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"Core Truths": Intel bezichtigt AMD, alte Prozessoren-Technologie als neue Produkte zu verkaufen

Nachdem es an dieser Front lange Zeit ruhig war, dachte sich Intel augenscheinlich, es wäre mal wieder an der Zeit, eine der beliebten Marketing-Folien aufzulegen, welche üblicherweise aus allen Rohren gegen die Konkurrenz schiesst. Und so gibt es nun die "Core Truth", ganz offiziell auf der Intel-Webseite zu finden (Update: nunmehr gelöscht, aber das PDF ist noch einsehbar). Hiermit will Intel dem geneigten Computerkäufer nahebringen, dass nicht alle Prozessoren von AMDs aktuellem Verkaufsportfolio auf der jeweils neuesten Technologie (Zen 4) basieren, sondern dass hierunter auch Zen2- und Zen3-basierte Modelle zu finden sind. Wie üblich bei solcherart Marketing-Material stecken immer auch Anteile von Wahrheit in den Hersteller-Aussagen – und auch hier trifft sehr wohl zu, dass der von Intel herausgesuchte Ryzen 5 7520U tatsächlich Zen2-basiert ist, somit technologisch aus dem Jahr 2019 stammt.

Dummerweise sägte Intel mit dieser Aussage allerdings an einem Ast, auf welchem man aktuell selber sitzt. Denn der von Intel zum Vergleich herangezogene Core i5-1335U basiert nun einmal nicht auf Technologie des Jahres 2023 – sondern des Jahres 2021, ist also genauso wenig taufrisch (wenngleich natürlich neuer). Denn im genauen hat Intel seit "Alder Lake" keine neue Prozessoren-Architektur aufgelegt, "Raptor Lake" ist Architektur-technisch exakt dasselbe mit allein größeren Level2- und Level3-Caches. Und selbst diesen Vorteil hat jener Core i5-1335U mitnichten: Dieser Mobile-Prozessor tritt mit 6,5 MB Level2-Cache sowie 12 MB Level3-Cache an (CPU-Z) – genauso wie der Vorgänger Core i5-1230U (CPU-Z). Anders formuliert: Intels neuerer, als "Raptor Lake" auftretender Prozessor, tritt exakt mit den Cache-Spezifikationen des Alder-Lake-Vorgängers an, ist somit technologisch einwandfrei Alder-Lake-Niveau.

Hinzu kommt der (allerdings nicht bewiesene) Punkt, dass offenbar gar keine so kleinen Raptor-Lake-Dies existieren, Intel ergo für den Core i5-1335U wahrscheinlich das gleiche Die wie für den Core i5-1230U verwendet – somit ein Alder-Lake-Die. Den Core i5-1355U somit als "Raptor Lake" und technologisch 2023 zu bezeichnen, läßt sich kaum vertreten, wenn man im selben Atemzug AMD wegen der (zutreffenden) Zen2-Abstammung des Ryzen 5 7520U die Hölle heiß machen will. Denn bis auf die HX/K/KF-Modelle sowie alle Core i7/i9 des Desktop-Segments sind wohl alle Prozessoren der 13. und 14. Core-Generation technologisch schlicht "Alder Lake", sprich eigentlich 12. Core-Generation. Jene mag etwas neuer sein die von Intel mockierten Zen2- und Zen3-Modelle aus AMDs aktuellem Mobile-Portfolio, um sich gegenüber AMD wirklich besser zu stellen, reicht dies jedoch nicht aus. Wenn dann hätte Intel hierfür auf eine Generation warten müssen, wo man selber durchgehend echte Neuware bietet.

Denn natürlich kann man AMD ankreiden, es bei der Ryzen 7000 Mobile-Serie deutlich übertrieben zu haben mit der Einmischung älterer Prozessoren und früheren Zen-Architekturen. Der (nummerische) Anteil an Zen4-basierten Modellen im Ryzen 7000 Mobile-Portfolio ist jedenfalls deutlich kleiner als der Anteil an Zen2- und Zen3-basierten Modellen. Nur ist Intel mit seinem aktuellen Portfolio genauso weitestgehend nicht technologisch taufrisch – auch hier ist die Anzahl der Alder-Lake-basierten Prozessoren-Modelle größer als jene der tatsächlich Raptor-Lake-basierten. Zudem läßt sich immer der Einwand aufstellen, dass Raptor Lake möglicherweise eine eigene Verkaufs-, aber keine eigene Technologie-Generation darstellt, da an der Prozessoren-Architektur selber schließlich nichts verändert wurde. Somit gilt hier letztlich: Intel kann AMD nicht ein Verhalten ankreiden, welches man (aktuell) selbst an den Tag legt.

