20

Googles "Stadia" will Cloudgaming mit 4K-Hardware aus der Nische führen

Golem und Heise berichten über Google "Stadia", den kommenden Cloudgaming-Service von Google. Bei diesem geht Google etwas anders heran als bisherige Spielestreaming-Anbieter: Dabei stellt man nahezu so etwas wie eine eigene Spiele-Plattform zur Verfügung, nur eben fast ohne jede Konsumenten-Hardware (bis auf ein allerdings optionales Controller-Pad). Google will nicht einfach nur Spiele streamen, sondern jene hingegen mit bestmöglicher Bildqualität und Frameraten (stabile 60 fps unter UltraHD) sowie teilweise extra Anpassungen an Stadia zur Verfügung stellen – inklusive auch exklusiver oder aber wenigstens primär für Stadia entwickelter Titel, u.a. von einem Google-eigenen Spielestudio. Zudem will Google mit einer weitgehenden Integration in andere Google-Dienste punkten: Bezüglich YouTube sollen mehrere Möglichkeiten umgesetzt werden, Video und Spiel so miteinander zu verbinden, das man direkt von einem ins andere wechseln kann.

Zum anderen kann Google seine eigene, bekannterweise sehr breit ausgebaute Netz-Infrastruktur nutzen, um (vollkommen eigenverantwortlich) möglichst geringe Latenzen im Spielebetrieb zu erreichen – ein Punkt, wo man der Konkurrenz naturgemäß technologisch überlegen sein sollte. Als Bonus oben drauf läßt sich das genannte Controller-Pad auch direkt ins eigene WLAN einklinken, womit der Latenz-Umweg über einen PC oder ein anderes Computing Device entfällt. Google hat hierbei also wirklich alles aufgeboten, was man sich vorstellen kann und was technisch möglich ist – es wurde massiv geklotzt und nicht gekleckert. Vielleicht ist dies dann auch die einzige Chance, um Cloudgaming aus dieser Nische herauszuholen, in welcher es augenscheinlich immer noch drinsteckt – und dies trotz gut verfügbarer Angebote. Um die Lösung des größten Problempunktes wird allerdings auch Google nicht herumkommen: Bislang ist Cloudgaming bzw. Spielestreaming weitgehend "unsexy" und wird von den Spielern großflächig negiert.

Einfach nur bessere Technik etc. ändert daran vermutlich ziemlich wenig – nur über Knalleffekte und sowie ein massives Marketing geht da wahrscheinlich etwas. Der Google-Weg der 4K-Auflösung ist da durchaus zielführend, denn damit kann man dem potentiellen Nutzer einen echten Kostenvorteil offerieren – denn 4K-Gaming auf dem PC erfordert regelmäßig ziemlich teure Hardware. Natürlich hängt diesbezüglich auch noch einiges von der (bislang unbekannten) Preisgestaltung von Stadia ab bzw. wie Google das ganze kalkulatorisch angeht: Sofern es vom Start weg kostendeckend sein soll, dürften die Stadia-Preise vermutlich hoch ausfallen, immerhin muß Google sowohl die Spiele als auch seine eigene Hardware bezahlen, was angesichts der 4K-Auflösung nicht gerade günstig ausfallen dürfte. Google könnte natürlich auch ein kalkulatorisches Risiko eingehen und darauf setzen, jetzt erst einmal nur Marktanteile zu erringen, um dann eine Basis für langfristig fließende Gewinne zu haben (was im Sinne des aktuell riesigen Gewinnbergs bei Google als sinnvolle Auflösung erscheint).

Interessant ist zudem die intern für Stadia angesetzte Technik: So steht dem Stadia-Nutzer ein kompletter (bei Google stehender) PC zur Verfügung, dessen Hardware-Ressourcen also nicht geteilt werden müssen. Jener PC beinhaltet einen Custom-Prozessor mit ungenannter Kern-Anzahl, aber AVX2, HyperThreading, 2.7 GHz Taktrate sowie 9,5 MB Level2- und Level3-Cache. Letzteres deutet dezent auf eine Sechskern-CPU hin (6x 256 kByte Level2-Cache) – was ja auch angesichts heutiger Spiele-Anforderungen eine generell gute Wahl darstellt (die aktuellen Spielekonsolen haben Achtkern-CPUs, selbige aber ohne HT/SMT und nur mit der niedrigeren IPC der Bobcat/Jaguar-Architektur). Die Grafiklösung wiederum verfügt über 56 Shader-Cluster mit 10,7 TFlops Rechenpower (ergibt 1500 MHz Chiptakt) samt HBM2-Speicher und kommt von AMD – was entweder über einer übertaktete Radeon RX Vega 56 oder eine untertaktete Radeon VII erreicht werden könnte. Die angegebene Speicherbandbreite von 484 GB/sec deutet allerdings eher auf ein 2048 Bit HBM2-Speicherinterface hin, dies erreicht man mit einem HBM-Speichertakt von 945 MHz.

