, mit der damit einhergehenden Quote an haarsträubenden Fehleinschätzungen. Der Nutzer geht hiermit also das verstärkte Risiko ein, seinen Microsoft-Account samt Zugriff auf seinen PC zu verlieren, wenn Microsofts Überprüfungs-KI irgendetwas nicht in den Kram passen sollte (sofern Copilot+ einen Microsoft-Account voraussetzt, was allerdings naheliegend ist).

Nachtrag vom 27. Mai 2024

Gemäß Golem lief Microsofts "Recall-"Feature von Copilot+ in einem Test auch auf ARM-Hardware ohne NPU, in diesem Fall einfach nur mittels der CPU-Power. Jene ist für das Anlegen der Snapshots wahrscheinlich sowieso primär zuständig, die NPU kommt nur bei deren Indizierung zum Einsatz. In jedem Fall gab es keine feste Hardware-Sperre, dass ohne NPU die Recall-Funktion nicht ausführbar war. Zu überprüfen wäre natürlich noch, ob dies auch unter x86-Hardware zutrifft oder eine Sondersituation von ARM-Hardware darstellt. Generell ist zu vermuten, dass Microsoft selbst lieber eine möglichstgroße Verbreitung wünscht und daher die Hardware-Anforderungen faktisch nur zur Erlangung des "Copilot+" Siegels für neue PCs gelten – man praktisch aber auch mit niedrigerer Hardware zumindest die Recall-Funktion ausführen kann.

Nachtrag vom 30. Mai 2024

Heise berichten von Aussagen der Marktforscher von Gartner, welche den (schnellen) Durchbruch des KI-PCs prophezeien. So sollen jene Geräte dieses Jahr schon ein Fünftel aller PC-Absätze ausmachen, und Ende 2026 die Marke von 100% bei betrieblich gekauften PCs erreichen. Ob dies so kommt und ob dies überhaupt etwas zum KI-PC aussagt, darf allerdings bezweifelt werden. Denn erstens einmal sagt der reine Geräte-Kauf nichts zur Nutzung aus: In absehbarer Zukunft wird ein Großteil aller verkauften PCs eine entsprechende NPU mitbringen und darf sich damit KI-PC nennen – was nicht bedeutet, dass die PC-Käufer dies wünschen oder nutzen würden. Die meisten NPUs werden halt nur als (kleiner) Teil eines SoCs kreiert, sind also technisch immer mit dabei und natürlich wird der PC-Hersteller nicht durch bewußte NPU-Deaktivierung auf den Werbewert dieses Features verzichten wollen.

Doch wenn das gesamte PC-Angebot nur noch aus KI-PCs besteht, besteht auch der Absatz nur noch daraus – was wie gesagt nicht bedeutet, dass diese Funktion tatsächlich genutzt würde. Hierzu gibt es beachtbar klare Aussagen der Anwender: Nur eine Minderheit will sich die "Recall"-Funktion überhaupt ansehen, die große Mehrheit sucht nach Auswegen, davon wegzukommen. Die Stimmenverhältnisse sind dabei derart eindeutig, dass Microsoft hier wenigstens eine verlängerte Anlaufphase einplanen muß, um die Feature-Nutzung durchzusetzen. Denkbarerweise kann dies auf dem Massenmarkt einfacher sein, wenn Otto Normalsufer den neuen PC mit aktivem Copilot+ kauft und dann einfach loslegt. Doch das passive Anlegen von Snapshots ist nicht wirklich eine aktive Nutzung von Recall, selbst wenn Microsoft natürlich lieber mit ersterer Zahl prahlen sollte.

Gänzlich daneben liegen könnten die Analysten beim Thema betrieblich genutzter PCs: Sicherlich gibt es einige Aufgaben für KIs im betrieblichen Umfeld, allerdings auch die große ungeklärte Frage, wie man die Erfassung geheimzuhaltender Daten durch die Snapshot-Funktion von Recall verhindern kann. Normalerweise würde so etwas Jahre der Evaluierung bedingen, der direkte Sprung ins kalte Wasser könnte hingegen Existenz-gefährdent sein, wenn sich Hacker an diesen aufgezeichneten Daten zu schaffen machen oder aber die Datenschutzbehörden mal drüber schauen. Gerade bei Firmen und Behörden ist daher eher zu erwarten, dass jene die KI-PCs nur kaufen, um nachfolgend diese Funktionalität direkt auszuschalten. Und so kann es locker und leicht passieren, dass schon im Jahr 2026 der KI-PC eine Marktdurchdringung von 70-90% hat – und dennoch nur eine Minderheit diese Funktionalität tatsächlich nutzt.

