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AMDs Radeon-Chef Raja Koduri geht zu Intel

Aufreger des Tages ist sicherlich der durch Raja Koduri ausgelöste doppelte Schock: Der frühere Chef von AMDs Radeon Technologies Group (RTG) hatte bekanntlich nach dem Vega-Release eine mehrwöchige "Besinnungs-Pause" angekündigt. Aus dieser wird er nun nicht zu AMD zurückkehren, wie ein von Hexus veröffentlichtes AMD-internes Abschieds-Memo belegt – sondern geht vielmehr direkt zu Intel, wie selbige (freudestrahlend) per Pressemitteilung in dieser Nacht verkündet haben. Bei Intel wird Raja Koduri ab diesen Dezember als "Chief Architect" für Grafik-Angelegenheiten sowie Vize-Präsident der neu formierten "Core and Visual Computing Group" tätig sein. In selbiger werden augenscheinlich alle Grafik-Aktivitäten von Intel zusammengefasst – von der einfachen integrierten Prozessoren-Grafik bis hin zu GPGPU-Beschleunigern für professionelle Zwecke. Wie weit Intel da gehen will, ist noch unklar, der Drang nach vorn aber in jedem Fall erkennbar – nachdem "Grafik" bei Intel bislang eher mehr so nebenbei mitlief. Die Intel-Pressemitteilung nennt hierzu zwar explizit "high-end discrete graphics solutions", beschreibt aber nicht deren Einsatzzweck – sprich, ob es sich um Gaming- oder Profi-Lösungen handeln soll.

Ob Intel damit eines Tages auch einmal in das Geschäft mit HighEnd-Grafikkarten für Spieler einsteigen will, ist unklar, zumindest aber nicht gänzlich auszuschließen. Eher wahrscheinlich ist allerdings, das sich Intel verstärkt um zwei Dinge kümmern wird: Erstens schlagkräftigere integrierte Lösungen – womöglich auch ohne den bisherigen Platzbedarf, wo die iGPU auf manchen Intel-Prozessoren mehr als die Hälfte der Chipfläche einnahm. Denkbar wäre hierzu die Auflösung des bisher einzelnen Chips und die Fertigung getrennter Grafikeinheiten, welche dann besser in ihrer Größe skalierbar wären. Und zweitens eine stärkere Intel-Position bei echten Profi-Lösungen für HPC-Zwecke – was allgemein als Umsatzfeld der Zukunft angesehen wird und wo sich Intel natürlich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen darf, bedroht dies doch die guten Intel-Geschäfte im Server-Bereich. In beiden Feldern ist AMD bekanntlich gut dabei, hat insbesondere tiefgehendes Know-How hierfür zur Verfügung. Insofern macht diese Verpflichtung für Intel durchaus Sinn – gerade, da Raja Koduri primär ein Ingenieur und weniger denn ein Manager ist.

Für AMD bedeutet das ganze natürlich einen kleineren GAU – nicht nur verliert man die bisherige Führungskraft der Radeon-Sparte, welche selbige auch noch ganz gut aus dem Schatten der CPU-Entwicklung bei AMD geholt hat. Man verliert diese Führungskraft nun aber auch noch an Erzkontrahent Intel – und kann sich nun darauf "freuen", das Intel in Zukunft mehr in das Thema Grafik und GPGPU investieren wird. Dabei muß vollkommen offen bleiben, ob Raja Koduri bei AMD nach der Nahezu-Pleite des (initialen) Vega-Projekts eher denn gegangen wurde – darüber kann man spekulieren, aber echte Anhaltspunkte hierfür gibt es bis auf die zeitliche Korrelation derzeit nicht. Die zuerst zu Koduris Sabbat-Zeit vermuteten persönlichen Gründe sind aufgrund des schnellen Wechsels zu Intel in jedem Fall auszuschließen, möglicherweise stand dieser Wechsel sogar schon seit einiger Zeit im Raum. Für den Augenblick wird damit AMD-CEO Lisa Su weiterhin die Oberaufsicht über die RTG-Sparte behalten, aber natürlich wird man hierfür irgendwann eine neue Führungskraft brauchen. Selbige wird kein einfaches Erbe antreten – kann aber wenigstens darauf bauen, das AMD als Gesamtunternehmen derzeit gesundet und damit mehr Ressourcen zur Verfügung hat, um auch die Radeon-Marke zukünftig zurück zu altem Ruhm zu führen.

Nachtrag vom 23. Januar 2018

Der Tech Report und ComputerBase offerieren ein paar Hintergrund-Informationen zu den zwei neuen Vizepräsidenten, welche bei AMD zukünftig die Radeon Technologies Group (RTG) anführen sollen – nachdem der langjährige Chef Raja Koduri das Unternehmen wie bekannt in Richtung Intel verlassen hatte. Als Nachfolger hat AMD nunmehr Mike Rayfield sowie David Wang verpflichtet, beide von außerhalb AMDs kommend. Mike Rayfield kommt von Micron, hatte zuvor aber auch 7 Jahre lang die Mobile-Abteilung von nVidia geleitet und seinerzeit dort die ersten Tegra-Designs zu verantworten. David Wang kommt hingegen von Synaptics, war vorher aber lange Zeit bei SGI, ArtX, ATi und AMD im Grafikchip-Design selber beschäftigt – und damit auch Teil des Designteams zum legendären R300-Chip (Radeon 9700). Die Aufteilung zwischen beiden Vizepräsidenten wird demzufolge Strategie/Business bei Mike Rayfield sowie Hardware/Entwicklung bei David Wang werden – was damit herauskommt, wird die Zeit zeigen. Angesichts der nicht gerade üppig gesäten Verfügbarkeit von Spitzenentwicklern war dies wohl die besten realisierbare Lösung für AMD, welche natürlich für ihre RTG-Gruppe eine tatkräftige Führungsmannschaft benötigen. Viel wichtiger dürfte allerdings werden, ob AMD nun endlich über den Ryzen-Erfolg genügend Geld in die Taschen bekommt, um nicht nur die weitere CPU-Entwicklung voranzutreiben, sondern auch der (immer wieder zusammengekürzten) Grafikchip-Entwicklung mal wieder finanziell unter die Arme zu greifen.