Nichtsdestotrotz ergeben sich hierbei mannigfaltige Auslegungsmöglichkeiten: Denn da das ganze System sowieso "Custom" ist, spräche nichts gegen eine große AMD-APU, wo also CPU und GPU auf einem gemeinsamen Träger sitzen und sich vor allem den 16 GB großen Speicher teilen – welcher (genauso wie die Speicherbandbreite) auch nur für das gesamte System genannt wird, nicht aber separat für CPU und GPU ausgeführt wurde. Jegliche andere Mix-Möglichkeiten wären jedoch genauso noch denkbar: Wie eine Kombination aus Intel-CPU und AMD-GPU, eine CPU-Eigenkreation von Google (dann sicherlich unter der Lizenz von AMD) – oder auch etwas ganz konventionelles mit extra CPU und extra Grafikkarte, so wie in einem normalen PC üblich. Grundsätzlich liegen die hier genannten Systemspezifikationen am unteren Rand dessen, was man von der nächsten Spielekonsolen-Generation erwarten darf – aber da sich sowieso diverse Bildqualitätsverluste durch die Streaming-Komprimierung ergeben, braucht Google für Stadia sicherlich auch nicht das letzte Stück Rechenpower.

Wie sich dies auflösen läßt, sollte sich schon im weiteren Jahresverlauf ergeben, denn Googles Stadia soll bereits im Jahr 2019 in Nordamerika sowie einem Großteil Europas starten – vermutlich damit auch in Deutschland. Wie gesagt ist zudem die Preisstruktur noch unklar, an welcher sicherlich vieles abhängen wird. Mittels des frühen Starttermins dürfte Google primär auch den NextGen-Konsolen zuvorkommen, welche erst im Jahr 2020 antreten und dann sehen müssen, wie sie gegenüber dem Stadia-Dienst überhaupt noch eigene Vorteile herausarbeiten können. Der frühere Vorteil, ein Spiel lebenslang besitzen zu können, die Verpackung samt Begleitmaterial anfassen und im liebevoll im Spiele-Regal einordnen zu können, entfällt ja nun mit dem primären Distrubutionsweg per Download – und die Konsolenhardware selber ist (im Gegensatz zum PC) per se wertlos, da nur zur Lebenzeit der Spielekonsole nutzbar. Hier ist also durchaus eine größere Gefahr zu sehen, das Google mittels Stadia nicht nur das Spielestreamin populär macht, sondern regelrecht bei PC-Nutzern und vor allem bei Konsolen-Nutzern wildert, deren Bedeutsamkeit also verkleinert.

Im Gegenzug dürfte Stadia bei Gelingen dann allerdings auch die Bedeutung von Linux als Spiele-System sowie der Vulkan Grafik-API bedeutsam steigern – denn Stadia setzt grundsätzlich nur auf diese. Wer sein Spiel über Stadia verbreiten will, muß also zumindest der Google-eigenen Umarbeitung auf Linux sowie Vulkan zustimmen, sollte diese aber zukünftig sicherlich lieber gleich von Anfang an bedenken – und von da aus ist es nicht mehr besonders weit zu einem generellen Linux/Vulkan-Support jener Spiele auch auf dem PC. Sicherlich treiben Google hierbei keinerlei altruistischen Motive an, vielmehr dürfte man einfach dem beherrschenden Einfluß von Microsoft aus dem Weg gehen wollen, noch dazu wo Microsoft mittels der Xbox-Konsolenserie schließlich ein Stadia-Kontrahent ist. Ob Google eine solch bedeutsame Verschiebung der Kräfteverhältnisse im Gaming-Sektor gelingt, bleibt natürlich abzuwarten – aber von allen Spielestreaming- und Cloudgaming-Ansätzen ist Stadia sicherlich die bislang ausgereifteste Variante mit demzufolge der größten Chance auf Markterfolg.

