Einen überaus komischen Launch hat nVidia mit der GeForce RTX 2060 12GB am Dienstag-Nachmittag hingelegt – oder auch nicht hingelegt, denn passiert ist ja eigentlich gar nichts. Weder gab es eine offizielle nVidia-Ankündigung samt offiziellem Listenpreis (weiterhin fehlend), noch haben sich die Grafikkarten-Hersteller mit der üblichen Vielzahl an eigenen Modell-Ankündigungen hervorgetan (gab es nur vereinzelt), hätte es irgendwelche Testberichte gegeben (augenscheinlich keinerlei Testsamples für die Fachpresse, ein einzelnes Review beim chinesischsprachigen PCMarket mit allerdings etwas unsolider Performance-Aussage) oder gab es am Ende irgendwelche Warenlieferungen an die Einzelhändler. Einzig allein bei Proshop gibt es die lieferbare Listung einer 12-GB-Karte seitens MSI, wobei die Ware hierfür beim Händler selbst jedoch erst nächste Woche eintreffen wird.

Allerdings scheint die Liefermenge so gering zu sein, dass man diese Karte bei Proshop derzeit nicht direkt bestellen, sondern sich nur eine Benachrichtigung bei Verfügbarkeit zukommen lassen kann. In der Praxis sind auch die weiteren zu sehenden Aktivitäten der anderen Hersteller & Händler viel zu gering, als dass man alsbald auf real verfügbare Ware hoffen sollte. Dies nimmt natürlich allen Thesen den Wind aus den Segeln, nVidia könnte mit dieser Grafikkarte eine Preisoffensive im Mainstream-Segment starten – und somit die Preise der anderen Mainstream-Grafikkarten positiv beeinflußen. Eine andere These kommt von Moore's Law Is Dead @ YouTube, wonach nVidia diese neue Turing-Karte eher denn für Cryptominer aufgelegt hat – und demzufolge kaum etwas von dieser Karte im Einzelhandel zu sehen sein soll (was auf den jetzt zu sehenden Zustand zutrifft). Manche sehen diesen Ansatz untermauert durch die seitens PCMarket ermittelte Mining-Performance der GeForce RTX 2060 12GB.

GeForce RTX 2060 12GB ETH-Performance   © PCMarket

Die ganz große Bestätigung dessen ergibt sich damit aber nicht, denn trotz der erzielten gutklassigen Mining-Effizienz ist die insgesamte Mining-Performance auf einem vergleichsweise niedrigen Level – sprich, professionelle Miner, für welche Platzbedarf und Verwaltungsaufwand pro Karte genauso beachtbare Faktoren sind, dürften sich eher nach leistungsfähigeren Mining-Beschleunigern umsehen. Insofern darf hiermit eine leicht abgewandelte These in die Runde geworfen werden: Denkbarerweise ist die GeForce RTX 2060 12GB schlicht eine Resteverwertung an TU106-Chips, welche mangels Interesse der Cryptominer nun nicht mehr für die entsprechenden CMP-Miningbeschleuniger (CMP 30HX) Verwendung finden. Um eben das Interesse der Cryptominer an diesen nun einmal produzierten Grafikchips hochzuhalten, könnte sich nVidia schlicht entschlossen haben, jene anstatt als CMP-Beschleuniger als GeForce-Grafikkarte aufzulegen.

Somit würde deren Wiederverkaufswert gestärkt (deswegen auch die 12 GB VRAM)) und jene Karten somit für Cryptominer interessanter gemacht als ein vergleichsweise mittelprächtiger CMP-Beschleuniger ohne jeden Wiederverkaufswert. Die GeForce RTX 2060 12GB wäre somit tatsächlich für Cryptominer gedacht, die Zielsetzung dahinter würde allerdings nicht in einem regelrecht neuen Angebot bestehen – sondern vielmehr darin, überschüssige Bestände an TU106-Chips loszubekommen. Diese Auslegung passt zu der Information, wonach nVidias CMP-Umsätze im dritten Quartal deutlich eingebrochen sind. Dies könnte durchaus eine Situation hervorgerufen haben, wo nVidia schlicht noch zu viele TU106-Chips hat, welche für den CMP-Einsatz vorgesehen waren. Wieso nVidia jene dann nicht ins Gaming-Segment schickt, bleibt unklar – augenscheinlich traut nVidia den Minern eher zu, diese überzähligen Chips zu verbrauchen. Dies bedeutet dann jedoch auch, dass selbst zukünftig von der GeForce RTX 2060 12GB kaum etwas im Einzelhandel zu sehen sein dürfte.

Wahrscheinlich werden hiermit nur die überzähligen TU106-Chips verbraucht – und wenn dies geschehen ist, geht die Karte umgehend wieder aus dem Markt. Insofern nVidia bezüglich des Gaming-Geschäfts etwas anders mit der GeForce RTX 2060 12GB geplant hätte, wäre man sicherlich anders vorgegangen – und würde gleich am Launchtag mit überzeugenden Liefermengen aufkreuzen. Damit verstreicht (leider) eine weitere Chance, um den Grafikkarten-Markt über substantiell höhere Liefermengen mal wieder auf den Weg von fallenden Preislagen zu schicken. Dies wäre über Grafikchips älterer Bauart und Fertigung durchaus möglich, jene unterliegen bei weitem nicht dem limitierten Waferangebot von TSMCs 7nm- und Samsungs 8nm-Fertigung. Doch nVidia geht es augenscheinlich derzeit wirtschaftlich (viel) zu gut, um dieses Risiko einzugehen – und so bleibt der Grafikkarten-Markt einmal mehr in der aktuellen Lage gefangen.