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Die Grafikchip- und Grafikkarten-Marktanteile im zweiten Quartal 2022

Von Jon Peddie Research kommen die Zahlen zum Marktgeschehen im Markt der Grafikchips für Desktop-Grafikkarten für das abgelaufene zweite Quartal 2022. In diesem Zeitraum wurden 10,4 Millionen Grafikchips für Desktop-Grafikkarten abgesetzt, die entsprechenden Grafikkarten erreichen kumuliert einen Wertumfang von 5,5 Milliarden Dollar. Die Stückzahlen-Marktverteilung zwischen AMD & nVidia liegt bei derzeit 20% zu 79,6%, womit AMD den positiven Aufwärtstrend der letzten Quartale verlassen hat und nVidia wiederum Marktanteile hinzugewinnen konnte. Durch die deutlich niedrigeren Stückzahlen ist dies jedoch für beide Grafikchip-Entwickler eher ein Pyrrhus-Sieg: AMD konnte ~1 Mio. weniger Desktop-Grafikchips absetzen, nVidia verlor hingegen knapp ~2 Mio (jeweils gegenüber dem Vorquartal).

AiB-Grafikchips Q2/2021 Q3/2021 Q4/2021 Q1/2022 Q2/2022
AMD 20% 21% 22,8% 24% 20%
nVidia 80% 79% 77,2% 75% 79,6%
Intel - - - 1% 1%
Auslieferungsmenge 11,47 Mio. Stück 12,72 Mio. Stück 13,19 Mio. Stück 13,38 Mio. Stück 10,4 Mio. Stück
Stückzahlen-Vergleich ~2,3 vs ~9,2 Mio. ~2,7 vs ~10,0 Mio. ~3,0 vs ~10,2 Mio. ~3,2 vs ~10,1 Mio. ~2,1 vs ~8,2 Mio.
Endverbraucher-Umsatz 11,8 Mrd. $ 13,7 Mrd. $ 12,4 Mrd. $ 8,6 Mrd. $ 5,5 Mrd. $
Karten-Durchschnittspreis ca. $1029 ca. $1077 ca. $940 ca. $642 ca. $529
Marktanteile basierend auf ausgelieferten Stückzahlen, Quelle: Jon Peddie Research

Andererseits kommt der Grafikkarten-Markt damit deutlich herunter von den Übertreibungen zur Zeit des Cryptomining-Hypes, als regelmäßig 12-13 Millionen Grafikchips pro Quartal ausgeliefert wurden. Was die Hersteller freut, ist jedoch – nach gewisser Erfahrung mit diesen Zahlen – eher "unnormal", eine übliche Quartal-Verkaufsmenge außerhalb von Hype-Zeiten liegt bei um die 10 Millionen Stück herum. Genau auf diese Zahl ist der Grafikkarten-Markt im zweiten Quartal nunmehr zurückgegangen – und dies trotz dass es eigentlich einigen Nachholbedarf gab seitens Nutzern, welche zu den Zeiten der hohen Grafikkarten-Preise des Jahres 2021 (und Anfang 2022) nicht zum Zug gekommen waren. Andererseits hat im zweiten Quartal 2022 dann schon deutlich die Nachfolge-Generation gewunken, davon abgesehen haben sich die makro-ökonomischen Voraussetzungen auch stark gewandelt.

An dieser Stelle sieht man wahrscheinlich gut, wieso AMD & nVidia derzeit auf zu hohen Lagerbeständen an Alt-Ware sitzen: Man war zuvor an 13 Mio. Stück Quartalsabsatz gewöhnt, hat dafür produziert, vielleicht sogar ab Jahresanfang 2022 im Zuge der Entspannung der Halbleiter-Fertigungskrise sogar noch mehr produzieren können – und steht nun vor einem deutlich kleineren Bedarf, welcher sich in sehr kurzer Zeit herausgebildet hat. Richtig angeheizt wird die Situation dann natürlich über die absehbaren NextGen-Grafikkarten, ansonsten könnte man die aktuell zu hohen Lagerbestände auch mittels einiger Quartale mit klar niedrigeren Fertigungsmengen aussitzen. Aufgrund der nun jedoch kurzfristig erforderlichen Lösung wird es kaum ohne Blessuren für die Grafikchip-Entwickler gehen: Sprich nachträgliche Rabatte auf bereits verkaufte Ware und im Fall von nVidia sogar Strafzahlungen für abbestellte Wafer bei Chipfertiger Samsung.

Erstmals taucht zudem Intel in dieser Statistik auf, mit allerdings einem Marktanteil von nur 1% – und selbst dies dürfte großzügig nach oben gerundet sein, da AMD & nVidia gemäß dieser (teilweise genauso gerundeten Werte) zusammen schon 99,6% erreichen. Aber aller Anfang ist schwer und Desktop-Grafikkarten sind für Intel sowieso das schwiererige Terrain, da zumindest im DIY-Segment der Entscheidung des Endkunden unterliegend (im Gegensatz zum Mobile-Markt, wo der Notebook-Hersteller die Entscheidung trifft). Zu erwähnen wäre noch, dass die von Jon Peddi Research genannten Vergleichszahlen zum Vorjahreszeitraum durch die Bank suspekt sind, da (um größere Beträge) nicht mit früheren Reports übereinstimmend bzw. selbst die von Jon Peddie selber eingestellte Grafik den textlichen Aussagen widerspricht. Hier gab es einen (größeren) Lapsus bei diesen Alt-Statistiken des Jahres 2021, was sich jedoch ohne Vorlage des Rohmaterials nie mehr aufklären lassen wird.

