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Intel "Tiger Lake": Launchreviews mit ersten Benchmarks & Einschätzungen erschienen

Nach der offiziellen Vorstellung von "Tiger Lake" zum Monatsanfang hat Intel am gestrigen 17. September seine neue Mobile-Generation auch noch mit einem regelrechten Launch samt Launchreviews konzentriert zum selben Zeitpunkt bedacht – ein im Mobile-Segment eher ungewöhnlicher Schritt. Getestet werden können somit derzeit nur Vorserien-Modelle von Notebooks, wobei Intel den Hardwaretestern sogar nur ein explizites Demo-System zur Verfügung stellte: Jenes basiert auf dem MSI Prestige 14, wird allerdings in dieser Form nicht in den Handel gelangen. Das Demo-System nutzt das Tiger-Lake-Spitzenmodell in Form des Core i7-1185G7, in der Verkaufspraxis dürften jedoch sicherlich eher die kleineren (preisgünstigere) Tiger-Lake-Modelle dominieren. Die CPU lief zudem (zum Vorteil von Intel) auf der maximalen TDP von 28 Watt, was im Ultrabook-Bereich mit üblichen TDPs von 15-18 Watt ungewöhnlich viel ist und eher zwischen der Ultrabook-Klasse und normalen Notebooks steht.

Kerne Takt L2+L3 iGPU Speicher TDP
Core i7-1185G7 4C/8T 1.2/3.0/4.8 GHz 5+12 MB Iris Xe (96 EU) @ ≤ 1.35 GHz DDR4/3200 & LPDDR4/4266 12-28W
Core i7-1165G7 4C/8T 1.2/2.8/4.7 GHz 5+12 MB Iris Xe (96 EU) @ ≤ 1.3 GHz DDR4/3200 & LPDDR4/4266 12-28W
Core i7-1160G7 4C/8T 0.9/2.1/4.4 GHz 5+12 MB Iris Xe (96 EU) @ ≤ 1.1 GHz LPDDR4/4266 7-15W
Core i5-1135G7 4C/8T 0.9/2.4/4.2 GHz 5+8 MB Iris Xe (80 EU) @ ≤ 1.3 GHz DDR4/3200 & LPDDR4/4266 12-28W
Core i5-1130G7 4C/8T 0.8/1.8/4.0 GHz 5+8 MB Iris Xe (96 EU) @ ≤ 1.1 GHz LPDDR4/4266 7-15W
Core i3-1115G4 2C/4T 1.7/3.0/4.1 GHz 2.5+6 MB UHD (48 EU) @ ≤ 1.25 GHz DDR4/3200 & LPDDR4/3733 12-28W
Core i5-1110G4 2C/4T 1.5/2.5/3.9 GHz 2.5+6 MB UHD (48 EU) @ ≤ 1.1 GHz LPDDR4/4266 7-15W
Taktraten-Angaben: 1. Basetakt @ niedrigster TDP — 2. Basetakt @ höchster TDP — 3. maximaler Turbo-Takt

Und diese "kleine" Differenz macht dann einiges aus von den nominell gutklassigen Benchmarks zu Tiger Lake. Cinebench mag nicht Intels Liebling sein, aber es zeigt sowohl die Stärken als auch Schwächen des Tiger-Lake-Designs exemplarisch an: Der extrem hohe Singlethread-Wert (ein Core i9-10900K erreicht gerade einmal 542 Punkte) spricht für die superschnelle Ausführung von Alltagsaufgaben – sprich also das, wofür man üblicherweise ein Ultrabook einsetzt. Der Multithread-Wert ist ebenfalls nicht verkehrt für ein Vierkern-System, damit kann man sich sogar mit Sechskernern von AMD (knapp) anlegen. Selbiges Bild setzt sich im übrigen durch die weiteren Benchmarks einwandfrei fort: Die TDP nicht beachtend, reichen die Vierkerner von Tiger Lake aus, um mit den Sechskernern von AMD zu konkurrieren. Allerdings werden diese exzellenten Testergebnisse von Tiger Lake zumeist ausschließlich auf eben jener hohen TDP von 28 Watt erreicht. Selbige darf zudem bis auf 36 Watt überschritten werden, kurzzeitige Lastspitzen (PL2) dürfen sich sogar bis zu 64 Watt genehmigen.