AMD Ryzen 7000 Intel 13. Core-Generation
Desktop 11 Modelle:
100% Zen 4 (2022)
17 Modelle:
65% Raptor Lake (2022)
35% Alder Lake (2021)
Mobile 19 Modelle:
37% Zen 4 (2022)
42% Zen 3 (2020)
21% Zen 2 (2019)
32 Modelle:
13% Raptor Lake (2022)
87% Alder Lake (2021)
Hinweis: Prozent-Angaben beziehen sich auf die unter den Quellenlinks genannten Modelle

Als Bonus oben drauf zeigt Intel noch ein paar Benchmark-Werte zu jener Hardware-Paarung Ryzen 5 7520U vs Core i5-1335U, welche das Intel-Modell unter dem (sicherlich anzweifelbaren CrossMark) um immerhin +83% vor dem AMD-Modell sehen. Hiermit soll augenscheinlich demonstriert werden, wie schlecht es kommt, etwas mit "alter" Technologie zu kaufen. Dummerweise wird dieser Vergleich primär dadurch beeinflusst, aus welchem Preis- und somit auch Performance-Segment diese beiden Prozessoren jeweils stammen. Intel gilt dies ein paar Folien später sogar selbst zu: Der Ryzen 5 7520U stammt aus dem Entry-Segment, der hierzu passende Intel-Gegenspieler wäre (laut Intel) ein Core i3 N305. Den Core i5-1335U ordnet Intel hingegen dem Premium-Segment zu, somit entspricht Intels Performance-Vergleich von Ryzen 5 7520U gegen Core i5-1335U dem (völlig unpassenden) Vergleich eines Entry- gegen einen Premium-Prozessor.

Ironischerweise zeigt diese letzte Folie auch nur eher marginale Performance-Gewinne seitens Intel unter seinem Vorzeige-Benchmark an, wenn man die Vergleiche fair nach Preis-Segmenten ansetzt. Anders formuliert gibt diese letzte Intel-Folie selbst schon zu verstehen, dass der Computerkäufer keinen echten Performance-Nachteil durch die Verwendung von älteren Zen-Architekturen bei AMDs Mobile-Prozessoren erleiden muß, die von Intel selber herausgesuchten Intel-Counterparts sind nirgendwo gravierend schneller. Aufgrund der geringen hier aufgestellten Performance-Unterschiede unter diesen Hersteller-eigenen Benchmarks ist es zudem wahrscheinlich, dass unabhängige Benchmarks das Performance-Ergebnis noch viel näher an einen groben Gleichstand heranbringen können. Auch eine Umkehrung der Performance-Verhältnisse wäre nicht undenkbar, schließlich ist der hier von Intel verwendete CrossMark kein Teil üblicher Benchmark-Portfolios.

Insgesamt ist es arg verwunderlich, dass Intel sich zu diesem Marketing-Papier entschieden hat. Selbst wenn man über den Punkt streiten kann, wie man "Raptor Lake" korrekt einordnet, muß Intel doch eigentlich klar sein, dass derartig öffentliches Austeilen gegen einen Kontrahenten immer mehr als innere Schwäche angesehen wird. So etwas wird schnell gewertet als das indirekte Eingeständnis, dass der Kontrahent einen guten Punkt für sich gelandet hat und man sich selber nunmehr nur noch mittels derart Methoden zu behelfen weiss. Vielleicht hat ein solches Marketing-Papier im Massenmarkt tatsächlich eine positive Wirkung zugunsten von Intel (jedoch: wen im Massenmarkt erreicht man mit so etwas?), aber bei den IT-Fachleuten und Multiplikatoren hinterläßt so etwas nur Kopfschütteln und Ärgernis, im besten Fall noch (ungewollte) Erheiterung.

Nicht in Frage gestellt werden soll hiermit die Korrektheit der Aussage "AMD verwendet alte Prozessoren-Technologie für neue Produkte". Dies wurde bereits zur CES 2023 thematisiert und ist trotz AMDs recht offener Politik bezüglich der Prozessoren-Namensgebung (rein für den Mobile-Bereich) bis jetzt nicht wirklich akzeptiert. Zudem scheint AMD diesen wilden Architektur-Mischmasch auch bei seinen kommenden Mobile-Generationen fortzuführen, selbst für das Jahr 2025 sollen dann im Einsteiger-Bereich noch Zen2-basierte Prozessoren antreten. Nur ist Intel halt denkbar ungeeignet, diese Fehler des AMD-Portfolios zu thematisieren, da man selbst die letzten Jahre über oftmals mit vielen Misch-Generationen gearbeitet hat und in absehbarer Zeit wohl auch nicht aus diesem Schema herauskommen dürfte.