Nachtrag vom 20. März 2019

Zur Technik von Googles "Stadia" Cloudgaming-Service gilt noch nachzutragen, das laut der PC Games Hardware Stadia auch MultiGPU-Rendering unterstützt bzw. sogar für gewisse Effekte sogar regelrecht einplant. Bei Google läuft dies unter "Elastic Compute", womit je nach konkretem Rechenbedarf auch die Hardware mehrerer Stadia-Instanzen miteinander gekoppelt werden kann – und dies wohl ziemlich dynamisch, sprich augenscheinlich je nach gerade ablaufender Spielszene. Zudem wäre zur für Stadia eingesetzten CPU noch anzufügen, das sich zwischen den Zeilen hier immer mehr andeutet, das an dieser Stelle keine gewöhnliche Hardware benutzt wird: Die Weigerung Googles, hierzu eine Kern-Anzahl zu nennen sowie die mit 2.7 GHz augenscheinlich sehr niedrige Taktrate kann man als Hinweis darauf verstehen, das hier eine echte ManyCore-CPU zum Einsatz kommt, welche dann (pro CPU) den Grundstock für gleich mehrere Stadia-Instanzen bilden dürfte. Speziell die niedrige Taktrate ergibt eigentlich nur Sinn, wenn hier besonders viele CPU-Kerne verbaut sind – bei einer regulären CPU wären dagegen auch bei sechs oder acht CPU-Kernen spielend 3.5 GHz erreichbar, sofern man sich nicht künstlich bei der TDP begrenzen wollte (was angesichts einer 250-Watt-Grafiklösung wenig Sinn ergibt).

Denkbar also, das hierbei ein Server-Prozessor mit (angenommen) ca. 18-64 CPU-Kernen zum Einsatz kommt, welcher wie gesagt dann mehrere Stadia-Instanzen gleichzeitig ausführt. Jede dieser Instanzen würde über eine eigene Grafikkarte verfügen, ein komplettes Stadia-System könnte damit auf dem Platzbedarf eines voll ausgebauten HighEnd-PCs drei bis vier Stadia-Instanzen zur Verfügung stellen – je nachdem wieviel Grafikkarten man dieser einen Stadia-CPU zuordnet. Damit wird auch der vorgenannte MultiGPU-Ansatz sinnvoll unterstützt, da Hardware-technisch alles innerhalb desselben Rechners bleibt. Die Zuordnung der CPU-Kerne zu den einzelnen Stadia-Instanzen könnte zudem dann genauso auch noch dynamisch erfolgen, je nachdem wieviel CPU-Leistungen die dort jeweils ausgeführten Aufgaben gerade verbrauchen. Womöglich aus diesem Grund verweigert sich Google bislang einer genauen Aussage in dieser Frage – weil gesharte Ressourcen, die dynamisch entzogen (und wieder hinzugefügt) werden können, bei einigen in den falschen Hals geraten dürften. Ob Stadia so aufgebaut ist, muß Google natürlich trotzdem eines Tages noch offenlegen – und dann wird man sehen können, ob dieser derzeit rein spekulative Gedankengang womöglich sogar zielführend war (oder Google sich etwas völlig anderes ausgedacht hat).

Nachtrag vom 25. März 2019

Zur Hardware von Googles "Stadia" Cloudgaming-Service sei noch der Nachtrag erlaubt, das es inzwischen die klare Bestätigung für eine Intel-CPU bei Stadia gibt: Dies wurde letztlich im Livestream sogar selber so gesagt (Screenshot), obwohl es ansonsten in keiner offiziellen Unterlage erwähnt wird. AMD hatte hingegen zuvor schon laut HardOCP die Aussage getroffen, nicht an der CPU für Stadia beteiligt zu sein (im Gegensatz zur Grafiklösung). Der benutzte Intel-Prozessor soll, wie Google selber notiert, "Server-class" sowie "Custom" sein – was wohl darauf hinausläuft, das Intel sich hierbei für Google etwas modifiziertes ausgedacht hat. Dies dürfte sicherlich ausgehend von Skylake-SP, Cascade Lake oder vielleicht schon Cooper Lake sein – vielleicht abgespeckt um Dinge, die für primär Gaming-Aufgaben weniger gebraucht werden (deswegen die explizite Nennung von AVX2 anstatt dem neueren AVX-512, was bereits Skylake-SP beherrscht). Jene "Server-class" CPU impliziert dann eigentlich auch schon das bereits angedachte Modell von mehreren Stadia-Instanzen auf einem Hardware-System – gebildet aus einem ManyCore-Prozessor mit mehreren Grafikkarten. Wirklich sicher sind alle diese Auslegungen aber noch lange nicht, es handelt sich dato eher um Annahmen zugunsten der (vermeintlich) jeweils größeren Wahrscheinlichkeit.