Technik CB20 ST CB20 MT
Core i7-1185G7 Tiger Lake, 4C/8T, @ 28W 600 2516
Core i7-1185G7 Tiger Lake, 4C/8T, @ 15W 455 1557
Ryzen 9 4900HS Renoir (Zen 2), 8C/16T, 35W 495 4323
Ryzen 7 4800U Renoir (Zen 2), 8C/16T, @ 25W 484 3909
Ryzen 7 4800U Renoir (Zen 2), 8C/16T, @ 20W 483 3214
Ryzen 7 4800U Renoir (Zen 2), 8C/16T, @ 12W 486 2927
gemäß den Benchmarks der ComputerBase; Vergleichswerte zum Ryzen 7 4800U gemäß des Community-Reviews

Regelt man dies dagegen auf die im Ultrabook-Bereich übliche TDP von 15 Watt herunter (wobei dann trotzdem die Lastspitzen immer noch etwas höhere Wattagen erhalten), verliert Tiger Lake sehr viel von seinem Glanz: -25% weniger Singlethread-Performance und sogar -39% weniger Multithread-Performance unter dem Cinebench sind die Folge. Damit liegt das Tiger-Lake-Spitzenmodell bei der Singlethread-Performance sogar etwas unterhalb eines Ryzen 7 4800U mit nur 12 Watt TDP, bei der Multithread-Performance sogar drastisch niedriger. Sicherlich erzielt AMD jene bessere Performance mit einem Achtkerner und hat Intel hierfür nur einen Vierkerner ins Gefecht geschickt – aber dies passiert letztlich auf einer vergleichbaren TDP, zudem kosten AMDs Achtkern augenscheinlich auch nicht mehr als Intels Vierkerner. Die vielen Benchmarks mit 28 Watt TDP für Tiger Lake täuschen also ein wenig, dies ist letztlich deutlich näher der H-Klasse an "großen" Notebooks als der U-Klasse an Ultrabooks und kleinen Notebooks. Doch für die H-Klasse hat Tiger Lake letztlich zu wenige CPU-Kerne, da sieht man dann selbst gegenüber Intels eigenem Comet Lake-H kein Land.

Eine andere, vielleicht sogar schwerwiegendere Problematik liegt in der faktischen Nichtvergleichbarkeit der meisten Notebook-Tests. Denn leider wurde fast nirgendwo beachtet, die TDP bzw. das Power-Limit der konkret genutzten Notebooks anzugeben. Sicherlich hat man dies für Tiger Lake getan, aber natürlich wird der Vergleich sinnlos, wenn man dies nicht auch für die Vergleichs-Geräte ansetzt. Zu jenen gibt es entweder keine TDP-Angaben – oder aber es wurde nur die offizielle TDP des CPU-Herstellers notiert, an welche sich der Notebook-Hersteller natürlich überhaupt nicht halten muß. So kommt es dann zu Benchmark-Werten, wo ein Ryzen 7 4800U fast 4000 Punkte im Multithread-Test des Cinebench R20 erreichen soll – unter angeblich einer TDP von 15 Watt. Solche Werte erscheinen angesichts eines ausführlichen Community-Tests, wo beachtbare Performance-Differenzen zwischen den verschiedenen Wattagen eines Ryzen 7 4800U ausgemessen wurden und es nur in der Spitze mit 25 Watt TDP nahe der 4000er Marke ging, als arg unglaubwürdig. Spätestens mit Tiger Lake, wo nun wirklich sehr breite TDP-Spannen möglich sind und jene auch erhebliche Performance-Auswirkungen haben, wird es für die Hardwaretester imminent, auch wirklich für alle Vergleichs-Geräte exakte Angaben zu real wirkenden Power-Limits zu notieren.

