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AMD stellt den Matisse-Refresh für eine Auslieferung ab dem 7. Juli vor

Die Gerüchte über den Matisse-Refresh in Form von Ryzen 5 3600XT, Ryzen 7 3800XT und Ryzen 9 3900XT mögen grundsätzlich gestimmt haben, mit den diversen herumschwirrenden Taktraten-Angaben hat man sich jedoch gründlich geirrt – möglicherweise weil sich niemand vorstellen konnte, dass der Matisse-Refresh derart handzahm ausfallen würde: So wird es weder steigende Base-Taktraten noch (teilweise) höhere TDPs geben, einzig allein der maximale Boosttakt steigt bei den drei XT-Modellen um 100-200 MHz. Am meisten gewinnt hierbei der Ryzen 7 3800XT hinzu, dessen Boosttakt gegenüber seinem Vorgänger Ryzen 7 3800X um +200 MHz zulegt, bei Ryzen 5 3600XT und Ryzen 9 3900XT liegen die Steigerungsraten dann jeweils nur bei +100 MHz. Dies stellt faktisch den kleinstmöglichen Sprung dar, welchen man nominell hinlegen konnte, dürfte wahrscheinlich einer intern besser laufenden Fertigung geschuldet sein, bringt in der Praxis aber nahezu überhaupt nichts. Denn jene maximalen Boost-Taktraten erreichen die aktuellen Ryzen-Prozessoren sowieso meist nur sporadisch, jene werden damit vor allem (üblicherweise) auch nicht Benchmark-wirksam.

Kerne Takt TDP/PPT Box-Kühler Liste Straße Release
Ryzen 9 3900XT 12C/24T 3.8/4.7 GHz 105/142W ohne 499$ ? 7. Juli 2020
Ryzen 9 3900X 12C/24T 3.8/4.6 GHz 105/142W Wraith Prism LED 499$ ab 409€ 7. Juli 2019
Ryzen 7 3800XT 8C/16T 3.9/4.7 GHz 105/142W ohne 399$ ? 7. Juli 2020
Ryzen 7 3800X 8C/16T 3.9/4.5 GHz 105/142W Wraith Prism LED 399$ ab 309€ 7. Juli 2019
Ryzen 5 3600XT 6C/12T 3.8/4.5 GHz 95/128W Wraith Spire 249$ ? 7. Juli 2020
Ryzen 5 3600X 6C/12T 3.8/4.4 GHz 95/128W Wraith Spire 249$ ab 199€ 7. Juli 2019
Alle Zen-2-basierten Matisse-Prozessoren kommen im Sockel "AM4" daher und bedingen somit Mainboards aus AMDs 400er & 500er Chipsatz-Serien.

Dafür wären eher die AllCore-Turbos interessant, welche AMD jedoch nicht offenlegt bzw. welche aufgrund des dynamischen Boost-Verfahrens bei AMD auch nicht wirklich definierbar sind. Sollte der augenscheinlich vorliegende Fertigungsschritt diesbezüglich auch zur Vorteilen gelangen, könnten die XT-Modelle des Matisse-Refreshs in der Praxis vielleicht sogar mit 100-200 MHz Mehrtakt operieren. Auf den erreichten hohen Taktraten ergibt dies aber auch nur 3-5% Mehrtakt, welcher dann limitiert durch TDP und Software-Einschränkungen nur zu einem Bruchteil in Mehrperformance umsetzbar sein sollte. In diesem (angenommenen) Idealfall wäre vom Matisse-Refresh somit eine Mehrperformance von 2-3% zu erwarten. Sollten sich die Fertigungsvorteile allerdings nicht in einem höheren AllCore-Turbo zeigen, sondern allein in einem höheren maximalen Boosttakt, könnte die erreichbare Mehrperformance auch auf 0-1% zurückgehen – was die Hardwaretester dann zum 7. Juli 2020 hin ausmessen werden müssen.

Dabei liegt die eigentliche Problematik des Matisse-Refreshs sowieso nicht in der Performance-, sondern auf der Preis-Schiene: AMD hat wie erwartet die kommenden XT-Modelle auf den Listenpreisen der bisherigen X-Modelle angesetzt. Nominell sieht dies nach Mehrleistung "for free" aus, in der Praxis weisen allerdings die bisherigen Matisse-Prozessoren schon des längerem deutlich günstigere Straßen- als Listenpreise auf. So wird der Ryzen 5 3600X derzeit (bestenfalls) um -20% unterhalb seines Listenpreises angeboten, beim Ryzen 7 3800X sind es sogar -23% sowie beim Ryzen 9 3900X noch -18% (direkter Vergleich zum Listenpreis ohne Beachtung der Währungsumrechnung). Jene Preissituation ist zudem vergleichsweise stabil bzw. bewegt sich mit der Zeit eher weiter nach unten. Sofern die XT-Modelle dann jedoch auf der Höhe ihres Listenpreises in den Einzelhandel gelangen (kann man beim aktuellen Währungskurs grob annehmen), wären jene vom Performance/Preis-Verhältnis her erheblich schlechter aufgestellt als ihre X-Vorgänger:

Matisse-Original Straßenpreis Matisse-Refresh
16C/32T, 3.5/4.7 GHz   ~128%   ~87%   Ryzen 9 3950X ab 736 Euro
~500 Euro Ryzen 9 3900XT   ca.107-109%   ca.89-90%   12C/24T, 3.8/4.7 GHz
12C/24T, 3.8/4.6 GHz   106%   88%   Ryzen 9 3900X ab 409 Euro
~400 Euro Ryzen 7 3800XT   ca.86-88%   ca.89-90%   8C/16T, 3.9/4.7 GHz
8C/16T, 3.9/4.5 GHz   85%   88%   Ryzen 7 3800X ab 309 Euro
8C/16T, 3.6/4.4 GHz   83%   86%   Ryzen 7 3700X ab 285 Euro
~250 Euro Ryzen 5 3600XT   ca.71-72%   ca.84-85%   6C/12T, 3.8/4.5 GHz
6C/12T, 3.8/4.4 GHz   70%   83%   Ryzen 5 3600X ab 199 Euro
6C/12T, 3.6/4.2 GHz   67%   82%   Ryzen 5 3600 ab 166 Euro
Performance-Angaben: 1. Anwendungs-Performance, 2. Spiele-Performance (99th percentile)
mit "ca." gekennzeichnete Performance-Werte stellen reine Schätzungen dar; Straßenpreise beim Matisse-Refresh sind reine Annahmen!

Dies ergibt sich weniger am Vergleich vom XT-Modell zum jeweiligen X-Vorgänger, sondern besser beim Überblick über AMDs komplettes Angebots-Portfolio: Der Ryzen 7 3800XT für vermutlich ~400 Euro Straßenpreis ist für geschätzte 1-3% Mehrperformance zum Ryzen 7 3800X auf ab 309 Euro logischerweise keinen Blick wert – läßt sich aber vor allem ganz einfach durch den deutlich potenteren Ryzen 9 3900X ersetzen, welcher im Einzelhandel schon ab 409 Euro zu haben ist. Auch der Ryzen 5 3600XT für vermutlich ~250 Euro Straßenpreis wäre besser durch den Ryzen 7 3700X für derzeit ab 285 Euro Straßenpreis (samt entsprechender Mehrperformance) zu ersetzen. Allein der Ryzen 9 3900XT steht preislich etwas allein dar, das nächstbeste AMD-Modell in Form des Ryzen 9 3950X kostet über 200 Euro mehr. Sinn macht der Ryzen 9 3900XT aber auch so nicht, wenn man gegenüber dem Ryzen 9 3900X vermutlich nur 1-3% Mehrperformance bekommt, dafür aber vermutlich ca. 22% Mehrpreis (im Einzelhandel) löhnen muß.

Natürlich kann nicht beschworen werden, mit welchen realen Straßenpreisen der Matisse-Refresh letztlich antritt, hierzu kann man allerhöchstes aus der Vergangenheit interpolieren – wo AMDs Prozessoren zum Start üblicherweise grob auf der Preishöhe des Listenpreises verkauft wurden. Trifft dies beim Matisse-Refresh erneut zu, dann hat jener das primäre Problem, bei den reinen Straßenpreisen viel zu teuer gegenüber dem Matisse-Original zu sein – was sich dann besonders schlecht macht, wenn der Matisse-Refresh nur einen marginalen Performance-Vorteil mitbringt. Sofern AMD hierzu nicht noch Maßnahmen ergreift, auf dass diese vorstehend skizzierte Preis/Leistungs-Situation nicht derart eintrifft, dürfte der Matisse-Refresh einen schweren Stand haben: Denn bei so einem drastischen Preisunterschied greift man natürlich entweder zum kleineren X-Original oder halt zur nächstgrößeren X-Ausführung – und läßt die XT-Modelle komplett links liegen.

Nachtrag vom 16. Juni 2020

AMD verspricht zum Matisse-Refresh im übrigen sogar ganz offiziell eine Performance-Steigerung von bis zu 4% bei der Singlethread-Performance, von AMD selber ausgemessen unter dem Cinebench R20 (Werte zu finden in den Fußnoten der AMD-Pressemitteilung) – was seitens der Hardwaretester zum Launch am 7. Juli dann natürlich nachzuprüfen wäre. Dieses "bis zu" dürfte sich auf den Ryzen 7 3800XT mit seinem +200 MHz maximalen Boosttakt beziehen, die Modelle Ryzen 5 3600XT und Ryzen 9 3900XT dürften bei einem Zugewinn an maximalem Boosttakt von nur +100 MHz in dieser Disziplin etwas niedriger herauskommen. Eine AMD-offizielle Angabe zur Multithread-Performance gibt es nicht, womit jene augenscheinlich unterhalb dieser Singlethread-Angabe liegen dürfte – und wahrscheinlich sogar deutlich niedriger als bei der Singlethread-Performance angegeben ausfällt.

Technik CB20 ST Quelle
Ryzen 9 3900XT Zen 2, 12C/24T, 3.8/4.7 GHz 546 AMD
Core i9-10900K Comet Lake, 10C/20T, 3.7/5.3 GHz 534 PCGamer, via AMD
Ryzen 9 3900X Zen 2, 12C/24T, 3.8/4.6 GHz 528 AMD

Vielleicht hilft AMD jene Konzentration auf die Singlethread-Performance hier und da unter Spiele-Benchmarks, im Bereich der Anwendungs-Performance dürfte der Effekt jedoch negierbar niedrig ausfallen – sofern da nicht auch ein gewisser Mehrtakt im Last-Betrieb vorhanden ist. In jedem Fall wird nunmehr klar, das die Ende Mai gemeldeten ersten Benchmarks zum Matisse-Refresh glatter Nonsens waren, da auf den nunmehr offenliegenden (offiziellen) Taktraten niemals gleich 4-6% Multithread-Mehrperformance unter dem Cinebench R20 zu erreichen sind. Die seinerzeitige Quelle in Form von 'CPU-Monkey' hatte dabei augenscheinlich nur auf Basis falscher (zu hoher) Taktraten-Spekulationen hochgerechnet, reale Benchmark-Werte lagen hierzu aller Wahrscheinlichkeit nach nie vor.