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Zu wenige RayTracing-Tests: nVidia schließt "Hardware Unboxed" von Testsample-Lieferungen aus

Hardware Unboxed haben auf Twitter ein Statement herausgegeben, wonach der bekannte YouTube-Channel (dessen Tests oftmals auch in Schriftform beim TechSpot erscheinen) von nVidia mit der weiteren Belieferung von Testsamples an "Founders Edition" Grafikkarten ausgeschlossen wurde. Zukünftig müsste man sich damit rein bei den Grafikkarten-Herstellern umsehen, womit man aber in den meisten Fällen nicht zum weltweiten Launchtermin mit einem Review spruchreif wäre, weil am jeweiligen Launchtag bei nVidia üblicherweise nur Tests der jeweiligen Founders Edition veröffentlich werden dürfen. Hintergrund des ganzen ist, dass nVidia nicht zufrieden ist mit der Test-Zielrichtung von Hardware Unboxed primär zugunsten von Rasterizer-Performance – anstatt der RayTracing-Performance. Sehr harsch ist insbesondere die letzte Aussage, wonach nVidia bei Änderung dieser Test-Zielrichtung über eine Wiederaufnahme der Sample-Lieferungen nachdenken könnte.

Nvidia have officially decided to ban us from receiving GeForce Founders Edition GPU review samples.
Their reasoning is that we are focusing on rasterization instead of ray tracing.
They have said they will revisit this "should your editorial direction change".

Quelle:  Hardware Unboxed @ Twitter am 10. Dezember 2020

Denn damit wird klar, dass nVidia an dieser Stelle in die Presse- und redaktionelle Freiheit von Hardware Unboxed eingreift. Dies kommt um so ungünstiger, als dass man Hardware Unboxed nicht nachsagen kann, das Thema "RayTracing" komplett ignoriert zu haben: Der kürzliche Test zur GeForce RTX 3070 beinhaltet sicherlich eine starke Konzentration auf Rasterizer-Benchmarks (14 Testspiele auf 3 Auflösungen unter Rasterizer, nur ein Testspiel unter RayTracing), aber zumindest wurde das RayTracing-Thema gestreift und somit nicht gänzlich negiert. Andere Hardwaretester liefern in dieser Frage durchaus mehr RayTracing-Benchmarks ab und sicherlich mag dem Thema die Zukunft gehören, nichtsdestotrotz steht jenes immer noch ziemlich am Anfang. Zudem ist eine gewisse Variabilität zwischen verschiedenen Hardwaretests und sich andere dabei ergebende Betrachtungswinkel nur zu begrüssen, denn wenn alle dasselbe testen würden, verengt sich der Blick zu sehr – vorzugsweise auf das, was der Hersteller die Käufer maximal sehen lassen will.

Im konkreten Fall läuft es schließlich auf exakt dies hinaus: Der Hersteller will mehr Konzentration auf RayTracing-Tests, die Hardwaretester wollen ihren eigenen Weg gehen. Der eigentliche Streitpunkt ist dabei sicherlich weniger, wann der richtige Zeitpunkt ist, mehr RayTracing-Tests einzubinden – sondern natürlich der, ob es gerechtfertigt ist, Hardware Unboxed wegen dieser Unbotmäßigkeit von der Sample-Belieferung auszuschließen. Sicherlich liegt es nominell im Ermessen des Herstellers, welche Redaktion Samples erhält und welche nicht – aber wenn mit der Sample-Lieferung direkt oder unterschwellig in die Art der Tests eingegriffen werden soll, dann kollidiert dies mit der Pressefreiheit und ist keineswegs mehr eine so eindeutige Situation. In welche Richtung man hierzu auch immer denken mag und wohin sich dieser Fall noch entwickeln wird, besonders clever scheint nVidia hierbei nicht zu agieren – denn natürlich zieht so etwas Kreise bzw. bringt den Hersteller in wenig erbauliche Diskussionen.

Nachtrag vom 13. Dezember 2020

In der Causa "Hardware Unboxed" gab es eine schnelle Wende zum Guten, denn laut einem Tweet hat nVidia seine ursprüngliche Entscheidung zurückgezogen, Hardware Unboxed nicht mehr mit Testsamples zur "Founders Edition" zu beliefern. Für nVidia mag dies natürlich weniger gut aussehen, wenn man erst mit so einer harschen Entscheidung vorprescht, jene nun aber (unter den Augen der Öffentlichkeit) zurückziehen muß – da darf dann intern durchaus die Frage gestellt werden, ob diese Affäre wirklich notwendig war. Dass man die ursprüngliche Entscheidung recht schnell zurückgezogen hat, zeigt wenigstens, dass man auf den aufkommenden Shitstorm reagiert bzw. jenen nicht zu groß werden lassen wollte. Um nVidias Standpunkt in dieser Sache besser erfassen zu können, kann man im übrigen inzwischen die komplette nVidia-Mail mit der (ursprünglichen) No-Samples-Entscheidung nachlesen – wobei jener nVidia-Standpunkt inhaltlich weiterhin aktuell sein dürfte, nur eben die No-Sample-Entscheidung gegenüber Hardware Unboxed zurückgenommen wurde.

Denn schließlich gibt es in der eigentlichen Sache, ob RayTracing in den aktuellen Hardware-Tests zu kurz kommt, durchaus verschiedene Meinungen, wird nVidias Ansicht von Teilen der kommentierenden Nutzer verstanden oder gar geteilt. Dabei sind im Zeitalter der um sich greifenden Meinungsverengung abweichende Ansichten als potentielles Korrektiv zur bestehenden Mehrheitsmeinung inzwischen viel eher zu begrüssen – was aber nur Sinn macht, wenn beide Seiten vermeiden, die jeweils andere Seite in missionarischer Art & Weise vom "Irrglauben" ihrer jeweiligen Ansicht bekehren zu wollen. Anstatt also zu diskutieren, um die "Blödheit" der jeweils anderen Seite zu beweisen, liegt das eigentliche Ziel einer (sinnvollen) Diskussion darin, neue Fakten zu hören, andere Blickweisen zu erfahren sowie die eigene Meinung gegenüber den Argumenten der Gegenseite abzuklopfen (leichter gesagt als getan, fürwahr). Es sollte (an allen Fronten) mehr an dem Ideal gearbeitet werden, auch einfach einmal "gepflegt anderer Meinung" zu sein – und nicht wegen abweichender Ansichten immer gleich einen Kulturkrieg vom Zaun zu brechen.