In der Summe sind die jetzigen Hardwaretests zu Tiger Lake somit eher als Teaser zu betrachten – welche zudem Tiger Lake zumeist in einem bestmöglichen Licht dastehen lassen, dabei jedoch von der Testmethologie her zumeist nicht solide genug sind, um diese Aussage wirklich treffen zu können. Es drängt sich somit der Verdacht auf, dass Tiger Lake eigentlich nur unter seiner hochgesetzten TDP wirklich stark ist – welche allerdings in einem Bereich hineingeht, welcher für Ultrabooks ziemlich unüblich ist. Die Praxis-Performance von Tiger Lake – gerade in der aktuellen Viernkern-Fassung, welche sowieso nur bei kleinen, leichten Notebooks zum Einsatz kommen wird – könnte doch beachtbar von dem aufgestellten Performance-Bild mit 28 Watt TDP abweichen. Aber womöglich geht dies nachfolgend weitgehend unter, nur sich wirklich eingehend mit der Materie beschäftigende Webseiten dürften in Zukunft in ihren Notebook-Tests überhaupt diesen Punkt erwähnen. Und somit erschließt sich letztlich auch, wieso Intel für einen Mobile-Prozessor einen offiziellen Launch samt Launchtests angesetzt hat: Um ein erstes Meinungsbild zu setzen – das auf Basis eines Referenzgeräts einen Bestcase aufzeigt, welcher von Praxis-Geräten vermutlich eher selten erreicht wird.

Nachtrag vom 20. September 2020

Twitterer Rogame weist auf den Umstand hin, dass Intels Demogerät zu "Tiger Lake" augenscheinlich default-mäßig mit einem Power-Limit PL1 von sogar 41,5 Watt (!) konfiguriert war. Zumindest legt dies ein HWinfo-Bild im Tiger-Lake-Videotest von Linus Tech Tips @ YouTube nahe – wobei aus dem Bildmaterial leider nicht narrensicher hervorgeht, dass selbige Daten wirklich von Intels Demogerät mit Core i7-1185G7 stammen (sollte aber, da sich die gesamte Rede darauf bezieht und Intel-Vierkerner ansonsten eher selten derart hohe Power-Limits tragen). Dies dürfte für professionelle Tests, welche zuerst die Power-Limits selber einstellen und erst dann lostesten, kein Problem sein – insbesondere verändert dies die bereits besprochenen ersten Benchmark-Werte zu Tiger Lake wohl überhaupt nicht. Aber wenn man einfach so drauflos testet, kann womöglich dieses höhere Power-Limit zum tragen kommen und somit den Test verfälschen.

Dabei kann Intel natürlich gern den benutzten Core i7-1185G7 auch für dieses Power-Limit von 41,5 Watt freigeben – nur dann ist man keinesfalls mehr U-Klasse, ganz egal ob Intel diese Bezeichnungen ab der Tiger-Lake-Generation (leider) nicht mehr verwendet. Jenes ziemlich hohe Power-Limit macht klar, dass Tiger Lake auch schon in der jetzigen Fassung mit nur vier CPU-Kernen sich eher mit Mobile-Prozessoren der H-Klasse duellieren muß, der übliche Vergleich zum Ryzen 7 4800U nicht wirklich passt. Dabei verliert Tiger Lake sowieso massiv an Performance, wenn man jenen auf 15 Watt herunterfährt – die Architektur schreit einfach nach höheren Power-Limits. Dies muß überhaupt nicht verkehrt sein, denn dies bedeutet auch, dass da dann Luft nach oben ist und dass Intel die bisherige Performance-Ineffizienz von Ice Lake bei hohen Taktraten mittels Tiger Lake nunmehr überwinden konnte. Dies wird für Intel noch sehr nützlich werden, wenn mittels Rocket Lake und nachfolgend Alder Lake die Übernahme der Cove-Kerne in den Desktop-Markt ansteht.