Die reine Marktanteils-Verteilung von derzeit wieder einmal grob 20:80% läßt sich auch angesichts dieser Hintergrund-Informationen schwer deuten. Sicherlich sieht man hier endlich einmal wieder einen Marktanteil ohne Einfluß der Cryptomining-Käufer – welche in den vorherigen Quartalen das Marktgeschehen (und damit auch die Marktverteilung) sicherlich deutlich verzerrt haben. Nur verliert damit erstaunlicherweise AMD doch wieder Marktanteile, trotz dass eigentlich beim kürzlich beendeten Cryptomining-Boom eher die nVidia-Karten in der (sogar klaren) Vorhand waren. Die ganz große Erklärung hierfür gibt es nicht, allenfalls kann man sagen, dass AMD nach wie vor einen enormen Weg vor sich hat. Medial ist man gegenüber nVidia mehr oder weniger auf Augenhöhe präsent, aber bei den (weltweiten) Grafikkarten-Käufern dominiert das "Team Green" derzeit wieder einmal mit einem klaren Verhältnis von 4:1.

Daneben hatten Jon Peddie Research bereits vor einigen Tagen die Marktzahlen für den gesamten Markt an PC-Grafikchips veröffentlicht – worauf sich die Meute genauso umgehend gestürzt hat wie die zweite, jedoch wichtigere JPR-Meldung üblicherweise ignoriert wird. Denn natürlich wird der Gesamtmarkt an PC-Grafikchips sehr eindeutig von integrierten Grafiklösungen dominiert, was aus Puristen-Sicht jedoch nicht wirklich zu "Grafikchips" zählt und in jedem Fall die Frage aufwirft, ob dies überhaupt einen "Markt" darstellt: Denn iGPUs kann man nicht (einzeln) kaufen, vielmehr liegen jene einem viel wichtigeren Produkt einfach bei – ergo geht eine Marktaufrechnung hierzu in Richtung eines ziemliches Schattenfechtens. Zudem werden hierbei zu viele sehr unterschiedliche Produkte (iGPU & dGPU) zusammengemengt, was sinnvolle Aussagen zum Marktgeschehen erschwert.

Dabei bewegen sich die Marktanteile für alle PC-Grafikchips üblicherweise nicht im großen Rahmen, auch diesesmal gab es nur gewisse Verschiebungen: AMD & Intel leicht nach oben, nVidia etwas nach unten. Die wiederum eher relevante Größe für die Hersteller dürfte der Verlust an Marktgröße sein, denn es wurden für das zweite Quartal nur 84 Mio. Stück an PC-Grafikchips ausgeliefert – nochmals deutlich weniger als zuletzt und drastisch unterhalb der Zahl des Vorjahreszeitraums liegend. Jener große Rückgang gibt dann auch die allgemeine Stimmung am PC-Markt wieder, wo eben nicht nur weniger Desktop-Grafikkarten verkauft werden (eine Entwicklung, die vergleichsweise neu ist), sondern vor allem sehr viel weniger Komplett-PCs und Notebooks abgesetzt werden.

alle PC-Grafikchips Q2/2021 Q3/2021 Q4/2021 Q1/2022 Q2/2022
AMD 16,5% 18% 18% 19% 20%
Intel 68,3% 62% 62% 60% 62%
nVidia 15,2% 20% 19% 21% 18%
Auslieferungsmenge 123 Mio. Stück 101 Mio. Stück 102 Mio. Stück 96 Mio. Stück 84 Mio. Stück
iGPU-Anteil ~82% ~77% ? ? ?
Marktanteile basierend auf ausgelieferten Stückzahlen (inkl. iGPUs), Quelle: Jon Peddie Research

Nichtsdestotrotz besteht der leichte Verdacht, dass sich iGPUs womöglich sogar besser gehalten haben als dGPUs: Denn wenn bei den Insgesamt-Zahlen AMD & Intel gewinnen und allein nVidia verliert – dann haben die beiden iGPU-Hersteller gegenüber dem einzigen Hersteller ohne iGPUs hinzugewonnen. Zudem zeigen die Zahlen der Grafikchips für Desktop-Grafikkarten schließlich an, dass nVidia eher stark zulegt (zumindest relativ gesehen) – womit der Rückschritt beim insgesamten Marktanteil einen anderen Grund haben muß als eben Desktop-Grafikkarten. Übrig bleiben als "Übeltäter" somit nur zwei Möglichkeiten: Deutlich schlechtere nVidia-Absätze bei mobilen Grafikchips – oder eine klare Steigerung des iGPU-Anteils am Gesamtmarkt, was immer gegen nVidia geht. Leider läßt sich dies auf Basis der vorliegenden Zahlen nicht herausfinden, dafür fehlt diesesmal u.a. eine extra Statistik aller abgesetzten dGPUs (Desktop & Mobile).

So oder so ist die breit im Netz zu lesende Aussage, nVidia hätte für dieses Quartal deutlich verloren, im eigentlichen falsch bzw. irreführend. nVidia hat sicherlich im nicht relevanten Markt aller PC-Grafikchips verloren – nur läßt sich daraus eben keinerlei Aussage zum Marktgeschehen bei Desktop-Grafikkarten ableiten. Dies belegen eindrücklich diese vollständigen Zahlen, wo nVidia trotz Marktanteils-Verlust im Gesamtmarkt hingegen im Markt der Grafikchips für PC-Grafikkarten sogar deutlich hinzugewonnen hat. Leider wird Netz-weit (und dies teils auch von Magazinen mit Anspruch auf Seriösität) immer nur der zuerst erscheinenden Jon-Peddie-Report mit den unrelevanten Zahlen zum Gesamtmarkt mit teils knalligen Schlagzeilen bedacht, der viel wichtigere zweite Report mit den Zahlen für Desktop-Grafikkarten hingegen zumeist noch nicht einmal erwähnt.