Nachtrag vom 3. Juni 2024

Gemäß Tom's Hardware arbeiten Microsoft und nVidia daran, (im weiteren Jahresverlauf) Copilot+ auch auf RTX-Grafikkarten lauffähig zu machen. Prinzipiell dürfte dies keine echte Arbeit sein, sondern nur eine Freigabe der Nutzung der sowieso vorhandenen (und überlegenen) Inferenz-Fähigkeiten von nVidias RTX-Grafikkarten für Copilot+. Unklar bleibt allerdings weiterhin, ob entsprechende Hardware dann offiziell das Siegel von "Copilot+" führen darf, oder jenes Feature einfach nur inoffiziell nutzen kann. nVidia hatte wohl entsprechende Geräte zuerst als "RTX AI | Copilot+" bezeichnet, ist jüngst aber zu "RTX AI Laptop" gewechselt, was eher auf eine inoffizielle Nutzung ohne offizielles Siegel hindeutet. Ob dies die Geräte-Käufer überhaupt interessiert, bleibt allerdings abzuwarten – bislang ist das ganze Themengebiet des KI-PCs eher fest in der Hand des Hersteller-Marketings und mitnichten eine Sache, welche einen Käuferansturm erwarten läßt.

Nachtrag vom 10. Juni 2024

Auch wenn Microsofts Copilot+ den Startschuß für den KI-PC gegeben hat, haben die anderen Hersteller genauso in diese Richtung hin entwickelt und folgen Microsoft nunmehr direkt nach: Apple wird ähnliche Funktionalitäten in Form von "Apple Intelligence" in seine Betriebssysteme einbringen, Google arbeitet an selbigem für seine Chromebooks und inzwischen gibt es sogar schon eine OpenSource-Software namens "Openrecall" mit dem grundsätzlichen Funktionsumfang von "Recall". Hauptthema ist immer eine "Recall"-artige Funktionalität, wo der PC also die Benutzer-Aktivitäten auswertet, um darauf hin auf eventuelle Suchanfragen aussagefähig zu sein. Hauptproblem ist natürlich der Datenschutz, wobei sich die Hersteller an dieser Stelle zu gern über den Punkt "wird alles lokal gespeichert" herauszuretten versuchen. Wie Microsoft bereits erfahren musste, ist dies jedoch wenig zielführend bei der Beschwichtigung der Anwender, denn auch mit einer lokalen Kopie aller Recall-Daten läßt sich viel Unsinn anstellen.

Der Punkt ist hier halt weniger, ob man dem Software-Anbieter vertrauen sollte (muß man sowieso), sondern ob man der Sicherheit des eigenen PCs soweit vertraut, dass man sich die Freischaltung einer allumfassenden Nutzerdaten-Sammelsoftware leisten kann – an deren aufgezeichneten Daten natürlich jede Malware höchst interessiert ist. Wie Apple, Google und der freie Anbieter dies besser lösen wollen, ist noch weitgehend im unklaren. Openrecall bietet zumindest den Punkt einer "Whitelist" an, sprich es werden nur Snapshots in vorher explizit freigegebenen Programmen aufgenommen. Unklar ist genauso noch, wie hoch hierzu der tatsächlich Bedarf ist: Eine solch mächtige Software sollte eigentlich nie von Otto Normalsurfer aktiviert werden, sondern kann wenn dann nur von erfahrenen PC-Nutzern richtig konfiguriert und sorgsam genutzt werden. Genau von diesen erfahrenen PC-Nutzern weht Microsoft allerdings schon ein starker Gegenwind ob Copilot+ & Recall entgegen. Wer hier als Kunde seitens der Hersteller benötigt wird, sind somit weniger die "Digital Natives" – sondern eher die "Digital Naives".

Laut der PC Games Hardware kann Microsoft seine bisherigen Zeitpläne zu Copilot+ sowieso nicht einhalten, da sich das zugrundeliegende Windows-Majorupdate "24H2" verspäten wird. Neben der zusätzlichen Arbeit mit den kürzlichen Änderungen an der Recall-Funktionalität gibt es nun wohl auch noch grundsätzliche technische Probleme, welche Microsoft wohlweislich nicht auf Consumer-PCs ausgerollt sehen will. Dies bedeutet auch, dass der Marktstart von KI-PCs seitens Qualcomm am 18. Juni bezüglich Copilot+ ein "Trockenstart" sein wird, erst nach dem Einspielen des nunmehr verzögerten 24H2-Updates kann diese Funktionalität aktiviert werden. Dafür, dass es sich hierbei um eine neue Computer-Ära handeln soll, ist deren Start doch von reichlich Unwägbarkeiten, schnellen Änderungen und Termin-Verzögerungen trotz langer Vorlaufphase gekennzeichnet.